Chinesische Senioren tanzen in einem Park.

Sogenannte Silver Economy Wie Senioren Chinas Wirtschaft ankurbeln sollen

Stand: 29.01.2025 01:56 Uhr

Chinas Bevölkerung wird immer älter. Die Staatsführung hofft auf einen Boom der Silver Economy - Dienstleistungen und Produkte speziell für Senioren. Doch vielen fehlt es an den finanziellen Mitteln.

Sie heißt Xiao Bing und ist ein humanoider Roboter. Ihr Gesicht plastikpuppenhaft, die Bewegungen mechanisch. Sie kann ein bisschen tanzen und sprechen. "Ich habe keine emotionalen oder körperlichen Bedürfnisse", antwortet sie auf die Frage, ob sie denn auch ältere Menschen füttern könne. 

Noch ist Xiao Bing weit davon entfernt, in der Pflege eingesetzt werden zu können. Aber der Chef der Firma Qingbao Engine Robo, die in einer Fabrikhalle in einem Industriepark in Shanghai untergebracht ist, sieht großes Potenzial in der sogenannten Silver Economy.

Roboter Xiao Bing der Firma Qingbao Engine Robo

Mithilfe staatlicher Unterstützung wurde dieser Roboter entwickelt - kann Xiao Bing eines Tages bei der Pflege helfen?

Roboter sollen in zwei bis drei Jahren marktreif sein

Für die Gründung der Roboterfirma hat er staatliche Unterstützung bekommen. Nun will er zusätzlich Funktionen für die Altenpflege entwickeln. Dabei gehe es um einfache Unterhaltungen bis hin zum Animieren, Sport zu machen oder auch darum, zu Essen anzureichen.

"Wenn die Funktionen den Bedürfnissen älterer Menschen gerecht werden, können wir die Roboter schnell auf dem Markt verkaufen. Ich denke, die schnellste Zeit für den Verkauf von Robotern auf dem Markt beträgt zwei bis drei Jahre", so Wang Lei.

Die visionären Ideen von Wang Lei sind noch Zukunftsmusik. Aber die staatlichen Pläne für die Silver Economy sind es nicht, und daher rührt wohl auch zum Teil sein Optimismus. Aus Sicht der Pekinger Staats- und Parteiführung liegt in den 300 Millionen Senioren eine Chance, das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts zu steigern.

In Zeiten schwachen Konsums und einer dauerhaft niedrigen Geburtenrate sollen die Rentner dazu beitragen, die lahme Wirtschaft anzukurbeln. Denn: In nur zehn Jahren werden vermutlich schon 400 Millionen über 60 Jahre sein, dann 30 Prozent der Bevölkerung. In den Staatsmedien wird das euphorisch beschrieben.

Überschätzte Kaufkraft?

2050 werde der ganze Silver-Economy-Sektor ein Drittel der Wirtschaftskraft ausmachen, schreibt die Global Times. Erstaunlich, wie viel Kaufkraft Senioren zugetraut wird - mit einer schätzungsweise durchschnittlichen Rente von 440 Euro in den Städten, die Hälfte lebt auf dem Land und hat in der Regel weniger Geld. Aber es ist eben auch so, dass es durch das rasante Altern der Gesellschaft künftig viel zu wenige Pflegefachkräfte geben wird.

Der Staat hat Anreize für Unternehmen geschaffen, die im weiten Feld der Silver Economy aktiv werden wollen - vom Altersheim und Anti Ageing über Gesundheitsindustrie und Tourismus bis hin zur Senioren-Universität.

Lokalregierungen sind trotz ihrer derzeit vielerorts klammen Haushaltssituation aufgefordert, spezielle Anleihen für die Förderung der Industrie zu vergeben. Banken sollen Kredite an Dienstleistungsunternehmen für Senioren finanzieren. Angekündigt sind zehn große Industrieparks im ganzen Land, die sich auf Dienstleistungen für die ältere Bevölkerung konzentrieren sollen.

Der Manager eines großen Altersheims bringt es so zum Ausdruck: "Der Markt für Altenpflege in China ist erst in einem relativ frühen Stadium. Jeder möchte es ausprobieren, also investiert er. Jetzt meint man, dass es viele Altersheime gibt, aber in fünf bis zehn Jahren wird man nicht mehr denken, dass das zu viel ist", sagt Liu Fei.  

