Interview mit Opel-Treuhänder Pfeil "Die Politiker haben sich bemüht"
Nach dem gescheiterten Opel-Magna-Deal geht Opel-Treuhänder Dirk Pfeil mit der Politik hart ins Gericht. Ins Zeugnis würde er schreiben: Sie haben sich bemüht, sind aber den Anforderungen nicht gerecht geworden, sagte er gegenüber tagesschau.de.
tagesschau.de: Herr Pfeil, Sie standen dem Verkauf an Magna schon immer kritisch gegenüber. Fühlen Sie sich jetzt bestätigt?
Dirk Pfeil: Natürlich ist das eine Bestätigung. Allerdings ist diese Einsicht ja nicht von deutscher Seite aus gekommen, sondern eher von der amerikanischen.
tagesschau.de: Glauben Sie, dass die Eigensanierung durch GM nun ein gangbarer Weg ist?
Pfeil: Es ist der einzige Weg, der jetzt noch bleibt. Andere Wege sehe ich nicht.
tagesschau.de: Bund und Länder hatten Magna 4,5 Milliarden Euro Staatshilfen zugesagt. Können sie jetzt Geld für eine GM-eigene Lösung verweigern?
Pfeil: Eigentlich nicht, denn sie haben der Kommission in Brüssel mitgeteilt, dass das Geld für alle zur Verfügung gestanden hätte. Vorher war es so, dass die Bundesregierung und die Politik im Allgemeinen Druck auf GM ausgeübt haben. Jetzt sind die Fronten natürlich etwas verdreht. Jetzt kann GM - auch mithilfe der EU - die gleichen Mittel einfordern.
"Sie haben sich bemüht"
tagesschau.de: Es ist also ein krachendes Desaster für die Bundesregierung und die beteiligten Landesregierungen. Stehen die Politiker jetzt wie die Deppen da?
Pfeil: Ich glaube nicht, dass die Politiker wie die Deppen dastehen. In einem Zeugnis würde stehen: Sie haben sich bemüht, sind aber den Anforderungen nicht gerecht geworden.
tagesschau.de: Wie geht es jetzt weiter?
Pfeil: Als erstes muss das Geld zurückgezahlt werden, so wie Herr Brüderle es gefordert hat. Verträge werden erfüllt, auch Bausparverträge werden irgendwann fällig, dann kann man über eine Prolongation verhandeln, das ist nichts Besonderes. Aber dann muss eben der Bankkunde, in dem Fall der Staatskunde, nachweisen, was er mit dem Geld macht und wie er es absichert. Und dann wird sich die Bundesregierung, meines Erachtens nach, ganz objektiv dieses Mal auch mit GM befassen müssen.
tagesschau.de: Das heißt, davor war es keine objektive, sondern eine politische Entscheidung?
Pfeil: Es war vorher eine politische und keine betriebswirtschaftliche Entscheidung. Es war eine Entscheidung, die auf die Sorgen der Steuerzahler und auf die Staatsfinanzen so gut wie keine Rücksicht genommen hat. Sie hat ausschließlich die öffentliche Wirkung hergestellt, die man vielleicht vor Wahlen herstellen wollte.
tagesschau.de: Droht Opel denn jetzt noch eine Insolvenz?
Pfeil: Es droht nur dann eine Insolvenz, wenn die Beteiligten nicht versuchen wollen, das neue Konzept umzusetzen. Die Frage richtet sich also in erster Linie an die Arbeitnehmerschaft.
"Arbeitnehmer hätten in allen Lösungen Opfer bringen müssen"
tagesschau.de: Das heißt, die Arbeitnehmer müssen Opfer bringen?
Pfeil: Sie hätten in allen Lösungen Opfer bringen müssen. Sie hatten ja schon eingeräumt, dass sie auf bestehende Rechte teilweise verzichten, also auf Urlaubs- und auf Weihnachtsgelder. Sie hatten - zumindest gegenüber Magna - zugesagt, dass sie auf zukünftige Lohnerhöhungen verzichten. Ich denke, das wird schon dabei bleiben.
tagesschau.de: Jetzt wird befürchtet, dass bei einer GM-eigenen Lösung sehr viel mehr Arbeitsplätze verloren gehen oder auch ganze Werke geschlossen werden könnten. Wie sehen Sie das?
Pfeil: Das Werk in Antwerpen wollten, glaube ich, alle Interessenten schließen. Magna wollte es schließen, RHJI wollte es schließen, GM will es wohl auch schließen. Bei den anderen Werken glaube ich, dass es genauso zu Umstrukturierungen kommen wird, wie es mit Magna zu Umstrukturierungen gekommen wäre. Mit Eisenach war man nie so richtig glücklich, in Bochum wird meiner Ansicht nach zu sehr Angst geschürt. Das muss man jetzt alles erst einmal sehen.
"Keine Zulieferer um Eisenach herum"
Auch die anderen Bieter haben ja überlegt, Fertigungen aus anderen Werken wegzuholen und neue Fertigungen aufzuziehen. Überlegt wurde auch, ob es zu einem zweijährigen Stillstand in Eisenach kommt oder eine andere Verwendung für dieses Werk gefunden wird oder vielleicht auch ein anderer Interessent dort Autos produzieren will.
Eisenach hat es als neues Werk nach der Wende nicht geschafft, die nötige Zulieferindustrie um Eisenach herum heranzubekommen. Alles wird nach Eisenach transportiert und dann als Fertigprodukt wieder wegtransportiert. Insoweit ist das eine schwache Position, auch wenn das Werk nach wie vor eines der modernsten in Europa ist.
"Sanierung könnte GM 500 Millionen Euro kosten"
tagesschau.de: Wie teuer könnte denn jetzt diese Lösung für den deutschen Staat werden?
Pfeil: Ich habe veranschlagt, dass es mit GM rund 1,5 Milliarden Euro billiger werden könnte als mit Magna (wo 4,5 Milliarden Euro veranschlagt waren; die Red.). Magna hätte 450 Millionen Euro, also zehn Prozent, Eigentanteil gezahlt. GM müsste dann, wenn ich mit drei Milliarden Euro rechne, entsprechend mindestens 300 Millionen Euro Eigenanteil zahlen. Ich glaube aber, es sollten mindestens 500 Millionen Euro sein.
tagesschau.de: Das heißt also, die Sanierung durch GM könnte 2,5 Milliarden Euro an Steuergeldern kosten?
Pfeil: Ich glaube, dass das erforderlich ist. Ich bin mir zwar nicht sicher, aber es würde mich sehr wundern, wenn GM das Geld alleine aufbringt. Mit dieser Frage muss sich meiner Meinung nach auch die neue Bundesregierung beschäftigen.
"Wir hatten nie richtig was zu sagen"
tagesschau.de: Was können Sie als Mitglied der Opel-Treuhand eigentlich jetzt noch entscheiden? Haben Sie überhaupt noch etwas zu sagen?
Pfeil: Wir hatten nie richtig etwas zu sagen. Wir hatten ja nur zu entscheiden, ob die Verhandlungen mit Magna fortgesetzt werden sollen oder nicht. Wir haben jetzt nach wie vor die Anteile zu verwalten, die GM im Gegenzug für die Gewährung des Überbrückungsdarlehens in Höhe von 1,5 Milliarden Euro an diese Treuhandgesellschaft abgetreten hat. Wenn das Darlehen zurückgezahlt ist, wäre der normale Weg: Die Anteile gehen an GM zurück, die Bundesregierung hat das Geld wieder und dann beginnt das Leben wieder von vorne.
Das Interview führte Herbert Stelz, HR Frankfurt