Händlerin an der New Yorker Börse
Marktbericht

Gewinnmitnahmen US-Anleger nicht mehr so stürmisch

Stand: 14.11.2022 22:19 Uhr

An der Wall Street haben die Anleger zu Wochenbeginn Gewinne mitgenommen. Gestützt werden die Märkte aber weiterhin von der Aussicht auf ein langsameres Tempo der Zinserhöhungen durch die US-Notenbank.

An der New Yorker Aktienbörse glätten sich so langsam die Wogen, die die niedriger als erwartet ausgefallenen Inflationsdaten am vorigen Donnerstag ausgelöst hatten. Es ging im Handel lange Zeit deutlich ruhiger zu, auch weil viele Anleger vorsichtiger agierten. Erst gegen Ende der Sitzung setzten noch stärkere Gewinnmitnahmen ein.

Denn es spricht zwar einiges dafür, dass die US-Notenbank Federal Reserve bei der Bekämpfung der Inflation den größten Teil der Wegstrecke zurückgelegt hat. Ein Ende des Zinszyklus ist deshalb aber nicht in Sicht. Schon morgen werden Produzentenpreise für den Oktober erwartet, ein vorlaufender Indikator für die Verbraucherpreise, der weiteren Aufschluss über den Inflationsdruck geben soll.

Börsianer sollten sich nicht auf das Tempo, sondern auf den Spitzenleitzins des aktuellen Erhöhungszyklus konzentrieren, mahnte Fed-Banker Christopher Waller an. Und dieser liege noch recht weit entfernt. Damit reagierte der Währungshüter auf die nach dem abgeschwächten Preisdruck in den USA hochgeschossenen Spekulationen hinsichtlich eines abnehmenden Zinsdrucks, die zuvor die Aktienkäufe angetrieben hatten.

"Die Fed versucht, den Märkten mitzuteilen, dass sie nicht umschwenken wird", sagte HYCM-Analyst Giles Coghlan. Auch wenn sie eine Verlangsamung des Tempos der Zinserhöhungen durchblicken lasse, bedeute dies nicht unbedingt, dass sie zu einem niedrigeren Endpunkt komme.

Entsprechend agierten die Anleger zum Wochenstart vorsichtiger als zuletzt. Nach zwei sehr starken Handelstagen an der Technologiebörse Nasdaq nehmen die Anleger Gewinne vor allem im späten Geschäft mit, die aber im Rahmen bleiben. Es ging um 1,1 Prozent bergab auf 11.196 Zähler nach zuletzt fast zehn Prozent Plus in zwei Tagen. Der Auswahlindex Nasdaq 100 schloss bei 11.700 Punkte knapp ein Prozent schwächer.

Der Dow Jones-Index, der Leitindex der Standardwerte, hielt sich lange sogar im Plus, gab am Ende dann aber auch noch 0,63 Prozent ab auf 33.536 Punkte. Der marktbreite S&P-500-Index gab 0,85 Prozent nach und verpasste damit auf Schlusskursbasis die Marke von 4000 Punkten, die er im Verlauf noch leicht übertroffen hatte.

Thema an der Wall Street war neben dem Zinsdauerbrenner auch weiterhin die Pleite der US-Kryptobörse FTX. Die auf den Bahamas ansässige Börse hatte am Freitag Insolvenschutz beantragt.

Auch die Zukunft des Kurznachrichtendienstes Twitter bleibt im Fokus der Anleger. Der neue Twitter-Besitzer und Tesla-Chef Elon Musk hat sich nach dem Chaos um täuschend echt aussehende Fake-Accounts eine scharfe Warnung eines einflussreichen US-Senators eingehandelt. "Bringen Sie Ihre Unternehmen in Ordnung. Oder der Kongress wird das erledigen", schrieb der Demokrat Ed Markey am Sonntag nach einem verbalen Schlagabtausch mit Musk bei Twitter.

Auf Fragen zu seiner Übernahme von Twitter und zu seiner Führung des Elektroautobauers hatte Musk geantwortet: "Ich habe zu viel Arbeit auf meinem Teller." Tesla-Papiere grenzten anfänglich stärkere Verlust im Verlauf zwar ein, schlossen am Ende aber trotzdem 2,56 Prozent im Minus.

