Kriselnder Autobauer IG Metall offen für Vier-Tage-Woche bei Volkswagen
Schon einmal hat die Einführung der Vier-Tage-Woche mit dazu beigetragen, eine Krise bei Volkswagen abzuwenden. Kann die Maßnahme erneut helfen? Die IG Metall zeigt sich offen, hält aber an ihrer Lohnforderung fest.
Angesichts der Krise bei Volkswagen hat sich IG-Metall-Chefin Christiane Benner offen für die Wiedereinführung der Vier-Tage-Woche beim Autobauer gezeigt. "Wir sollten nichts unversucht lassen, um die Beschäftigung zu erhalten", sagte sie. Entsprechend könne eine Arbeitszeitverkürzung eine der Optionen sein. Allerdings müsste sich dafür die Arbeitgeberseite öffnen, die zuletzt kürzere Arbeitszeiten abgelehnt habe.
Die Vier-Tage-Woche wäre für den Konzern nichts Neues: Bereits 1994 waren verkürzte Arbeitszeiten ohne vollen Lohnausgleich als Reaktion auf eine Absatzkrise eingeführt worden. Damals ging es um den Erhalt von 30.000 Arbeitsplätzen. Im Jahr 2006 kehrte VW zur Fünf-Tage-Woche zurück. Seit dieser Zeit gilt auch eine Beschäftigungsgarantie, die nun aufgekündigt werden soll.
IG Metall hält an Lohnforderung fest
Zugleich verteidigte IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger die Lohnforderung von sieben Prozent mehr auch für die Beschäftigen bei VW. "Die Beschäftigten sind nicht die Verursacher der Probleme, in denen das Unternehmen jetzt steckt." Die Lösung der Probleme könne nicht sein, dass der seit 20 Jahren gehegte Grundsatz, bei VW Tarifforderung und Abschluss in Gleichklang mit dem Rest der Branche zu machen, nun aufgekündigt werde.
Wann die Verhandlungen bei dem Autobauer beginnen, ist noch unklar. In Niedersachsen startet die Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie kommende Woche Donnerstag, über den VW-Haustarif soll eigentlich erst ab Mitte oder Ende Oktober verhandelt werden. Die IG Metall erklärte, sie sei offen für schnelle Gespräche. Bislang sei das Management aber noch nicht auf die Gewerkschaft zugekommen.
Sparkurs wird verschärft
Europas größter Autobauer hatte am Montag angekündigt, den Sparkurs bei der Kernmarke VW noch einmal zu verschärfen und den seit drei Jahrzehnten geltenden Vertrag zur Beschäftigungssicherung zu kündigen. Betriebsbedingte Kündigungen sind nicht mehr ausgeschlossen. Zudem drohte das Unternehmen mit Werksschließungen. Als Grund nannte Konzernchef Oliver Blume die schwierige Lage auf dem europäischen Automarkt und eine verschlechterte Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Produktionsstandorte. Der Betriebsrat kündigte entschlossenen Widerstand an und wirft dem Management schwere Fehler vor.
Weil erwartet keine Werksschließungen
Das Land Niedersachsen ist Großaktionär bei VW, Ministerpräsident Stephan Weil sitzt im Aufsichtsrat des Unternehmens. Im NDR sagte Weil, er hoffe, dass Volkswagen ohne Werksschließungen aus der aktuellen Krise findet. Das sei seine "klare Erwartung". VW sei ein "sehr großes Unternehmen in einem noch sehr viel größeren Konzern" und da gebe es "immer unterschiedliche Optionen". "Bevor ich über Werksschließungen rede, möchte ich erstmal wissen, was geht eigentlich noch und wie ist das zu bewerten", fuhr Weil fort.
Es sei "unstreitig", dass die Situation in der Automobilindustrie schwieriger geworden sei. Es würden weniger Autos verkauft und die Konkurrenz wachse, vor allem aus China. Zugleich habe VW bei einigen Schlüsselprojekten die selbst gesteckten Ziele nicht erreicht, etwa bei der Softwareentwicklung.
Letztlich müsse "jedes Unternehmen wettbewerbsfähig sein", darum gehe es, fuhr Weil fort. Daher müsse VW nun seine Hausaufgaben machen und es müsse "vertraulich in Ruhe und vernünftig geredet werden" in den nächsten Wochen. Es gehe darum, "so schnell wie möglich die Verunsicherung bei vielen Leuten, die wirklich im Kern getroffen sind", aus der Welt zu schaffen und durch Klarheit zu ersetzen.
Gesamte Branche in der Krise
Die Krise bei VW könnte nur die sprichwörtliche Spitze des Eisberges sein, befürchten Experten. Die gesamte deutsche Autoindustrie kämpft mit schwachen Absatzzahlen insbesondere bei E-Autos und blickt nach Darstellung des Ifo-Instituts voller Sorge in die Zukunft. Der Absatz von neuen Autos brach im August im Vergleich zum Vorjahresmonat ein. Das liegt vor allem an der zuletzt schwachen Nachfrage nach reinen Elektroautos, wie aus Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) hervorgeht. Aber auch bei fast allen weiteren Antriebsarten gingen die Zahlen teils deutlich zurück.
Dem KBA zufolge wurden im August rund 69 Prozent weniger Elektroautos neu zugelassen als im August des Vorjahres. Bei Autos mit Dieselmotoren lag das Minus bei 24,4 Prozent, bei Autos mit Benzinmotoren bei 7,4 Prozent. Über alle Antriebsarten hinweg liegt das Minus bei der Zahl der Neuzulassungen bei 27,8 Prozent.
Doch trotz schlechter Absatzzahlen und pessimistischer Erwartungen sieht Ifo-Autoexpertin Anita Wölfl Hoffnung. Sie würde die Branche nicht abschreiben, sagt die Wirtschaftsforscherin. "Es ist nicht die erste Krise, durch die die Automobilindustrie durch muss." Und es werde auch nicht die letzte sein. In der Vergangenheit habe die Autoindustrie sich in Krisen sehr resilient und stark bei Innovationen gezeigt, betont Wölfl.
Diese Anpassungsfähigkeit habe man beispielsweise im Umgang mit den Lieferkettenschwierigkeiten der vergangenen Jahre oder bei der Entwicklung der Patente zum Elektro-Antriebsstrang gut sehen können.