Faurecia übernimmt Hella Zulieferer rüsten sich für die E-Ära
Der Umstieg der Autohersteller auf die Elektromobilität bringt auch die Zulieferer unter Zugzwang. Sie müssen sich neu erfinden. Mega-Übernahmen wie die von Hella durch Faurecia sind die logische Folge.
Der Umstieg der Autohersteller auf die Elektromobilität bringt auch die Zulieferer unter Zugzwang. Sie müssen sich neu erfinden. Mega-Übernahmen wie die von Hella durch Faurecia sind die logische Folge.
Noch dominieren Bosch, Continental und ZF Friedrichshafen den europäischen und teilweise auch den weltweiten Autozulieferer-Markt. Doch die Konkurrenz nimmt zu: Mit der bis zu 6,8 Milliarden Euro teuren Übernahme des Scheinwerferspezialisten Hella aus dem westfälischen Lippstadt steigt die französische Faurecia zur Nummer vier in Europa und zum siebtgrößten Zulieferer weltweit auf. Ziel der Franzosen ist es, dank Hella mehr Zugriff auf die deutschen Autohersteller zu bekommen.
Faurecia: Mit Hella unabhängiger vom Verbrenner
Mit der Übernahme will sich Faurecia aber auch unabhängiger vom Verbrennungsmotor machen. Zurzeit erwirtschaftet das Unternehmen, das lange eng mit dem PSA-Konzern verbunden war, ein Viertel seines Umsatzes mit Komponenten für Benzin- und Diesel-Autos. In vier Jahren sollen es weniger als zehn Prozent sein. "Gemeinsam werden wir einen entscheidenden Vorsprung haben, wenn es darum geht, von den strategischen Treibern der Transformation der Automobilindustrie zu profitieren", sagte Faurecia-Chef Patrick Koller.
Faurecia steigt durch die Hella-Übernahme zur Nummer vier in Europa auf.
Tatsächlich bringt der von der EU-Kommission forcierte Abschied vom Verbrenner ab 2035 die Zulieferer unter Druck. Sie müssen ihre Geschäftsmodelle ändern und neue Nischen in der E-Mobilität finden. So liefern sich Bosch, ZF und Conti derzeit einen harten Verdrängungswettbewerb um die werthaltigsten Komponenten im elektrischen Antriebsstrang. Sie setzen auf die sogenannten Inverter, die den Stromfluss regeln.
Bosch voll unter Strom
Bis 2025 will Bosch den Umsatz in der Elektromobilität auf etwa fünf Milliarden Euro jährlich verfünffachen, ab 2024 will der Konzern hier Geld verdienen. Bereiche, die stark an Benziner und Diesel gekoppelt sind, werden allmählich heruntergefahren oder aufgegeben. So will Bosch einen Standort in München schließen, an dem bisher Kraftstoffpumpen und Einspritzventile gefertigt wurden. Und Continental gliedert seine Antriebssparte unter dem Namen Vitesco Technologies aus und fokussiert sich zunehmend auf Software für autonomes Fahren und die Vernetzung der Autos.
Unternehmen wie Bosch, die sich in den Zukunftsfeldern eine gute Marktposition geschaffen haben, würden den Wandel zur E-Mobilität gut schaffen, sagt Elmar Kades, Autoexperte von der Unternehmensberatung Alix Partners. Wer aber vom Verbrenner abhänge, müsse sich rasch verändern und sich restrukturieren.
Manche Zulieferer kämpfen um ihre Existenz. Der Abgasspezialist Eberspächer zum Beispiel macht aktuell noch fast 90 Prozent seines Umsatzes mit Produkten für Autos mit Verbrennungsmotor. Das Familienunternehmen, weltweit führend bei Katalysatoren, will sein Geschäft mit Batteriemanagementsystemen sowie Stand- und Zusatzheizungen im Fahrzeug ausbauen. In zehn Jahren sollen 60 Prozent der Erlöse unabhängig vom Verbrenner sein.
Zehn Mal weniger Teile im E-Auto
Autoexperten prophezeien, dass in der Elektro-Ära weniger Zulieferer gebraucht werden. Denn ein E-Auto benötigt keine Zylinderkopfdichtung, keinen Ölfilter und auch keinen Tank. Der Verbrennungsmotor habe rund 2500 Bauteile, die montiert werden müssten, erklärt Kai Bliesener, Autofachmann der IG Metall. Der Elektroantrieb hingegen bestehe nur noch aus 250 Teilen.
Als mögliches neues Geschäftsfeld böte sich die Batteriezellfertigung an. Doch Bosch, Conti & Co haben bislang keinerlei Interesse an einem Einstieg in diesem von asiatischen Herstellern dominierten Markt gezeigt. "Die Zellfertigung wäre eigentlich ein Betätigungsfeld für die deutsche Zuliefererindustrie", monierte VW-Chef Herbert Diess auf dem letzten "Handelsblatt"-Autogipfel. Diess und auch Daimler-Chef Ola Källenius versuchen immer wieder, Conti und Bosch zu einem Einstieg ins Batteriezell-Geschäft zu überreden - bisher vergeblich.
Inzwischen bauen die deutschen Autohersteller ihre eigenen Batterien. Porsche will bis 2024 eine Fabrik für Hochleistungsbatterien in Tübingen gemeinsam mit dem Partner Customcells produzieren. Daimler plant mittelfristig acht Gigafabriken zur Herstellung von Batteriezellen. Und VW hat bereits den Bau von sechs eigenen "Gigafactories" angekündigt.
Chips statt Batteriezellen
Stattdessen setzt Bosch auf Chips. Der traditionsreiche Zulieferer hat eine Milliarde Euro in ein eigenes Chipwerk in Dresden investiert, das kürzlich eröffnet wurde. "Bei der Entwicklung der für das Auto immer wichtiger werdenden Software ist es von Vorteil, das Thema bis auf die Chipebene zu durchdringen", sagte Bosch-Chef Volkmar Denner dem "Handelsblatt".
Bosch konkurriert nun mit den großen Chip-Konzernen wie Intel oder Qualcomm. Diese drängen ihrerseits zunehmend in den Autozulieferer-Bereich und machen den deutschen Marktführern zu schaffen. Vor kurzem hat Qualcomm für fast vier Milliarden Euro die schwedische Software- und Sensorik-Firma Veoneer geschluckt. Die Schweden sind spezialisiert auf die Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen. Und vor zwei Jahren hat Intel die israelische Mobileye geschluckt - für mehr als 15 Milliarden Dollar. Mobileye liefert die Kameratechnik für autonom fahrende Autos.
Das Geschäftsfeld ist höchst lukrativ. Statt mit hunderten Steuergeräten funktionieren die künftigen Autos mit wenigen zentralen Rechnern. Bosch, Conti und ZF entwickeln für die Autohersteller solche Zentralrechner.