VW-Werk in Baunatal Beschäftigte wollen um Zukunft kämpfen
Am zweitgrößten deutschen VW-Werk in Baunatal in Nordhessen stemmen sich die Beschäftigten gegen die geplanten Einschnitte. Ihr Antrieb: die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz - und um eine ganze Region
Die Stimmung in Baunatal war kämpferisch am Dienstag: Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten für die Betriebsversammlung im nordhessischen VW-Werk eigene Redebeiträge vorbereitet. Einer von ihnen ist Thorsten Donnermeier.
Er arbeitet in der Qualitätssicherung und ist seit fast 40 Jahren bei VW. Der Job beim Weltkonzern ist für ihn Familiensache. Bereits sein Vater hat hier gearbeitet. Dessen Schichtzeiten prägten seine Kindheit - wie bei vielen anderen in der Halle auch.
Wut, Enttäuschung und Kampfbereitschaft
Werksschließungen, Massenentlassungen und Lohnkürzungen sind bei Volkswagen immer noch nicht vom Tisch. Die Stimmung bei der Betriebsversammlung im Volkswagenwerk Kassel am Standort Baunatal war entsprechend aufgeheizt. Doch die Belegschaft zeigte sich trotz Wut und Enttäuschung kampfbereit.
8.000 der etwa 15.000 Beschäftigten erschienen einen Tag nach dem bundesweiten Warnstreik zur Versammlung in Halle 2. Der Betriebsrat informierte dort über die aktuelle Situation des Konzerns und des Werks in Baunatal. Mehr als sechs Stunden dauerte die Versammlung. Das Werk ist weltweit das größte Komponentenwerk von Volkswagen und zugleich der größte Arbeitgeber in Nordhessen.
Arbeiter kritisiert Aktionäre und Management
Die ganze Republik schaue auf Volkswagen, sagte Donnermeier vor der Veranstaltung. Für seine kurze Ansprache nahm er Aktionäre und das Management in den Fokus. Diese könnten mit ihren Entscheidungen "eine ganze Region in Not und Elend verwandeln."
Mit den geplanten Massenentlassungen treffe man nicht nur die Beschäftigten, so Donnermeier, sondern auch den Tankwart an der Autobahn oder eine kleine Bäckerei auf dem Dorf.
Unsicherheit für Leiharbeiter und befristet Beschäftigte
Es gehe um die Zukunft aller Beschäftigten und um die Zukunft der ganzen Region, betonte auch der Betriebsratsvorsitzende Carsten Büchling. Die Stimmung bei der Betriebsversammlung nannte er gedrückt. Am Standort drohen laut Büchling zum Jahreswechsel unklare Aussichten für die knapp 1.800 Leiharbeiter und befristeten Beschäftigten, deren Verträge endeten.
Zu der Betriebsversammlung waren auch Hessens Arbeitsministerin Heike Hofmann und Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori (beide SPD) nach Baunatal gekommen, um sich ein Bild von der brisanten Lage zu machen.
Junge Menschen fühlen sich zu wenig gehört
Brisant ist die Lage auch für Celine Yantut. Die 19-Jährige will Fachkraft für Lagerlogistik werden und ist im zweiten Lehrjahr. Sie kümmert sich um den Wareneingang und -ausgang, arbeitet am Computer und fährt mit dem Gabelstapler durch die riesigen Hallen.
Sie habe alles auf Volkswagen gesetzt, erzählt sie, deshalb macht ihr die aktuelle Situation sehr zu schaffen. Die Stimmung im Werk sei angespannt - auch unter den Azubi-Kollegen.
Die 19-Jährige fühlt sich und andere junge Menschen im Konzern zu wenig gehört. Es werde viel auf die Erwachsenen geschaut, dabei herrsche in ihrem Umfeld Angst um die Zukunft. Die Verantwortung für die Krise sieht Yantut beim Management - doch ausbaden müssten die Krise jetzt Beschäftigte, Azubis und Leiharbeiter.
Die IG Metall will das nicht hinnehmen und plant weitere Aktionen. Oliver Dietzel, erster Bevollmächtigter der IG Metall Nordhessen, betonte, man sei auf alles vorbereitet. Der Gewerkschafter kündigte weitere Warnstreiks und 24-Stunden-Streiks in der nächsten Eskalationsstufe an, sollte bei der nächsten Verhandlungsrunde am kommenden Montag keine Lösung gefunden werden. Sollten die Verhandlungen weiter scheitern, könne das zu einer Urabstimmung und unbefristeten Arbeitskämpfen führen, so Dietzel.
"Dann sind wir die nächsten, die fällig sind"
Dann wird auch VW-Arbeiter Donnermeier wieder ganz vorne mit dabei sein. Erst am Ende der Mammut-Betriebsversammlung hat er seine Rede halten können.
Besonders hart sei es für die vielen Leiharbeiter und Befristeten, so Donnermeier. Die Nachricht habe auch Stammbeschäftigte wie ihn getroffen, "denn wenn dieser Puffer weg ist, sind wir die nächsten, die fällig sind".