EU-Beschäftigungsgipfel in Mailand Maßgeschneiderte Lösung gesucht
Schon zwei Mal haben sich die Staats- und Regierungsschefs zu einem Jobgipfel extra für die Jugend getroffen. Verbessert hat sich die Lage danach kaum. Nun treffen sie sich wieder - in Mailand - und wissen bereits: Milliardenschwere Hilfspakete reichen nicht. Maßgeschneiderte Strategien für die eizelnen Länder müssen her.
Von Holger Romann, ARD-Hörfunkstudio Brüssel
Europas Jugend ein Heer von Arbeitslosen? Die nackten Zahlen jedenfalls klingen alarmierend: Rund fünf Millionen junge Menschen in der EU zwischen 15 und 24 Jahren haben keinen Job oder keine vernünftige Ausbildung. Das entspricht einer Quote von über 20 Prozent - doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung.
In den südeuropäischen Ländern, die besonders unter der Krise gelitten haben, ist die Lage am dramatischsten. Trauriger Spitzenreiter: Spanien mit fast 54 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, gefolgt von Griechenland und Italien mit ähnlich hohen Werten. Eine Zeitbombe, die es zu entschärfen gilt, will man nicht eine ganze Generation abschreiben.
Juncker warnt vor "Staat der Ausgestoßenen"
Für Jean-Claude Juncker, den neuen EU-Kommissionspräsidenten, hat das Thema höchste Priorität: "Es entsteht zurzeit innerhalb der Grenzen der Europäischen Union ein 29. Staat. Ein Staat, in dem jugendliche Arbeitslose wohnen. Ein Staat, in dem Ausgeschlossene, Zurückgeworfene, am Wege Stehengebliebene leben. Ich hätte gerne, dass dieser 29. Mitgliedsstaat wieder ein normaler Mitgliedsstaat wird."
Bisher eher Sozial-Kosmetik
Einen gemeinsamen Weg dorthin zu finden, damit tun sich Europas Mächtige schwer. Schon zwei Mal haben sich die Staats- und Regierungsschefs zu einem Jobgipfel extra für die Jugend getroffen - im Sommer 2013 in Berlin und im Herbst darauf in Paris. Die Ergebnisse in beiden Fällen: mager, meinen Kritiker, die solche Konferenzen eher für Sozial-Kosmetik halten.
So wie der Finne Jyrki Katainen, designierter Kommissionsvize, der rät, die Ursachen der Misere gründlicher anzugehen: "Wir müssen die strukturellen Reformen beschleunigen. Ohne echte Reformen werden wir kein nachhaltiges Wachstum und keine Arbeitsplätze schaffen."
Hilfspaket mit "Jugendgarantie"
Sechs Milliarden Euro, verteilt auf zwei Jahre, will man investieren, um junge Menschen in den Problemregionen besser auszubilden und in Lohn und Brot zu bringen. Dazu kommen noch einmal rund 60 Milliarden Euro in Form von Zuschüssen und Krediten aus dem EU-Sozialfonds (ESF) und von der Europäischen Investitionsbank (EIB). Mit dem Geld sollen Trainingsprogramme konzipiert, die Gründung von Unternehmen gefördert oder kleine und mittelständische Betriebe unterstützt werden, die Lehrlinge einstellen.
Kern des Pakets: die sogenannte "Jugendgarantie". Sie soll dafür sorgen, dass Jobsuchende unter 25 Jahren binnen vier Monaten wenigstens ein Praktikum finden. Mit der Umsetzung freilich hapert es noch. In Frankreich profitieren momentan gerade mal 10.000 Schulabgänger davon. EU-weit wurden bis jetzt ganze drei Programme genehmigt.
Merkel wirbt mit dualer Ausbildung
Geld allein werde das Problem ohnehin nicht lösen, meint die Kanzlerin. Sie rät jungen Leuten, auch im Ausland ihr Glück zu versuchen.
Sie verweist auf das Erfolgsmodell "duale Berufsausbildung", mit dem es Deutschland seit Jahrzehnten gelinge, die Jugendarbeitslosigkeit vergleichsweise niedrig zu halten: "Wir schauen darauf, dass die deutschen Unternehmen, die in den jeweiligen Ländern ansässig sind, auch das Thema der dualen Berufsausbildung schrittweise umsetzen und einführen. Aber wenn man überlegt, dass in Spanien zum Beispiel fast eine Million junger Menschen arbeitslos sind, dann kann man nicht von einem Tag auf den anderen dieses Problem allein durch das duale Berufsausbildungssystem bekämpfen."
Gefragt sind maßgeschneiderte Strategien
Als Exportschlager taugt das deutsche Original also nur bedingt. Wer Europas Jugend wieder eine Perspektive geben und die Wirtschaft mit gut ausgebildeten Arbeitskräften versorgen will, braucht maßgeschneiderte Strategien für das jeweilige Land. Deshalb sitzen auch in Mailand wieder die Chefs der nationalen Arbeitsagenturen und die Fachminister mit am Tisch.
Schnelle Erfolge sind trotzdem nicht zu erwarten, ebensowenig weitere Finanzspritzen. Bevor man über neue Gelder rede, solle man erst einmal Bilanz ziehen, wie die beschlossenen Maßnahmen wirkten, heißt es dazu aus Berlin. Die bisherigen Ergebnisse seien "verbesserungsfähig". Der Gastgeber der Konferenz, Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi, der dringend Erfolge braucht, wird es nicht gerne hören.