Der Online-Riese Amazon will einem Zeitungsbericht zufolge rund 10.000 Arbeitsplätze abbauen. Der Stellenabbau in der Verwaltung und im Technologiebereich könne noch diese Woche beginnen, beichtete die "New York Times" am Montag.

Im Mittelpunkt der Kürzungen stehe die defizitäre Geräte-Sparte des weitverzweigten Konzerns, zu der auch die Sprachsteuerung "Alexa" gehört. Der Abbau, dessen genauer Umfang noch nicht feststehe, entspreche etwa drei Prozent der Gesamtbelegschaft. Von Amazon war keine Stellungnahme zu erhalten.

Einige der großen Tech-Konzerne in den USA bemühen sich zurzeit um Kostensenkungen und haben Stellenstreichungen angekündigt, so die Facebook-Mutter Meta und die von Tesla-Chef Elon Musk übernommene Kurznachrichten-Plattform Twitter. Die Aktien von Amazon, die in diesem Jahr bisher etwa 40 Prozent ihres Wertes verloren haben, dämmten ihre Verluste kurzzeitig ein und wurden am Ende mit einem Minus von 2,2 Prozent gehandelt.

Im Streit um die Standortbestimmung von Nutzern zahlt der Internetriese Google 392 Millionen Dollar (rund 379 Millionen Euro) an 40 US-Bundesstaaten. Mehrere Bundesstaaten hatten dem zur Holding Alphabet gehörenden Suchmaschinenbetreiber vorgeworfen, unerlaubterweise die Standorte seiner Nutzer überwacht zu haben.

Das Verfahren ging auf einen Bericht der US-Nachrichtenagentur AP aus dem Jahr 2018 zurück. Demnach sammelte Google Standortdaten von Nutzern selbst dann, wenn die Nutzer eine Geolokalisierung auf ihrem Smartphone abgelehnt hatten. Demnach lief die Standorterfassung über eine andere Einstellung weiter.

Der DAX behauptete sich auch zum Wochenstart auf hohem Niveau und rückte am Ende des Tages 0,62 Prozent vor auf 14.313 Punkte. In der Spitze war der deutsche Leitindex heute schon bis auf 14.431 Zähler gestiegen, konnte das hohe Niveau aber nicht ganz behaupten. Der Index markierte damit aber ein neues Fünf-Monatshoch. Das Tagestief lag bei 14.243 Zählern.

Der MDAX, der industrie- und exportlastige Index der mittelgroßen Werte, schlug sich besser. Er gewann 1,27 Prozent auf 26.304 Punkte. Die Anleger bleiben also engagiert. Deutliche Gewinnmitnahmen nach einer mehr als 2000 Punkte umfassenden Rally seit Ende September sehen ganz klar anders aus.

Zudem der deutsche Leitindex weiter stabil über seiner erst vor kurzem eroberten 200-Tage-Durchschnittslinie handelt, die bei rund 13.600 Punkten verläuft. Den Bären (Verkäufern) fehlt derzeit der Mut, diese wichtige technische Marke zu attackieren - was nach den deutlichen Kursgewinnen zuletzt aber nicht ungewöhnlich wäre.

Binnen weniger Wochen hat sich das Bild am deutschen Aktienmarkt komplett gewandelt. War der DAX Ende September noch auf den tiefsten Stand seit fast zwei Jahren abgesackt, hat er seitdem um über 20 Prozent zugelegt. Sechs Wochen in Folge fuhren die deutschen Standardwerte Kursgewinne ein.

Update Wirtschaft vom 14.11.2022

Stefan Wolff, HR, tagesschau24

"Den Aktienmarkt trägt zum einen die Zuversicht, dass die Inflation ihren Höhepunkt erreicht hat und die Fed nicht allzu weit davon entfernt ist, die Zinserhöhungen zu unterbrechen", schrieb Analyst Konstantin Oldenburger vom Broker CMC Markets. Zum anderen helfe aber auch die Tatsache, dass sich das Wirtschaftswachstum nicht so schlecht entwickele wie noch im Sommer angenommen.

"Ob der Markt mit der Oktober-Inflation in den USA tatsächlich den Beweis dafür bekommen hat, dass der Gipfel im Preisanstieg auch erreicht wurde, lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen", gibt allerdings Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets zu bedenken. Vor diesem Hintergrund dürften die morgen veröffentlichten Produzentenpreise aus den USA an den Märkten für großes Interesse sorgen.

