Schienennetz der Deutschen Bahn Sanierung oder dauerhaftes Flickwerk?
Viele Sanierungsmaßnahmen sollen die Bahn für die Zukunft wappnen. Ende des Jahrzehnts soll es in Deutschland wieder ein Hochleistungsnetz geben. Unklar ist nur, wie der Kraftakt finanziert werden soll.
Ständige Zugausfälle, fehlende Wagons, immense Verspätungen oder Schienenersatzverkehr: Für Bahnreisende ist das stetiger Alltag. Ein wesentlicher Grund für die katastrophale Unpünktlichkeit der Deutschen Bahn sind gewiss veraltete Anlagen, ständige technische Ausfälle oder kurzfristig notwendige Reparaturen. Die Ursachen reichen weit zurück.
So erklärt der Geschäftsführer des Branchenverbandes Mofair e.V., Matthias Stoffregen: Als die Politik in den 1990er-Jahren Bahn-Reform und Börsengang geplant habe, sei man davon ausgegangen, die Kosten des Netzes könnten allein durch Nutzungsgebühren darauf fahrender Züge gedeckt werden. Eine trügerische Hoffnung, die niemals aufging.
Kosten weit über 100 Milliarden Euro
Noch vor gut einem Jahr wurden etwa die Kosten der Riedbahn-Sanierung zwischen Frankfurt und Mannheim auf 500 Millionen Euro geschätzt. Aktuell sind es 1,3 Milliarden - und das für 70 Kilometer Strecke. 4.000 Kilometer will die DB in den kommenden sechs Jahren mit ähnlichem Aufwand sanieren. Selbst das wäre kaum mehr als zehn Prozent des deutschen Netzes, von dem laut der Deutschen Bahn rund ein Drittel heute schon sanierungsbedürftig ist. Weitere Strecken werden im Lauf der kommenden Jahre ihre Verschleißgrenze erreichen.
Laut Bahnchef Richard Lutz summieren sich die überfälligen Reparaturen bereits auf rund 100 Milliarden Euro. Zusätzlich wären noch Neubauten nötig, um das deutsche Netz an die aktuell in Nachbarländern ausgebauten europäischen Hochleistungsstrecken anzubinden. So erklärte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) auf der Festveranstaltung, für die späteren Jahre ab 2029 gebe es noch offene Finanzierungsfragen.
Auch Vorgänger ohne Erfolg
Seit etwa 2010 sind Stoffregen zufolge wieder verstärkt Bundesmittel in die Bahnsanierung geflossen. Aber jeder könne täglich erleben, dass die bei weitem nicht reichten. Das ARD-Magazin Plusminus fragte alle Bundesverkehrsminister der vergangenen 24 Jahre, wie sie sich den heutigen Zustand des Netzes erklären.
Nur Wolfgang Tiefensee (SPD), Bundesverkehrsminister von 2005 bis 2009, antwortete: "Ein Minister kann nur so viel ausgeben, wie ihm nach heftigen Budgetkämpfen Anteil am Gesamtkuchen zur Verfügung steht", sagte Tiefensee. Genau vor diesem Problem steht nun auch Bundesverkehrsminister Wissing.
Jede Menge offene Finanzierungsfragen
Zwar gibt die Ampel aktuell mehr Geld für das Schienennetz aus als jede Regierung vor ihr. Ein ähnlich hoher Betrag ist auch für das kommende Jahr geplant. Doch im Haushalt 2025 klafft ein Loch: Um die Schuldengrenze einzuhalten, wird gestritten, ob man einen Teil der für die Schiene eingeplanten Mittel als Kredit an den DB-Konzern vergeben könne.
Laut Matthias Stoffregen von Mofair e.V. ist das eine schlechte Idee. Schon in den 1990er-Jahren habe man Teile der Bundeszuschüsse als Kredit vergeben. Teile davon müsse die DB noch heute zurückzahlen. Und genau dieses Geld fehle nun für aktuelle Bauprojekte. Neue Kredite würden solche Probleme nur verschärfen.
Streit um den Infrastrukturfonds
Schon 2016 hat eine vom damaligen Bundeswirtschaftsministerium aufgestellte Expertenkommission empfohlen, der Staat solle für Investitionen in Schienen und Straßen einen Infrastrukturfonds bilden. Dieses solle Investitionen für mindestens zehn Jahre absichern. 2022 kam exakt dieselbe Empfehlung von einer "Beschleunigungskommission" des Bundesverkehrsministers. Im April dieses Jahres haben alle Landesverkehrsminister, egal welcher Partei sie angehören, exakt dasselbe erneut gefordert.
Darauf angesprochen, erklärte Bundesverkehrsminister Wissing, so ein Fonds sei vom Bundesverfassungsgericht erst kürzlich verboten worden. Solche Dinge müsse man immer pro Haushaltsjahr machen.
Eine Argumentation, die zum Beispiel Michael Hüther, der Chef des Institutes der deutschen Wirtschaft, für nicht richtig hält. Laut Hüther hat das Verfassungsgericht ausdrücklich über die Zulässigkeit von Notfallkrediten geurteilt. Das sei etwas völlig anderes. Ein Infrastrukturfonds könne ähnlich gestaltet werden wie das Sondervermögen für die Bundeswehr, welches ja auch langfristig angelegt ist - und das sei vom Bundesverfassungsgericht nicht moniert worden.
So lange sich die Bundesverkehrsminister von Jahr zu Jahr hangeln, mal mehr, mal weniger Geld im Topf ist, die Finanzierung von langfristigen Bauprojekten an kurzfristigen Haushaltsentscheidungen hängt, so lange könnte das deutsche Schienennetz - ähnlich wie auch Straßen - ein marodes Flickwerk bleiben.