IT-Fachkräftemangel Staatliche Headhunter
Der Kampf um kluge Köpfe tobt in der Informationstechnikbranche besonders heftig. Programmierer oder Projektmanager werden händeringend gesucht. Öffentliche Arbeitgeber versuchen, nicht leer auszugehen.
Ein Konferrenzraum auf der Digitalmesse re:publica Ende vergangener Woche. Es ist früher Nachmittag und der Raum brechend voll, rund 60 Leute sind anwesend, vor allem Frauen, die meisten sitzen auf dem Boden. Eine Arbeitsweltexpertin beendet gerade ihren Workshop. Der Titel: "Super Skills für die Jobs von morgen! Wie wir alle arbeiten können, was wir möchten".
Danach strömen die meisten aus dem Raum, einige bleiben in Grüppchen stehen und unterhalten sich. Kaum jemand bekommt mit, dass die nächste Veranstaltung schon begonnen hat: Sarah und Stephan von der Bundesdruckerei wollen junge Leute für einen Job in der staatseigenen GmbH begeistern. Doch erst einmal müssen sie dafür sorgen, dass ihnen überhaupt jemand zuhören kann. Routiniert komplimentieren sie die schwatzenden Grüppchen aus dem Raum. Nur etwa ein Dutzend Zuhörer bleibt zurück.
Großstadtszenen im Imagefilm
Sarah und Stephan präsentieren die Bundesdruckerei als modernes Unternehmen. Beide haben T-Shirts an, auf denen vorn in Schwarz-Rot-Gold "bdr" steht. Auf dem Rücken: "Karriere. Sicherheit." Auf einem Monitor läuft ein Imagefilm, darin: Großstadtszenen, junge Menschen, die lächelnd und dynamisch zur Arbeit kommen. Kann man dem Video glauben, ist die Belegschaft der Bundesdruckerei im Schnitt unter 40, hochmotiviert und geht geschlossen bei Peek & Cloppenburg einkaufen.
Das Klischee vom vermieften Öffentlichen Dienst soll schnellstmöglich beseitigt werden. "Noch immer glauben viele Menschen, wir seien eine Behörde. Dabei sind wir ein Unternehmen im Bundesbesitz", stellt Sarah klar. Es geht viel um Innovation und um anspruchsvolle Jobs - schließlich ist eine der Aufgaben des Unternehmens die Absicherung systemrelevanter, kritischer Infrastruktur. Dafür braucht es Fachkräfte. Und zwar viele.
Damit reiht sich die Bundesdruckerei ein in die lange Liste öffentlicher Arbeitgeber, die lieber gestern als morgen IT-Fachkräfte eingestellt hätten. 46.000 sollen es allein bis Ende 2022 sein, haben Studenten der European School of Management and Technology im vergangen Jahr errechnet. Schon jetzt ist absehbar, dass diese Zielmarke nicht erreicht wird.
Populäre Themen, überschaubares Interesse
"Wir suchen dieses Jahr insgesamt fast 1000 neue Mitarbeiter bis Jahresende, davon rund die Hälfte mit IT-Hintergrund", sagt Stephan. Die Bundesdruckerei wächst rasant, 3700 Menschen arbeiten momentan für das Staatsunternehmen. "Datensicherheit" ist eine der Kernaufgaben - für staatliche Stellen bis runter zum Kassenbon. Alles soll sicher werden, die Zukunft ist digital, hier kann man sie mitgestalten: so die Botschaft von Sarah und Stephan. Klar ist das Thema "Datensicherheit" bei jungen Leuten und in der Branche insgesamt in aller Munde, doch bei der Bundesdruckerei mit anpacken wollen offenbar nicht alle.
Nach der Hälfte des Vortrags verlassen zwei weitere Zuhörer den Saal. Die Zielgruppe von Sarah und Stephan hört anscheinend lieber nebenan dem Kriminalbiologen Mark Benecke zu. 150 Leute sitzen vor der Hauptbühne, das Thema hier: "Bienchen und Blümchen: Warum der Arten-Schwund so herbe nervt". Die re:publica ist eben nicht nur eine IT-Konferenz, sondern auch ein Ort, an dem man sich sein Lebensgefühl bestätigen lassen kann.
In Flip-Flops zur Arbeit
Der Digitalbranchenverband Bitkom hat in einer Umfrage ermittelt, dass der Fachkräftebedarf weiter steigt. Anfang des Jahres waren demnach bundesweit knapp 100.000 IT-Stellen unbesetzt. Keine guten Nachrichten für den Öffentlichen Dienst. Dieser ist für den Nachwuchs oft nicht die erste und auch nicht die zweite Wahl. "Größere Konzerne können bessere Angebote machen als die öffentliche Hand", sagt Adél Holdampf-Wendel von Bitkom. "Und Start Ups können mit anderen Faktoren wie Unternehmenskultur, innovativen Projekten oder Internationalität punkten."
Gerade in Sachen Internationalität kann die Bundesdruckerei noch aufholen. Bislang habe man Stellenanzeigen quasi ausschließlich in deutscher Sprache veröffentlicht, erzählt Stephan. Das ändere sich gerade. So wie das Image. Jung, dynamisch, offen zeigt sich das Unternehmen. Mitten in der Präsentation guckt Stephan an sich herunter: "Kurze Hose, Flip-Flops - so gehe ich auch tatsächlich zur Arbeit."
Im Arbeitsalltag durchforstet er LinkedIn-Profile, schreibt mögliche Arbeitnehmer an, macht sich Gedanken, wie die Bundesdruckerei moderner erscheinen kann. Klassische Headhunter-Arbeit. Nachdem sie mit ihrer Präsentation durch sind, kommen drei Leute auf Sarah und Stephan zu. Keine schlechte Quote, gemessen am überschaubaren Andrang. "300 neue Mitarbeiter haben wir dieses Jahr schon eingestellt", sagt Stephan. Bleiben noch rund 700 freie Stellen übrig.