Billigprodukte aus China Die Temu-Strategie
Seit April dieses Jahres kann hierzulande online bei Temu geshoppt werden. Hohe Rabatte sollen Kunden animieren, die günstigen Produkte aus China zu kaufen - mit Erfolg. Aber auch Kritik gibt es reichlich.
Die Online-Plattform Temu wirbt auf ihrer Website mit "erschwinglichen Qualitätsprodukten". Von Kleidung über Elektronik bis zu Möbeln: Unter dem Motto "Shoppe wie ein Milliardär" ist hier alles erhältlich - und das zu billigsten Preisen. So lassen sich kabellose Kopfhörer für vier Euro, eine bunte Blockflöte für 1,50 Euro oder ein Messerschärfer für rund drei Euro bei Temu finden. Die angebotenen Produkte sind dabei häufig No-Name-Produkte und die Ultra-Billigversion teurerer Markenware.
Zusätzlich zu den ohnehin schon preisgünstigen Produkten lockt Temu mit zeitlich begrenzten Blitzangeboten, hohen Rabatten und anderen Aktionen. Auch intensives Marketing auf Social Media tragen zum Erfolg der Shopping-Plattform bei. Auf der Webseite wirbt Temu mit seinem Influencer-Partnerprogramm. Bei YouTube und TikTok gibt es "Temu Hauls", in denen Influcencer die Produkte vorstellen und für Bestellungen Provision erhalten. Es scheint zu funktionieren: Temu zählt nach eigenen Angaben 61 Milliarden Bestellungen pro Jahr.
Gründung als Konkurrenz zu Shein
Im September 2022 ging Temu erstmals an den Start - zunächst in den USA. Der chinesische Milliardär Colin Huang hatte laut der "Financial Times" die App Temu aufgebaut, um der Shopping-Plattform Shein im westlichen Handel Konkurrenz zu machen. Mit Erfolg: Innerhalb eines halben Jahres lag Temu bei den App-Downloads im Online-Handel in den USA ganz vorne - vor Shein und Amazon.
Huang hat bereits Erfahrung im Online-Handel: Er ist der Gründer der chinesischen Shopping-Plattform Pinduoduo. Der Online-Shop ist seit 2015 in China verfügbar und dort mit seinem "Group Order"-Konzept erfolgreich geworden. Käufer können sich beispielsweise auf sozialen Medien zusammenschließen und gemeinsam auf Pinduoduo bestellen, sodass die günstigen Produkte noch billiger werden.
Seit 2018 ist Pinduoduo an der New Yorker Börse Nasdaq gelistet. Im April diesen Jahres wurde das Unternehmen in PDD Holdings umbenannt, zu dem auch Temu gehört. Dem Unternehmen gelang es, in den letzten Jahren erheblich zu wachsen. Und auch dem Gründer Huang brachten seine geschäftlichen Aktivitäten finanziellen Erfolg: In diesem Jahr steht er auf Platz 45 der "World's Billionaires List" des Wirtschaftsmagazin Forbes.
Nach dem erfolgreichen Start in den USA expandierte Temu im April diesen Jahres in den europäischen Markt. So ist Temu neben Deutschland auch in Ländern wie Italien, Spanien, Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden verfügbar - und auch in Europa läuft es gut.
Kritik an Produkten "Made in China"
Allerdings gibt es auch viel Kritik an der Strategie, mit Produkten aus China den westlichen Markt zu fluten. Daher versuchen laut "Financial Times" sowohl Temu als auch Shein, sich von China zu distanzieren, um auf dem westlichen Markt erfolgreich zu sein. So lässt Temu auf seiner Webseite verlauten, die Plattform wurde "im Jahr 2022 in Boston, Massachusetts gegründet". Shein hat im letzten Jahr seinen Unternehmenssitz von China nach Singapur verlegt.
Der Online-Textilhändler mit billiger "Ultra Fast Fashion" bietet seine Produkte schon seit Längerem erfolgreich in Europa und den USA an. Aufgrund von datenbasierter Echtzeitproduktion kann Shein die Kleidung in kurzer Zeit herstellen. Viola Wohlgemuth von Greenpeace erklärt das im Gespräch mit tagesschau.de an einem Beispiel: "Zara - das sind mit die besten im 'Fast Fashion'-Bereich - schafft es innerhalb von drei Wochen von der Idee bis zum fertigen Textil. Shein schafft das in wenigen Tagen."
