Experten schlagen Alarm Bedrohen E-Rezept-Apps Apotheken vor Ort?
Aktuell profitieren stationäre Apotheken noch vom E-Rezept. Nun wird die digitale Rezeptabgabe bei den Online-Apotheken vereinfacht. Apotheken vor Ort könnten das Nachsehen haben.
Am 23. Dezember 2023 schloss die Schwanen-Apotheke im hessischen Ginsheim für immer ihre Türen. Apothekerin Marina Preuhs war es trotz großer Mühen nicht gelungen, einen Nachfolger für das Familienunternehmen zu finden, das ihr Vater vor 74 Jahren gegründet hatte.
Immer mehr Apotheken machen dicht
Das Schicksal der Schwanen-Apotheke ist kein Einzelfall: Die Zahl der Apotheken ist in den vergangenen Jahren beständig gesunken, der Abwärtstrend zeigt sich vor allem im langfristigen Vergleich deutlich. So gab es 2013 immerhin 20.662 Apotheken in Deutschland, Ende 2023 waren es nur noch 17.571 - und damit so wenige wie seit 1980 nicht mehr. Binnen zehn Jahren haben mehr als 3.000 Apotheken dichtgemacht.
Ein Ende des Abwärtstrends ist nicht in Sicht - im Gegenteil: Im ersten Quartal 2024 ist die Zahl der Apotheken in Deutschland nochmals um 142 gesunken. Ende März gab es bundesweit nur noch 17.429 Apotheken, wie aus Daten der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hervorgeht. Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, Hans-Peter Hubmann, spricht angesichts der neuen Zahlen von einem "alarmierenden Zeichen": Im laufenden Jahr könnten mehr als 500 Apotheken verloren gehen.
Holprige Einführung des E-Rezepts
Auf der Suche nach Gründen für das Apothekensterben wird immer wieder auf die schwierige Nachfolger-Suche verwiesen, aber auch auf die angespannte Finanzlage vieler Apotheken. Branchenvertreter fordern daher unter anderem Honorar-Anhebungen.
Zusätzliche Probleme verursacht nun aber die Einführung des E-Rezepts. Diese verlaufe technisch "immer noch sehr holprig", beklagte jüngst die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Gabriele Overwiening. Wiederkehrende Systemausfälle führten dazu, dass Menschen teils stundenlang nicht ihre E-Rezepte einlösen konnten.
E-Rezept einlösen - gewusst wie
Verbraucher können bislang drei Wege nutzen, um ihr E-Rezept einzulösen: die elektronische Gesundheitskarte (EGK), einen Token-Ausdruck (QR-Code) und die Gematik-App. Einige Praxen sollen sich allerdings weigern, das E-Rezept auszudrucken oder den QR-Code digital bereitzustellen - obwohl sie eigentlich dazu verpflichtet sind.
Versandapotheken sehen darin einen klaren Wettbewerbsnachteil gegenüber stationären Apotheken - haben Verbraucher bislang doch nur mit dem Ausdruck oder dem QR-Code die Möglichkeit, ihr E-Rezept online einzulösen. Redcare, Doc Morris und Co. haben dem Bundesgesundheitsministerium daher sogar mit einer Klage gedroht.
Tatsächlich hat sich die Gematik-App und damit das Einlösen des E-Rezepts über das Smartphone in der Praxis bislang nicht durchsetzen können, seltener noch kommt der Ausdruck des Token zum Einsatz. Es dominiert die Einlösung in der Apotheke vor Ort, genügt dazu doch das einfache Einlesen der EGK.
Rezept einlösen mit Smartphone und Gesundheitskarte
Künftig sollen die Versandapotheken leichteren Zugang zum E-Rezept bekommen. Möglich macht dies eine technische Lösung namens CardLink: Für diesen vierten Einlöseweg braucht es nicht mehr als ein NFC-fähiges Smartphone und eine ebenfalls NFC-fähige Versichertenkarte - die selbe Technologie, die auch beim kontaktlosen Bezahlen zum Einsatz kommt.
Hält der Patient seine EGK ans Smartphone, erhält er automatisch die Aufforderung, die letzten sechs Ziffern der Kartennummer einzugeben. Die CardLink-Lösung ermöglicht so das volldigitale Einlösen von E-Rezepten via App.
Verschafft CardLink den Online-Apotheken einen Vorteil?
Die Idee wurde vom Verband europäischer Online-Apotheken vorangetrieben - und die Versand-Apotheken sollen denn auch der große Nutznießer des Verfahrens sein. Laut einem Bericht von heise online befürchten Experten für Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen, dass CardLink die Versandapotheken gegenüber den Vor-Ort-Apotheken bevorteile.
Schließlich seien die Online-Apotheken in der Lage, eigene Apps zu entwickeln - und diese könnten womöglich so konzipiert werden, dass Patienten eine Vor-Ort-Apotheke über den Apotheken-Verzeichnisdienst gar nicht mehr auswählen können.
Redcare Pharmacy: Anleger hoffen aufs E-Rezept
Das CardLink-Verfahren könnte Branchenkennern zufolge ab Mitte Mai in der Breite eingesetzt werden. Die nächsten Wochen und Monate dürften dann zeigen, ob die Versandapotheken nennenswerte Anteile am Geschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten erobern können.
Wie gut es den Online-Apotheken schon jetzt geht, zeigt ein Blick auf die Jahreszahlen von Redcare Pharmacy (ehemals Shop Apotheke Europe). Die Versandapotheke steigerte ihren Umsatz im vergangenen Jahr um 49 Prozent auf einen Rekordwert von 1,8 Milliarden Euro. Auch die Aktienkursentwicklung spricht für sich: Im vergangenen Jahr waren die mittlerweile im MDAX notierten Papiere um rund 200 Prozent in die Höhe geschnellt - getrieben von den Hoffnungen auf gute Geschäfte mit dem E-Rezept in Deutschland.