Bedingungsloses Grundeinkommen 1000 Euro für mehr Gerechtigkeit?
Ein fester Geldbetrag jeden Monat ohne Bedingung - das ist die Idee des Grundeinkommens. Ein selbstbestimmtes Leben erwarten die Befürworter, Kritiker befürchten mehr Armut. Nun soll eine Studie die konkreten Folgen untersuchen.
Sebastian Sittinger hat mit 28 Jahren geschafft, wovon viele träumen. Nach seinem Studium hat er eine eigene Genossenschaft gegründet. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass er dabei Hilfe hatte - und zwar in Form von 1000 Euro monatlich. Das Grundeinkommen bekam er sechs Monate lang vom Verein "Mein Grundeinkommen". "Ich hätte die Genossenschaft auch ohne das Geld gegründet, aber es führt natürlich dazu, dass man ohne Sorgen an die Gründung herangehen kann", sagt Sittinger.
Grundeinkommen als Verlosung
Eine Erfahrung, die auch der Verein teilt. 2014 ins Leben gerufen, hat er bereits über 990 Grundeinkommen verlost. Via Crowdfunding kommen Spenden zusammen. Wenn 12.000 Euro im Topf sind, wird das Geld als Grundeinkommen ausgezahlt. "Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass die Menschen nicht weniger arbeiten, wenn sie das Geld erhalten. Sie finden stattdessen Jobs, die besser zu ihnen passen. Das kann zu mehr Arbeitsmoral und Produktivität führen", sagt der Gründer des Vereins "Mein Grundeinkommen", Michael Bohmeyer.
Um diese bisherigen Erkenntnisse nun auf eine wissenschaftliche Ebene zu heben, läuft seit vergangenem Jahr eine großangelegte Studie. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Verein wollen über drei Jahre die Auswirkungen des Grundeinkommens auf die Gesellschaft untersuchen. Auch die Wirtschaftsuniversität Wien beteiligt sich. Susann Fiedler ist dort Wirtschafts- und Psychologie-Professorin und begleitet das Projekt. "Verschiedene Studien aus anderen Ländern zeigen, dass es auch Effekte auf die Weiterbildung und Innovationskraft hat. Wie das in Deutschland ist, wollen wir nun herausfinden", sagt die Wissenschaftlerin.
Eine Frage der Ausgestaltung und Finanzierung
Bohmeyer und Fiedler sind der Meinung, dass es durch das Grundeinkommen zu mehr Gerechtigkeit komme. Das Geld werde umverteilt, die Reichen bekämen nicht mehr, würden stattdessen das Grundeinkommen für die Ärmeren über Steuern finanzieren. Vieles müsse natürlich politisch mitgedacht werden.
Der Politikwissenschaftler und Armutsforscher Christoph Butterwegge hingegen befürchtet, das Grundeinkommen sei nicht gerecht. Er erwartet, dass zu den Folgen ein noch breiterer Niedriglohnsektor gehören würde. "Wenn jeder 1000 Euro bekommt, muss ein Unternehmer ja nur wenig an Lohn drauflegen, damit der Job für viele Menschen attraktiv wird." Außerdem würde der Sozialstaat bei Einführung des Grundeinkommens abgebaut, weil beide zusammen nicht finanzierbar wären. "Gerade besonders Schutzbedürftige wie Menschen mit Behinderung würden durch eine Sozialpolitik nach dem Gießkannenprinzip stärker als bisher benachteiligt", kritisiert Butterwegge. Außerdem moniert der Politikwissenschaftler die hohen Kosten für das Projekt - laut Butterwegge sind es zwischen mehreren Hundert Milliarden und mehr als einer Billion Euro jährlich.
Parteien mit unterschiedlichen Positionen zum Grundeinkommen
Die Parteien zumindest haben in ihren Programmen das Thema des Grundeinkommens aufgegriffen. Während CDU und SPD an den bestehenden System wenig verändern wollen, haben die Linke und die Grünen wesentliche Elemente des Grundeinkommens übernommen. Die Linke schreibt von einer sogenannten "Mindestsicherung", die ein sanktionsfreies Mindesteinkommen von 1200 Euro vorsieht. Allerdings besteht die Partei auf eine Bedürftigkeitsprüfung.
Die Grünen wiederum unterstützen Projekte zur Erforschung des Grundeinkommens. Ihr Vorschlag des Energiegeldes als bedingungslose Auszahlung an alle kommt der Idee eines Grundeinkommens nahe. Die AfD hat keine genaue Position dazu. Allzu präzise Forderung und Ideen formuliert aber keine Partei. Dazu fehlen einfach Erkenntnisse und Auswirkungen des Grundeinkommens auf die Gesellschaft.
Erste Ergebnisse im kommenden Jahr
Erste Ergebnisse der wissenschaftlichen Studie zum Grundeinkommen werden im nächsten Jahr erwartet, sozusagen zur Halbzeit des Experiments. Dann, so hoffen die Experten, kann die Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen weniger ideologisch, dafür umso sachlicher geführt werden. Denn bisher bewegen sich die Argumente - pro oder contra - immer auf einer theoretischen Ebene. Wirklich verwertbare Daten gibt es nämlich nicht.
Ganz praktisch sind die Auswirkungen dagegen bei Sebastian Sittinger. Er konnte auch durch das Grundeinkommen im Saarland bleiben, das machen, was er wollte, ohne wegzuziehen. Sicherlich hätte er das auch ohne das Geld erreicht. So aber habe er mutiger handeln können, wie er sagt - und "mehr Risiken" wagen.