Brasiliens Wahlsieger Welche Hoffnungen die Wirtschaft an Lula knüpft
Lulas Sieg könnte die deutschen und europäischen Beziehungen zu dem Land stärken. Mehr Investitionen in das rohstoffreiche Land führen möglicherweise dazu, Abhängigkeiten von China zu verringern.
Brasilien ist die größte Volkswirtschaft Südamerikas und ein rohstoffreiches Land. Zugleich aber ein Land, in dem extreme Armut und extremer Reichtum dicht nebeneinander existieren. Der knappe Wahlsieg des Sozialisten und ehemaligen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva könnte noch zu Unruhen und Protesten von Anhängern des Wahlverlierers Bolsonaro führen.
"Lula übernimmt ein Land, das in einer Krise ist", sagt Simon Gerards Iglesias, Volkswirt und Lateinamerika-Kenner vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). Bolsonaro sei damit angetreten, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, "aber die Armut ist gestiegen im Land". Das habe insbesondere mit den Folgen der Corona-Pandemie zu tun.
Lulas Wohltaten müssen finanziert werden
Nach Ansicht von IW-Forscher Gerards ist Lula ein Präsident, der für mehr Ausgleich sorgen wird - seine Wohltaten für die Ärmeren unter den mehr 200 Millionen Einwohnern Brasiliens müssen aber auch finanziert werden.
Wirtschaftsforscher Gerard sieht unter einer Regierung Lula einen stärkeren protektionistischen Ansatz auf Brasiliens Wirtschaft zukommen, zugleich aber eine Öffnung hin zu neuen Handelspartnern. "Brasilien sieht die aktuelle geopolitische Lage so, dass eine Chance besteht, lateinamerikanische Staaten, die Länder des globalen Südens zu stärken. Die sind meistens sehr rohstoffreich und können den Hunger des Westens nach wichtigen Rohstoffen stillen, indem sie sich als wichtige Partner anbieten, die bislang nicht so im Zentrum des Interesses standen."
Klimaschutz als Wirtschaftsmotor
Auch dürfte der neue und alte Präsident den Klimaschutz als Wirtschaftsmotor erkennen. Während Bolsonaro den Klimawandel leugnete, hat Lula bereits im Wahlkampf versprochen, sich stärker für den Schutz des Amazonas einzusetzen. Dabei sind auch international tätige Finanzinstitute wie Blackrock, die Citigroup, Vanguard und JP Morgan Chase durch ihre Investitionen in umweltschädliche Unternehmen "mitschuld an der Zerstörung" des Regenwalds in Brasilien, wie der jüngste Bericht der US-Umweltschutzorganisation "Amazon Watch" nahelegt.
Doch glaubt Martin Lück, Volkswirt und Kapitalmarktstratege beim Vermögensverwalter Blackrock, dass ein Umdenken stattfindet - wenn auch langsam, bei Investoren und vielleicht auch durch die künftige Politik Lulas. "Brasilien verfügt über die grüne Lunge der Welt, über den Amazonas und damit über eine extrem wichtige Anlage für die gesamte Welt, weil es die Sauerstoff-Regeneration der gesamten Welt massiv beeinflusst." Zudem sei Brasilien über seinen Reichtum an seltenen Erden und auch an anderen Rohstoffen, die für die gründe Transformation benötigt werden, ein interessanter Partner, so Martin Lück von Blackrock gegenüber tagesschau.de.
Lula wird neue Partner suchen - Europa steht bereit
Allerdings war das Engagement Europas nach Ansicht der Experten bislang eher schwach in Brasilien. Nach einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft hat hingegen China seit 2010 seinen Einfluss in der Region durch Direktinvestitionen strategisch ausgebaut. Für Europa sei es aber noch nicht zu spät, sich stärker in Brasilien zu engagieren, glaubt Mauro Toldo, Leiter der Abteilung Emerging Markets und Risiko-Analyse bei der DekaBank. "Ich glaube schon, dass Lula eine Chance bringen wird. Lula wird versuchen, diese Abhängigkeit von China zu reduzieren."
Ohnehin bringe das Abschwächen der chinesischen Wirtschaft auch Druck für diese Länder, nach Alternativen zu suchen, so die Einschätzung von DekaBank-Analyst Toldo. "Lula wird sicherlich neue Partner suchen und Europa wird bereitstehen."
Darauf deuten auch die überschwänglichen Gratulationen zahlreicher europäischer Staatschefs und Regierungsmitglieder zum Wahlsieg Lulas hin, darunter die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der von einem neuen Band der Freundschaft spricht.