Es gibt im ganzen Land viele solcher Einrichtungen, oft auch unterstützt vom Staat. Sungin-Garden-Altersheim gehört zu einem der größten Unternehmen Chinas, Fosun.

Betreutes Wohnen in mehrstöckigen Hochhäusern

In Ningbo, einer Neun-Millionen Stadt im Süden Chinas, ragt eine dieser Seniorenresidenzen mit sieben Hochhäusern in den Himmel. Der Pflegebereich hat 200 Betten, und das betreute Wohnen ist die Massenware, Platz für 800 Menschen.

Doch dort können nur Wohlhabende hin. 800 oder 1.000 Euro im Monat können sich nur wenige leisten. Wer die 75-Quadratmeter-Wohnung für rund 150.000 Euro kauft, muss noch alle Dienstleistungen extra zahlen.

Der Manager sagt, er hoffe, bald Profit zu machen. Es seien - nach sieben Jahren - mehr als 70 Prozent belegt. Es sieht allerdings sehr viel einsamer aus auf den Gängen und in der Kantine. Schätzungen zufolge sind im ganzen Land Altersheime nur zur Hälfte ausgelastet.

Viele Menschen in China wollen nicht in Altersheime. Traditionell kümmern sich Familienmitglieder um die Pflege. Und die Freizeit verbringen viele lieber anderswo. In den Parks im Land treffen sich jeden Tag Senioren und Seniorinnen, gehen gemeinsam ihren Hobbys nach.

Meistens wirkt es sehr munter. Nein, in ein Altersheim ginge sie nicht, sagt eine 80-jährige Dame, während sie nicht aufhört, ihre tanzenden Trippelschritte zu machen. Sie habe Kinder, wohne mit denen, sie brauche das nicht. Die nächste Seniorin, mit ihrem Tai-Chi-Schwert zur Seite, meint, normale Rentner wie sie könnten sich das nicht leisten. Es ist für die meisten schlicht zu teuer, in ein Altersheim zu gehen.

Altersheim in Ningbo

In Ningbo entsteht ein riesiges Altersheim, bestehend aus mehreren Hochhäusern. Für viele Menschen sind derartige Seniorenresidenzen aber zu teuer.

Folgen der Ein-Kind-Politik

Die chinesische Gesellschaft steht vor einer großen demografischen Herausforderung. Jahrzehntelang durften Paare unter der Ein-Kind-Politik nur noch ein Kind bekommen. Eine der Folgen: Die Rechnung, dass sich die Kinder im Alter um ihre Eltern kümmern, geht nicht immer auf. Es gibt riesige Pflegelücken.

Hou Hongli bringt einem Ehepaar in einer spartanisch eingerichteten Wohnung im traditionellen Pekinger Hutong-Viertel Medikamente. Ihre Betten stehen im Wohnzimmer. Der 82-jährige Mann pflegt seine Frau, die ein Blutgerinnsel im Gehirn hatte und nun selbst nicht mehr für sich sorgen kann.

Die beiden bekommen zusammen eine Rente von 700 Euro, an ein Altersheim ist für sie nicht zu denken. Helfer Hou Hongli macht bei einem Projekt mit, das sich Zeit-Bank nennt. Für die Zeit, die der 66-Jährige einbringt, sammelt er Punkte, und die kann er später, wenn er einmal selbst hilfsbedürftig ist, eintauschen - gegen Pflege oder Essen. Das Projekt gibt es in mehreren Städten, mit mäßigem Erfolg.

Ob der humanoide Roboter Xiao Bing in der Altenpflege jemals zum Einsatz kommt, ist noch nicht absehbar. Für Helfer Hou Hongli ist es eine Frage der Mitmenschlichkeit, den älteren Nachbarn zu helfen. Er weiß nicht einmal, wie viele Punkte er bereits gesammelt hat. Das ist ihm nicht so wichtig.

Karte: NIngbo und Shanghai, China

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der Weltspiegel am 26. Januar 2025 um 18:30 Uhr.