Gestützt wird der Markt derzeit auch immer wieder durch Hoffnungen, dass die Führung in China weitere Lockerungen im Kampf gegen das Coronavirus auf den Weg bringen könnte. Schon kleinste Lockerungen oder Ankündigungen haben derzeit große Auswirkungen, dazu ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt für seine internationalen Handelspartner und Märkte einfach zu wichtig.

"Die Lockerungsmaßnahmen bei Covid und die Unterstützung des Immobilienmarktes haben für eine gewisse Entspannung gesorgt", bemerkt Craig Erlam vom Broker Orlanda.

"Leider fällt beides in eine Zeit, in der die Zahl der Covid-Infektionen in Großstädten wie Peking und Guangzhou auf Rekordniveau liegt. Und die angekündigten Lockerungsmaßnahmen sind nicht ehrgeizig genug, um in den Städten mit steigenden Fallzahlen etwas zu bewirken, was bedeutet, dass die Aktivität nachlassen wird", so der Experte weiter.

Die Ölpreise gaben am Abend noch deutlicher nach. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete rund 3,5 Prozent weniger bei 92,58 Dollar, Öl der US-Leichtölsorte WTI über 4,0 Prozent. Die in Dollar notierenden Rohstoffe leiden unter dem jüngsten Kursanstieg der US-Devise, bremst dieser doch die Nachfrage aus Ländern außerhalb des Dollar-Raums.

Der Euro hat im Handelsverlauf gegen den Dollar Boden gut gemacht. Im US-Handel wird die Gemeinschaftswährung bei 1,0333 Dollar gehandelt und damit etwa so viel wie am Vortag. Am Morgen war der Greenback noch deutlich stärker gewesen bei 1,0272 Dollar.

Der zuletzt so starke Dollar leidet derzeit unter der Aussicht auf kleinere Zinsschritte der US-Notenbank und hatte in der vergangenen Woche zum Euro etwa vier Prozent an Wert verloren. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0319 (Freitag: 1,0308) Dollar fest. Die Feinunze Gold legte leicht um eine halbes Prozent auf 1773 Dollar zu.

Der Chiphersteller Infineon hebt nach einem Rekordgeschäftsjahr 2021/22 seine langfristigen Ziele an. So erwartet das DAX-Unternehmen über den Zyklus künftig ein Umsatzwachstum von mehr als zehn Prozent, wie Infineon heute mitteilte. Bislang hatte der Chiphersteller mehr als neun Prozent in Aussicht gestellt.

Die Profitabilität soll dabei deutlicher steigen als geplant. Hier geht Infineon für den gleichen Zeitraum von einer Segmentergebnismarge von 25 Prozent aus, anstelle von 19 Prozent. Dabei profitiert das Unternehmen von den Themen Dekarbonisierung und Digitalisierung. Umsatz und Segmentergebnismarge sollen sich im neuen Geschäftsjahr 2022/23 (per Ende September) besser entwickeln als von Analysten zuvor erwartet.

Zudem plant Infineon ein großes neues Werk zur Chipherstellung am Standort Dresden. Die Fabrik "soll bis zu 1000 neue hochwertige Arbeitsplätze schaffen und könnte entsprechend der Planung im Herbst 2026 produktionsbereit sein", heiß es weiter. Infineon will dafür fünf Milliarden Euro ausgeben; das wäre den Angaben zufolge die größte Einzelinvestition in der Firmengeschichte.

2022 schnellte der Umsatz um 29 Prozent nach oben auf 14,2 Milliarden Euro. Das Segmentergebnis verbesserte sich um 63 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro. Damit übertraf das Unternehmen die Erwartungen der Analysten. Die Nachrichten kamen bei den Investoren gut an, das Infineon-Papier setzte sich an die DAX-Spitze und legte dabei 7,7 Prozent zu.

22 Jahre nach dem heftig umstrittenen dritten Börsengang der Deutschen Telekom ist die Mehrzahl der Rechtsfälle abgeschlossen. Mehr als 60 Prozent der Kläger hätten den vom Oberlandesgericht Frankfurt unterstützten Vergleichsvorschlag inzwischen angenommen, teilte der DAX-Konzern mit. Unter ihnen sind auch die Erben des 2016 verstorbenen Musterklägers.

