Zinspolitik der Vereinigten Staaten Wann folgt die US-Notenbank der EZB?
Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins bereits gesenkt. Doch die US-Notenbank Federal Reserve zögert noch. Deren Geldpolitik wirkt sich auch auf die Aktienkurse aus.
Wenn Jerome Powell, der Chef der US-Notenbank Federal Reserve, an das Rednerpult tritt, hören die Analysten an den Finanzmärkten sehr genau hin. Jeder Satz wird abgeklopft auf mögliche Hinweise darauf, wann es losgehen könnte mit der Zinswende in den USA.
Noch aber ist es nicht so weit. Die Währungshüter beließen den Leitzins bei ihrer gestrigen Sitzung auf dem Niveau von 5,25 bis 5,5 Prozent. Die Inflation sei zwar in den vergangenen beiden Jahren merklich zurückgegangen, so Powell, sie verharre aber über dem langfristigen Ziel von zwei Prozent.
Dass die Inflation in den USA im Mai überraschend gefallen ist auf 3,3 Prozent, nannte Powell ermutigend. Analysten hatten nicht damit gerechnet, dass sich die Teuerung weiter abschwächt. Aber: es seien mehr gute Daten nötig, so Powell, um Zuversicht zu fassen, dass die Teuerung nachhaltig auf die Zielmarke zusteuert.
Erster Schritt könnte im September kommen
Wann also folgt die Fed der Europäischen Zentralbank? Die EZB hat die Zinswende schon eingeläutet - und den Leitzins in der vergangenen Woche erstmals seit Jahren wieder gesenkt. An den Finanzmärkten gibt es weiterhin die Erwartung, dass auch die US-Notenbank noch in diesem Jahr damit beginnt, die Zinsen zu lockern. Wann genau, bleibt offen - im September könnte es einen ersten Schritt geben. Vielleicht einen weiteren im Laufe des Jahres. Sicher ist das nicht.
Welche Rolle spielt der Zeitpunkt für die Märkte? Dazu Constantin Bolz, Portfoliomanager der Pax-Bank: "Wir bewegen uns global in einen Zinssenkungszyklus rein. Und ich glaube, dann ist fast irrelevant, ob man einen Monat früher oder einen Monat später kommt. Weil meistens so ein Zinssenkungszyklus nicht nur 'one and done' ist - also eine Zinssenkung und das war's - sondern meistens mehrere Quartale, die dann von Zinssenkungen geprägt sein werden."
Monatelanger Kurstreiber
Diese Erwartung hat an der Börse zuletzt für steigende Kurse gesorgt. An der Wall Street erreichten die Tech-Börse Nasdaq und der breit gefasste S&P 500 gestern neue Rekordstände. Das lag allerdings eher an den Inflationsdaten für den Mai, die die Märkte positiv überrascht haben - und nicht an den Aussagen der US-Notenbank. Viele Investoren überlegen noch, wie sie die Daten aus den USA bewerten sollen. Die Inflation war zwar weniger stark gestiegen als bisher, aber Zinssenkungen sind nach wie vor nicht in Sicht.
Warum aber sind sich die Finanzmärkte so sicher, dass die Zinsen in den USA langfristig sinken werden? Constantin Bolz sagt: "Ganz generell sollte man nicht vergessen, dass das Zinsniveau in den USA schon sehr hoch ist. Das wird der Wirtschaft mittelfristig wehtun. Und gerade auch bei der extrem hohen Staatsverschuldung in den USA ist ein Zinsniveau von über fünf Prozent langfristig nicht zu vertragen."
Noch aber zeigt sich die US-Wirtschaft vergleichsweise stark. Dazu kommt: In Europa - auch in Deutschland - gibt es Zeichen, dass die Konjunktur nach der Schwächephase wieder an Fahrt aufnimmt. Das Zinsniveau kann dabei eine entscheidende Rolle spielen. Fallende Zinsen heißen: Kredite könnten mittelfristig wieder günstiger werden und damit das Investieren erschwinglicher - für Unternehmen aber auch für private Haushalte.