Für die Produktionsweise in den chinesischen Fabriken wird Shein stark kritisiert. Eine Studie von Greenpeace vom November 2022 hat ergeben, dass 15 Prozent der getesteten Produkte gefährliche Chemikalien enthalten, deren Werte oberhalb der gesetzlich erlaubten Werte in der EU liegen. Wohlgemuth vermutet, dass die Temu-Kleidung in derselben Region produziert wird und die Schadstoff-Werte daher ähnlich sein könnten: "Das Shein-Erfolgsmodell wird durch Temu mit noch mehr Power und Macht in den Westen gebracht. Daher gehe ich davon aus, dass - um diese Preise zu halten - genauso schlecht produziert wird."
Konkurrenz zu Amazon durch "Dropshipping"
Zwar werden auch bei anderen Online-Händlern wie beispielsweise Amazon Billigprodukte "Made in China" verkauft. Die Menge der problematischen Produkte bei Amazon sei aber nicht in dem Ausmaß vorhanden wie bei Temu oder Shein, so Wohlgemuth.
Aufgrund des Erfolges von Temu liegt es nahe, dass die Shopping-Plattform Amazon zumindest kurzfristig Konkurrenz machen könnte. Doch zwischen den Geschäftsmodellen gibt es Unterschiede. Während Amazon in Deutschland nach eigenen Angaben 20 Lagerhallen unterhält, damit Produkte regional vorrätig sind und Prime-Kunden die bestellte Ware möglichst schnell erhalten, setzt Temu auf das sogenannte "Dropshipping".
Beim "Dropshipping" werden die Produkte direkt von der Fabrik zum Kunden geliefert und müssen nicht zwischengelagert werden. Der Vorteil: Die Lieferung ab Werk spart Lagerkosten ein. Für den Kunden hingegen kann das ein Nachteil sein, denn für die Lieferung aus China muss Zeit eingeplant werden.
Verbraucherzentrale mahnt zur Vorsicht
Ein weiterer Nachteil sind etwaige versteckte Kosten. Wer zu viel Ware auf einmal bestellt, muss gegebenenfalls Zoll bezahlen. Ab einem Sachwert von 150 Euro können Zollgebühren entstehen, Einfuhrsteuern hingegen schon bei geringeren Beträgen. Die Verbraucherzentrale rät daher, sich vor Bestellung bei Händlern außerhalb der EU über die Zollbestimmungen zu informieren.
Auch in Bezug auf Produktsicherheit mahnt die Verbraucherzentrale zur Vorsicht, denn womöglich entsprechen die bestellten Produkte nicht den EU-Bestimmungen. Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg erklärt, dass beispielsweise die Elektronikprodukte von Temu häufig keine CE-Kennzeichnung haben. Das CE-Siegel ist in der EU für bestimmte Produkte vorgeschrieben; ohne die Kennzeichnung dürfen diese offiziell nicht in die EU eingebracht werden. Wenn beim Zoll ein Produkt ohne das vorgeschriebene Siegel auffällt, wird es möglicherweise beschlagnahmt - und kommt nie beim Kunden an.
Datensicherheit nicht immer gewährleistet
Nicht zuletzt haben Verbraucherschützer Datenschutzbedenken. Gegenüber tagesschau.de sagt eine Sprecherin der Verbraucherzentrale Bayern: "Grundsätzlich sollte man sich bei besonders günstigen Angeboten bewusst sein, dass möglicherweise auch Profit mit der Nutzung der persönlichen Daten gemacht wird."
Besonders bei der App-Installation sei hier auf die Berechtigungen zu achten. "Doch auch, wenn die Berechtigungen angepasst werden, ist nicht auszuschließen, dass die Daten beispielsweise für Tracking verwendet werden. Gerade wenn Anbieter Server außerhalb der EU nutzen, beispielsweise in China, werden die Daten nicht mehr durch die Vorschriften aus der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) geschützt."