Regierungskrise in Island "Ihr seid gefeuert"
Ein Rücktritt der isländischen Regierung wird immer wahrscheinlicher. Selbst die regierenden Parteien rechnen mit baldigen Neuwahlen. Ungeachtet dessen dauern die Proteste an. Gestern Nacht wurden erstmals Menschen verletzt, der Ministerpräsident flüchtete unter Polizeischutz.
In dem von der Finanzkrise besonders schwer getroffenen Island wird ein Rücktritt der Regierung immer wahrscheinlicher. Die mit der konservativen Partei von Ministerpräsident Geir Haarde regierenden Sozialdemokraten verlangten Neuwahlen im Mai. Haarde und andere führende Vertreter der Konservativen erklärten, sie würden Wahlen "noch in diesem Jahr" nicht im Wege stehen.
Demonstranten stürmen Sitzung
Die Sozialdemokraten in Islands Hauptstadt mussten gestern Abend Beschimpfungen von Demonstranten im Sitzungssaal über sich ergehen lassen. "Ihr seid gefeuert", schrien zornige Isländer ihren Ministern bei der Stürmung einer Sitzung ins Gesicht. Im Anschluss erfüllten die Sozialdemokraten dennoch die wichtigste Forderung der Demonstranten: Sie sprachen sich für vorzeitige Neuwahlen im Mai aus. Die Menge jubelte und zog weiter zum Parlament. Dort wurden zwei Polizisten leicht verletzt. Die Beamten waren mit Tränengas gegen die bis zu 2000 Demonstranten vorgegangen. Wie der Rundfunksender RUV meldete, wurde ein Polizist vor dem Parlamentsgebäude in Reykjavik von einem Stein am Kopf getroffen und in ein Krankenhaus eingeliefert. Mehrere Demonstranten mussten nach dem Einsatz von Tränengas durch die Polizei ebenfalls stationär behandelt werden.
Ministerpräsident flüchtet unter Polizeischutz
Derart heftige Auseinandersetzungen zwischen einer großen Menschenmenge und der Polizei wie momentan hat die kleine Inselrepublik im Atlantik mit ihren 320.000 Einwohnern seit dem NATO-Beitritt 1949 nicht erlebt. Selbst Ministerpräsident Haarde musste am Mittwoch unter Polizeischutz flüchten, als er beim Verlassen seines Amtssitzes mit Eiern und Schneebällen beworfen wurde.
Wut über die Finanzkrise
Die Demonstranten machen die Regierung wegen ihrer Finanzpolitik mitverantwortlich für den verheerenden Banken-Crash im Herbst 2008. Nach dem Zusammenbruch der drei größten Banken konnte ein drohender Staatsbankrott nur durch Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) und befreundeter Staaten abgewendet werden. Seitdem ist die Arbeitslosigkeit auf Island massiv gestiegen.