Der Windanlagenhersteller Nordex wird für das laufende Jahr pessimistischer. Die operative Marge (Ebitda-Marge) werde am unteren Ende des Prognosekorridors bei rund minus vier Prozent erwartet, teilte der TecDAX-Konzern am Abend nach XETRA-Schluss mit. Grund seien die fortwährenden Unterbrechungen der Lieferketten, Folgekosten aus Projektverzögerungen sowie das inflationäre Preisumfeld.

Von Juli bis September sei der Umsatz gegenüber den Vorquartalen deutlich gestiegen. In den ersten neun Monaten 2022 sank der Umsatz insgesamt um 2,1 Prozent auf rund 3,9 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) war mit minus 200 Millionen Euro klar negativ. Vor einem Jahr war noch ein operatives Ergebnis von 101 Millionen Euro angefallen.

Eine Enttäuschung bei einem Kandidaten für ein Alzheimer-Medikament hat bei Morphosys-Aktien einen Kurseinbruch von bis zu 32 Prozent auf den tiefsten Stand seit 2010 ausgelöst. Der Schweizer Pharmakonzern Roche verfehlte in seinem Alzheimer-Programm mit dem Wirkstoff Gantenerumab die gesteckten Ziele. Morphosys ist Lizenzpartner von Roche bei diesem Alzheimer-Kandidaten. Auch Roche-Partizipationsscheine geben an der Züricher Börse nach.

Von einem Erfolg hatten sich die Schweizer Lizenzeinnahmen in Milliardenhöhe und Morphosys wiederum hohe Abschlagszahlungen von Roche erhofft. Weltweit leiden rund 55 Millionen Menschen an der häufigsten Form der Demenz, bis 2030 sollen es 78 Millionen werden. Die Hoffnungen ruhen jetzt auf dem US-Biotechriesen Biogen und dessen japanischem Partner Eisai.

Deren Mittel Lecanemab hatte jüngst in klinischen Tests mit Patienten im Frühstadium der Krankheit den kognitiven und funktionellen Verfall deutlich verlangsamt - ein seltener Erfolg in der Alzheimerforschung, die auf eine lange Reihe von Misserfolgen zurückblickt. Biogen-Aktien stiegen an der Nasdaq deutlich um XX Prozent.

Im DAX sind die Papiere von Merck KGaA mit einem Plus von über vier Prozent auf den höchsten Stand seit Mitte August der klare Spitzenreiter. Die Bank of America hatte die Titel des Pharma- und Spezialchemiekonzerns von "Neutral" auf "Buy" hochgestuft.

Der Automobilzulieferer und Waffenhersteller Rheinmetall will das Munitionsgeschäft mit der Übernahme des spanischen Unternehmens Expal Systems ausbauen. Verkäufer sei der spanische Konzern Maxam, teilte Rheinmetall mit.

Der Versicherungskonzern Talanx, Mehrheitseigner der im DAX notierten Hannover Rück, hat im dritten Quartal, ein Jahr nach der verheerenden Flutkatastrophe in Deutschland, seinen Überschuss um 27 Prozent gesteigert. Vorstandschef Torsten Leue rechnet für 2022 daher weiterhin mit einem Gewinn zwischen 1,05 und 1,15 Milliarden Euro.

Unmittelbar vor der geplanten Komplett-Übernahme durch ein Konsortium um die bisherige Mutter Vodafone legt Vantage Towers robuste Halbjahreszahlen vor. Demnach hat das operative Ergebnis um 1,8 Prozent auf 272,7 Millionen Euro zugelegt.

Die Deutsche Pfandbriefbank (pbb) hinkt beim Gewinn angesichts einer steigenden Risikovorsorge und rückläufiger Tilgungen hinter dem Vorjahresniveau hinterher. Nach den ersten neun Monaten stehen beim Ergebnis vor Steuern 159 Millionen Euro zu Buche, 15 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Die hohen Energiekosten und der heraufziehende Konjunkturabschwung bremsen den Hafenlogistik-Konzern HHLA. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) schrumpfte im dritten Quartal im Hafengeschäft um gut ein Fünftel auf rund knapp 54 Millionen Euro. Den Ausblick für das Gesamtjahr bestätigte der Vorstand.

Der Unterhaltungsriese Walt Disney stemmt sich mit umfassenden Einsparungen und einem weitgehenden Einstellungsstopp gegen die zuletzt rasant gestiegenen Kosten. Ein entsprechendes Memo habe Konzernchef Bob Chapek verschickt, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg.