BDI-Chef Peter Leibinger

Neuer BDI-Chef Peter Leibinger Der Anti-Populist

Stand: 29.01.2025 16:02 Uhr

Mitten in der Wirtschaftskrise und nach Jahren sinkender Industrieproduktion tritt der Mittelständler Peter Leibinger das Amt des BDI-Präsidenten an. Er pflegt einen ungewöhnlichen Stil. 

Für Peter Leibinger ist es der erste große Auftritt als BDI-Präsident, und er beginnt ihn auffallend leise. Die Jahresauftakt-Pressekonferenz des Bundesverbands der Deutschen Industrie ist so etwas wie eine selbst gegebene Steilvorlage für das produzierende Gewerbe. Hier kann der Interessensverband nach Herzenslust Reformen von der Politik fordern oder mit ihr schimpfen - erst recht kurz vor einer Bundestagswahl.

Die ersten Fragen an Leibinger bei der Veranstaltung am Dienstag: Was sagt er zur Wirtschaftskrise, mit welchen Grundüberzeugungen tritt er sein Amt an? Leibinger lächelt, setzt kurz an und unterbricht sich sogleich selbst: "Ich sag' erstmal guten Morgen." Dann fügt er hinzu, dass er sich freue, hier zu sein und mit allen ins Gespräch zu kommen. Alles in leisem Tonfall, freundlich, zurückhaltend, lächelnd.

Mann aus dem Mittelstand

Ungewöhnlich für einen BDI-Präsidenten. Sein Vorgänger, Siegfried Russwurm, hatte die vergangenen Jahre regelmäßig dazu genutzt, der Bundesregierung mit deutlichen Worten wahlweise Versagen oder Untätigkeit vorzuwerfen. An der BDI-Einschätzung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland hat sich seitdem nichts geändert ("sehr ernst") - nur der Ton ist jetzt ein anderer.

Leibinger kommt aus dem Mittelstand. Sein Vater hatte das Maschinenbauunternehmen Trumpf aufgebaut. Vor zwanzig Jahren übernahm Leibingers Schwester die Führung, er selbst wurde die Nummer Zwei im Familienunternehmen. Später übernahm er die Leitung der Technologiesparte. Schnell bekam er den Ruf, sehr innovationsfreudig zu sein.

Lächelnde Kritik

Nun, als BDI-Präsident, will Leibinger mit der Politik in einen Dialog treten. Dabei konstatiert auch er: Die Stimmung in der Wirtschaft sei "so schlecht, wie ich sie noch nie erlebt habe". Und die tatsächliche Lage "nicht viel besser". Schlimmer noch: es gebe kaum noch Vertrauen, dass die Rahmenbedingungen - Bürokratie, Steuerbelastung, hohe Sozialabgaben - besser würden.

"Vertrauen ist der Schlüssel zu allem. Die Politik muss uns vertrauen und wir der Politik." Rahmenbedingungen müssten geschaffen werden, die "Wirtschaft möglich machen". In Anbetracht immer neuer "Regeln und Auflagen, die gängelnd wirken", habe sich das Vertrauen der Industrie in die Politik "drastisch reduziert". Das sind klare Worte, aber Leibinger trägt sie freundlich vor, im Gesicht stets den Ansatz eines Lächelns.

Doch Leibinger belässt es nicht dabei. Zu jedem Kritikpunkt folgt eine Analyse, wie es so weit kommen konnte. Und immer schwingt Verständnis mit - für die Regierung, die Stimmung in der Bevölkerung, historische Abläufe. Vom neuen BDI-Chef kommt kaum ein Vorwurf ohne Erklärung, keine Problembeschreibung ohne Herleitung.

Verständnis, Analyse, Optimismus

Beispiel: Er möge doch einmal die wirtschaftliche Lage Deutschlands von heute mit der Situation Ende der 1990er-Jahre vergleichen. Damals wurde Deutschland als "kranker Mann Europas" bezeichnet. Viele beklagten Stillstand und Lähmung. Dann kam Gerhard Schröders Agenda 2010, die entschlackte den Staat und sorgte für eine gewisse Aufbruchsstimmung.

Frage: Ist die Lage heute schlimmer als damals? Leibinger nickt, lächelt, denkt kurz nach und antwortet: "Ja und nein." Die Lage sei einerseits weniger schlimm, weil es derzeit nicht so viele Arbeitslose gebe wie damals. Heute sei die Arbeitslosigkeit deutlich geringer. "Das hat als große Schlaftablette gewirkt." Er führt weiter aus: Er glaube, politisches Handeln entstehe vor allem durch Druck. Und der fehle noch - eben weil die Arbeitslosigkeit geringer sei.

Gleichzeitig weist er mehrfach darauf hin, dass die Industrieproduktion in Deutschland seit Ende 2017 sinkt. Andere entwickelte Staaten hielten entgegen ihr hohes Niveau. Der Rest der Welt verzeichnet Wachstum. Deutschland wird also regelrecht "abgehängt".

Land voller Potenziale

Seine Lagebeschreibung lässt sich in etwa so zusammenfassen: Der Industrie geht es schlechter denn je - und viele Menschen haben das schlicht noch nicht mitbekommen. Das erklärt wiederum, warum die Bundesregierung aus seiner Sicht noch nicht entscheidend reagiert hat. Eine Kette von Schlussfolgerungen, die Welt als Kausalzusammenhang.

Leibinger aber ist kein Wissenschaftler, er beschreibt nicht nur. Natürlich wirbt er für Reformen - Steuern und Sozialabgaben runter, Vorschriften streichen. Und immer wieder betont er, dass Deutschland im Kern gute Rahmenbedingungen habe - Fachkräfte, Know-How, Infrastruktur. Bei ihm ist die Bundesrepublik auch ein Land voller Potenziale. Wirtschaft, Politik und Bevölkerung müssten eben nur einmal neu verhandeln, wie sie miteinander auskommen wollen.

Und seine Rolle als BDI-Präsident dabei? Leibinger schmunzelt, guckt kurz zu Boden, lächelt freundlich. "Also, Sie haben mich ja ä bisle kennengelernt", beginnt er. Seine unternehmerischen Erfahrungen würden ihn natürlich antreiben. Aber da ist noch mehr. Er glaube, dass Deutschland ein "kooperatives Modell" habe, dass "uns zum Erfolg geführt hat." Der BDI dürfe keine reine Lobby-Organisation sein. Er wolle "auf Augenhöhe und in gegenseitiger Wertschätzung" mit der Politik reden, "fast unabhängig von der Partei".

Kooperation statt Kettensäge

Zuvor hatte Leibinger einmal kurz seine durchgängig diplomatische Art beiseite gelegt. Als er auf Argentiniens libertären Präsidenten Javier Milei und den US-Präsidentenberater Elon Musk angesprochen wurde. Ja, auch Deutschland brauche Reformen, hatte er geantwortet. "Aber unser Weg in Deutschland ist nicht der der Kettensäge." Sondern es sei der Weg der Kooperation. Er wolle überzeugen. Und am Ende solle ein gemeinsamer Konsens stehen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk in der Sendung "Wirtschaft und Gesellschaft" am 28. Januar 2025 um 17:25 Uhr.