USA und EU starten Verhandlungen Freihandelsträume trotz Spähprogramms
Falls sich EU und USA auf eine Freihandelszone einigen sollten, hoffen die Europäer auf 400.000 neue Jobs. Heute beginnen die Verhandlungen in Washington. Doch wegen der US-Spähaktionen wurde in der EU auch Kritik an den Gesprächen laut.
Eine aus der EU-Kommission war richtig sauer: Am Sonntag vor einer Woche war Viviane Reding bei einem Bürgergespräch in Luxemburg. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass der US-Geheimdienst NSA EU-Vertretungen in Washington und New York ausgespäht haben soll. Wenn man mit einem Partner verhandle, müsse ein Minimum an Vertrauen da sein, sagte die Grundrechtekommissarin. Wenn diese Grundregeln nicht eingehalten würden, könne sie sich keine Verhandlungen vorstellen. Gemeint war das geplante Freihandelsabkommen mit den USA.
Verhandlungen auch ohne Aufklärung
Die EU-Kommission führt die Verhandlungen mit den USA und hat gerade erst das Mandat des Europäischen Parlaments und der Mitgliedsstaaten bekommen. Müssen die Amerikaner also erst die Schnüffeleien aufklären, bevor die Europäer an den Verhandlungstisch kommen? Die offizielle Reaktion klang anders. Klarheit über die Vorgänge forderte die Sprecherin von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso von den USA. Und so werden sich die Unterhändler von EU und USA heute wie geplant an den Verhandlungstisch zu setzen.
Frankreich wollte Kulturthemen ausklammern
Um überhaupt so weit zu kommen, brauchten die EU-Handelsminister eine lange Nacht in Luxemburg. Frankreich hatte darauf bestanden, den Bereich Kultur und speziell die audiovisuellen Medien von den Verhandlungen auszuklammern. Am frühen Morgen sah sich die französische Handelsministerin Nicole Bricq als Siegerin. Das sei aber kein Grund, in Triumphgeheul auszubrechen. Statt die Kultur ganz auszuklammern, hatte die EU-Kommission rote Linien vorgeschlagen. Demnach sollte die Förderung der europäischen Filmindustrie oder die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks tabu sein.
Aber EU-Handelskommissar Karel De Gucht besteht darauf: Der Deal der Handelsminister bedeute nicht, dass Kulturthemen ein für allemal vom Verhandlungstisch seien. "Ich sehe es nicht so, dass der audiovisuelle Sektor jetzt vollständig ausgeschlossen ist - und danach werde ich auch handeln", sagte er. "Momentan steht es nicht im Verhandlungsmandat. Aber der Text ermöglicht es ausdrücklich, dass die EU-Kommission die Handelsminister ersuchen kann, ihr zusätzliche Vollmachten zu erteilen." Dafür braucht es dann einen einstimmigen Beschluss der Handelsminister - natürlich inklusive Frankreich.
Hoffnung auf 400.000 neue Jobs
Europäer und Amerikaner hoffen durch das Handelsabkommen auf einen Schub für die Wirtschaft diesseits und jenseits des Atlantiks. Mit bis zu 400.000 neuen Jobs rechnet die EU-Kommission. Im Moment gibt es beim Handel noch alle möglichen Hindernisse. Dazu gehören klassische Einfuhrzölle. In Europa hergestellte Autos, Elektrogeräte oder Windräder müssen aber auch die in den USA geltenden Standards erfüllen. Dadurch haben die Unternehmen viel höhere Kosten. Von einheitlichen Standards verspricht sich die europäische Wirtschaft mehr Chancen auf dem amerikanischen Markt und höhere Gewinne.