Einigung bei Griechenland-Hilfen Eine Rechnung mit vielen Unbekannten
Die Euro-Finanzminister, der IWF und die Europäische Zentralbank haben sich nach wochenlangen Diskussionen grundsätzlich geeinigt, Hilfen für Griechenland in Höhe von fast 44 Milliarden Euro freizugeben. Zudem erhält Athen mehr Zeit für die Rückzahlung. Doch es bleibt eine Rechnung mit vielen Unbekannten.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble versuchte es nach dem erneuten 13-stündigen Verhandlungsmarathon mit Ironie: "Sie sehen, wir waren sehr effizient, sind wesentlich früher und zu einem Ergebnis gekommen als vor einer Woche - und das ist doch ein beachtlicher Fortschritt."
Aber vor allem wohl ein Fortschritt, der überfällig war. Zwei Wochen mussten die pleitebedrohten Griechen auf das grüne Licht für die Auszahlung der so dringend benötigten nächsten Raten aus dem Rettungsprogramm warten. Das sei ein Test für die Glaubwürdigkeit und die Entscheidungsfähigkeit der Eurozone gewesen, meinte EU-Währungskommissar Olli Rehn. Und bei diesem Test habe man auf keinen Fall scheitern dürfen.
Mit anderen Worten: Das Schicksal des Euro stand mal wieder auf Messers Schneide. IWF-Chefin Christine Lagarde hatte den Eurostaaten die Pistole auf die Brust gesetzt: Entweder der Schuldenberg Griechenlands wird auf ein wenigstens einigermaßen erträgliches Maß reduziert oder der Internationale Währungsfonds steigt aus dem Rettungsprogramm aus. Die Eurostaaten mussten so eine Finanzierungslücke in zweistelliger Milliardenhöhe schließen. Und da gab es wiederum für den deutschen Finanzminister und viele seiner Kollegen zwei rote Linien: Es durfte weder eine Aufstockung des Hilfsprogramms geben noch einen Schuldenschnitt für die öffentlichen Gläubiger, weil das den europäischen Steuerzahler treffen würde.
Und so mussten die Experten lange hin und her rechnen, bis durch andere Maßnahmen die nötige Summe beisammen und Lagarde zufrieden war. Die Europartner verpflichten sich, die Schulden Griechenlands bis 2020 auf 124 Prozent der Wirtschaftsleistung abzusenken, 2022 sollen sie dann auf deutlich unter 110 Prozent sinken. Derzeit liegt die Schuldenquote noch bei 175 Prozent. Erreicht werden soll die Verringerung durch ein Entgegenkommen bei den Hilfskrediten. Die Zinssätze werden gesenkt, die Rückzahlung um 15 Jahre nach hinten verschoben. Für die Kredite aus dem Rettungsschirm EFSF wird die Zinszahlung für zehn Jahre gestundet. Außerdem sollen die Gewinne, die die Euro-Notenbanken mit den aufgekauften griechischen Anleihen machen, an Athen zurücküberwiesen werden.
Die griechische Regierung soll zudem in zwei Wochen eigene Schuldentitel von privaten Investoren zum Marktwert zurückkaufen. Denn der liegt derzeit weit unter dem ursprünglichen Ausgabepreis. Es bleibt eine Rechnung mit vielen Unbekannten, dennoch bleibt der IWF im Boot; der Schulterschluss zwischen Eurozone und dem Fonds ist wieder hergestellt - zur Erleichterung von Eurogruppenchef Claude Juncker.
Das ganze Paket muss nun noch durch die nationalen Parlamente. Schäuble hofft, dass der Bundestag die Beratungen bis Freitag abschließen kann. Dies sei jedenfalls der vorgesehene Zeitplan, so Schäuble. Dieser sei "eng, weil wir jetzt schon in den Morgenstunden des Dienstags sind und weil die Materie höchst kompliziert ist".
Mitte Dezember soll dann der formelle Beschluss zur Freigabe der nächsten 44 Milliarden Euro an Griechenland fallen. Der Großteil der Summe soll schon dieses Jahr ausgezahlt werden, der Rest in drei Tranchen Anfang 2013. Das ist auch als Druckmittel auf die griechische Regierung gedacht. Denn das Geld gibt es immer nur, wenn die Reformen wie versprochen vorankommen.