Hohe Strompreise Siliziumwerk in der Krise
Silizium wird zum Beispiel für die Produktion von Mikrochips und Photovoltaikanlagen gebraucht. Trotzdem ist Deutschlands einziges Werk von Rohsilizium in der Krise. Produziert wird auf Sparflamme.
Mit Helm und Schutzbrille steht ein Arbeiter vor einem mehr als 2000 Grad heißen Ofen. Während die Flammen lodern, sticht er mit einer langen Stange in ein Loch im Ofen. Flüssiges Silizium läuft heraus. Es staubt, zischt und brummt. Doch für die Arbeiter ist es ungewöhnlich ruhig und auch nicht so heiß wie gewohnt. Ausschließlich Ofen "Frieder" und damit nur einer von vier Öfen ist in Betrieb. Die anderen stehen still.
Wegen der hohen Stromkosten könne es sich die RW Silicium GmbH im niederbayerischen Pocking nicht leisten, alle vier Brennmaschinen laufen zu lassen, erklärt Geschäftsführer Stefan Bauer. Er steht im Kontrollzentrum des Werks und zeigt auf den Stromzähler. Dessen Rädchen dreht und dreht sich. "Genau das ist das Problem: Es ist einfach ein energieintensiver Prozess", sagt Bauer. Strom macht die Hälfte der Herstellungskosten von Silizium aus. Im Januar und Februar ruhte der Betrieb deshalb komplett.
Blick in den Ofen "Frieder" des Werks von RW Silicium in Niederbayern.
"Frankreich unterbietet alles"
Die RW Silicium GmbH, auch Rottwerk genannt, ist nach eigenen Angaben Deutschlands einziger Hersteller von Rohsilizium. Die Firma verarbeitet Quarz aus dem Bayerischen Wald, Tschechien und Österreich. Unter Zuführung von Kohle und enorm hoher Hitze entsteht das Silizium, das vielfach verwendet wird: unter anderem bei der Produktion von Solarzellen, Mikrochips, Silikonen und Aluminiumlegierungen.
Auch wenn die Produkte gefragt sind, in denen Silizium steckt, hat das deutsche Werk ein großes Problem: Es hat keine Chance gegen die Konkurrenz in Frankreich. Dort deckelt der Staat den Strom. "Unsere Wettbewerber unterbieten alles. Deshalb sind wir in Not", sagt Bauer und liefert ein Rechenbeispiel: Vor anderthalb Jahren lagen die Stromkosten, um eine Tonne Silizium herzustellen, in Deutschland bei 600 Euro. Anfang dieses Jahres lagen sie bei 2000 Euro, im Moment bei etwa 1500. "In Frankreich zahlen Firmen etwa die Hälfte", sagt Bauer.
Auch die von der deutschen Bundesregierung eingeführte Strompreisbremse helfe da nicht. Sie macht zwar möglich, dass energieintensive Unternehmen höchstens 13 Cent pro Kilowattstunde Strom für 70 Prozent des vorherigen Verbrauchs zahlen müssen. Allerdings liegen die Marktpreise im Moment darunter. "Wer Strom aktuell am Spotmarkt kauft, zahlt zwischen elfeinhalb und zwölf Cent. Für uns ist die Strompreisbremse hinfällig", sagt Bauer.
Dieser Ofen im Werk von RW Silicium in Pocking ist gerade nicht in Betrieb - wegen der hohen Strompreise.
Branche fordert Industriepreis
Damit das Werk mit seinen 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überlebt, müsse ein Industriestrompreis in Deutschland eingeführt werden, findet Geschäftsführer Bauer. Mit dieser Forderung ist er nicht allein. Die Industriegewerkschaften sehen wegen der hohen Strompreise in Deutschland Hunderttausende Jobs in Gefahr. In der Stahl-, Chemie- und Baustoffindustrie drohten Standortschließungen, erklärten die Gewerkschaften IG Metall, IG BCE und IG BAU Anfang des Monats.
Auch erste Bundesländer dringen auf die Einführung eines günstigeren Strompreises für die Industrie. Armin Willingmann (SPD), Energieminister in Sachsen-Anhalt und Vorsitzender der Energieministerkonferenz, sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Wir brauchen einen verlässlichen, planbaren Preis für Großabnehmer."
Das Bayerische Wirtschaftsministerium sieht die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen im Freistaat gefährdet. Auf Anfrage heißt es: "Nur durch einen Industriestrompreis bekommen die noch in Deutschland ansässigen Industrieunternehmen Investitionssicherheit, es werden Arbeitsplätze und Wohlstand gesichert."
Für das Silizium-Werk arbeiten 120 Beschäftigte.
Warten auf Pläne von Minister Habeck
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte bereits angekündigt, ein Konzept für einen Industriestrompreis vorzulegen. Die Bundesregierung dürfte ein Interesse daran haben, sich nicht von Importen abhängig zu machen. Schon jetzt ist China der größte Hersteller von Silizium und dominiert den Weltmarkt.
Die Mitarbeiter in Pocking im Landkreis Passau bangen um ihre Jobs. Der Elektriker und Betriebsratsvorsitzende Gerhard Leitner sagt: "Es geht auch um Existenzen. Einige von uns haben ein Haus gebaut und Kredite aufgenommen. Ich arbeite hier seit 30 Jahren und möchte hier auch Rente gehen."
Immerhin sei seit März wieder Arbeiten mit reduzierter Stundenzahl möglich. Das lasse die Belegschaft hoffen, dass nicht nur "Frieder", sondern auch die anderen drei Öfen namens "Sepp", "Stephan" und "Detlef" bald wieder hochgefahren werden.