Erfindermesse in Nürnberg startet Von Algenkunststoff bis zum Heizungsersatz
Rollkoffer oder Inlineskates: Die Erfolgsgeschichte vieler Produkte hat auf der Nürnberger Erfindermesse iENA begonnen. Auch dieses Jahr bietet die Schau viele Innovationen.
Egal ob ausziehbare Hundeleine, Snowboard - oder eben Rollkoffer und Inlineskates. Eines haben all diese Produkte gemeinsam: Erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurden sie auf der Nürnberger Erfindermesse iENA. Nach zwei Jahren Corona-Pause findet die Schau nun erstmals wieder in gewohntem Umfang statt. 520 Erfindungen aus 26 Ländern werden präsentiert. Im Vorfeld wurden bereits die aussichtsreichsten Neuheiten vorgestellt. Zum Publikum der Erfindermesse iENA in Nürnberg gehören unter anderem Investorinnen und Investoren sowie Firmenvertreterinnen und -vertreter.
CO2-neutraler Bio-Kunststoff aus Algen
Die Erfindung der beiden Schüler Roland Grimm und Nathanael Strom aus Spaichingen in Baden-Württemberg schlägt gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Sie haben einen Bio-Kunststoff entwickelt, der nicht nur CO2-neutral ist, sondern bei der Herstellung auch ohne Erdöl auskommt. Stattdessen basiert der Bio-Kunststoff auf Algen. Die seien - auch wegen des Klimawandels - in großen Mengen verfügbar und an Stränden vieler Regionen sogar schon zum Problem geworden. Aus der in den Algen enthaltenen Alginsäure ließen sich verschiedenste Kunststoffe herstellen, erklären die beiden 17- und 18-Jährigen. Möglich sei sowohl die Produktion von Gummi als auch von harten, widerstandsfähigen Kunststoffen. Bei ihrer Erfindung werden die beiden Schüler von der Universität Stuttgart unterstützt. So soll zum Beispiel noch erforscht werden, ob und wie der algenbasierte Kunststoff biologisch abbaubar ist.
Roland Grimm (li.) Und Nathanael Strom haben einen CO2-neutralen Bio-Kunststoff aus Algen erfunden.
Feuerwehr-Leitsystem soll Leben retten
Die Erfindung zwei weiterer Schüler aus Baden-Württemberg könnte künftig helfen, Leben zu retten. Pit Reichler und Milan Steinbach aus Kressbonn am Bodensee haben ein Feuerwehr-Leitsystem entwickelt. Es soll den Einsatzkräften im Fall eines Brandes helfen, im Haus vermisste Personen trotz der Rauchentwicklung schneller zu finden. Mit der Alarmierung des Brandmelders werden in den Räumen befindliche Kameras aktiviert. Diese erkennen, ob sich Personen im Raum befinden und leiten die Information an ein auf Fluren und Wegflächen des Hauses installiertes LED-Leitsystem weiter. Die Einsatzkräfte werden dann mit Hilfe der leuchtenden Lämpchen im Brandfall direkt zu den Räumen gelotst, in denen sich Menschen befinden. Die Schüler haben ihre Erfindung nach eigenen Angaben bereits erfolgreich mit der Feuerwehr unter Realbedingungen mit einer Nebelmaschine getestet.
Pit Reichler (li.) und Milan Steinbach stellen ihr Feuerwehrleitsystem-Projekt bei der Erfindermesse in Nürnberg vor.
Heizpolster statt Heizung?
Während ein Großteil der Patentanmeldungen einen technischen Hintergrund hat und die Erfindungen Lösungen für komplexe Lösungen bieten, werden auf der Nürnberger Erfindermesse traditionell auch viele Erfindungen mit Alltagsbezug vorgestellt. Wenn in vielen Büros im Winter wegen der Energiekrise die Heizungen heruntergedreht werden, soll ein beheizbares Sitzpolster dafür sorgen, dass wir nicht frieren. Entwickelt wurde es von der Firma KTJ Kunststofftechnik GmbH aus Obernheim in Baden-Württemberg. Im Inneren des Polsters ist das Heizgewebe so integriert, dass man die knapp 40 Zentimeter mal 40 Zentimeter große Auflage trotz Technik sogar in die Waschmaschine stecken kann, sagt Geschäftsführer Jürgen Junker. Deshalb könne man es am kalten Büroarbeitsplatz auch als warme Fußunterlage benutzen. Das Heizpolster kann nicht nur über ein Netzteil betrieben werden, sondern auch über einen Akku. Damit sei es auch für Fußballfans im Stadion oder für Angler und Jäger draußen in der Natur interessant.
Jürgen Junker, Geschäftsführer KJT Kunststofftechnik GmbH, mit dem beheizbaren Sitzpolster, das Heizkosten sparen könnte.
Krisenzeiten sind Erfinderzeiten
In den vergangenen Jahren pendelte die Zahl der Patentanmeldungen in Deutschland um die 67.000. In den beiden Corona-Jahren ging sie dann spürbar zurück. 2021 wurden dann nur noch rund 58.500 Patente beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) angemeldet. Der Rückgang sei aber kein Hinweis auf schwindenden Erfindergeist, so DPMA-Pressesprecher Til Huber. Vielmehr hätten viele Unternehmen kleinere Erfindungen aus Kostengründen oft nicht als Patent angemeldet. Bei den Patentanmeldungen der "freien Erfinderschaft" abseits der Firmen ist die Zahl im Corona-Jahr 2020 sogar gestiegen. Messeveranstalter Henning Könicke sieht in Krisenzeiten sogar das "Erfinderreichtum angestachelt". Schließlich gehe es in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auch darum, "mit Ideen aus der Krise zu kommen".
Der typische Erfinder ist bayerisch und männlich
Firmen und Unternehmen nicht eingerechnet, gab es im vergangenen Jahr gut 2500 Patentanmeldungen der "freien Erfinderschaft", wie es heißt. Ein Blick in die Zahlen zeigt: Bayern hat im Ländervergleich bei den Patentanmeldungen die Nase vorn - sowohl bei den absoluten Zahlen, als auch in Relation zur Bevölkerung. In den allermeisten Fällen sind es Männer, die für ihre Erfindungen ein Patent anmelden. Der Frauenanteil beträgt lediglich 7,3 Prozent. Ein Grund sei, dass die meisten Erfindungen im Bereich Maschinenbau gemacht werden, so DPMA-Pressesprecher Huber. In den entsprechenden Ingenieursstudiengängen seien noch immer rund Dreiviertel der Absolventen männlich, und das mache sich dann auch bei den Erfindungen bemerkbar.