Containerschiffe im Hafen von Elizabeth, Newark, New Jersey, USA.
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US-Außenhandel 2024 Wie und mit wem die USA Geschäfte machen

Stand: 10.02.2025 10:17 Uhr

"Unfair" findet US-Präsident Trump das Außenhandelsdefizit seines Landes - und gibt anderen Staaten die Schuld daran, unter anderem Export-Dauerweltmeister Deutschland. Zu Recht?

Eine Analyse von Ingo Nathusius, HR

Die Leistungsbilanz der USA ist tiefrot. Nach Daten von US-amerikanischen Statistikbehörden haben die USA 2024 für umgerechnet knapp 1.000 Milliarden Euro (eine Billion Euro) mehr Waren und Dienstleistungen eingeführt als ausgeführt.

Daten zu einzelnen Wirtschaftspartnern liegen für das Gesamtjahr noch nicht vor. Es gibt aber Zahlen für die ersten drei Quartale des Jahres 2024. In diesen neun Monaten ist die US-amerikanische Leistungsbilanz gegenüber der Europäischen Union mit knapp 130 Milliarden Euro negativ, davon entfallen 75 Milliarden Euro allein auf Deutschland.

Zölle gegen Europa

Diese Daten sind für die US-amerikanische Volkswirtschaft unerfreulich. Sie befeuern Pläne des neuen Präsidenten, sein Land vor vermeintlich unfairen Auslandsgeschäften zu schützen.

Hohe Zölle sollen ausländische Waren und Dienste in den USA teuer machen. Ziel ist, die Geschäfte für US-amerikanische Anbieter in Amerika zu erleichtern. US-amerikanisches Geld soll US-amerikanischen Unternehmen zugutekommen, die Arbeitsplätze für Amerikaner schaffen.

Prinzipien des Außenhandels

Wer im Ausland einkauft, muss Geld zahlen und bekommt dafür einen entsprechenden Wert geliefert. Umgekehrt genauso. Kein Mensch würde etwas kaufen, wenn er oder sie sich nicht einen Vorteil verspräche. Niemand verkauft etwas, um hinterher schlechter dazustehen als zuvor.

Für Privatleute und Unternehmen gilt: Man kann nicht immerzu einkaufen, sondern muss das Geld auch verdienen. Für Länder heißt das: Wer reichlich importiert, muss auch reichlich Geld reinholen. Wenn die USA Porsches und Lackierstraßen in Deutschland kaufen, müssen sie anderweitig für Geldzufluss sorgen - etwa, indem sie für Investitionen aus aller Welt interessant sind.

Deutschland und die USA

Um den transatlantischen Zolldiskussionen eine vernünftige Basis zu geben, hat die Bundesbank Ende Januar ein Zahlenwerk mit dem harmlosen Titel "Länderportrait: Vereinigte Staaten" veröffentlicht, das fortlaufend ergänzt wird.

Die deutsche Leistungsbilanz gegenüber den USA ist tiefschwarz. Deutschland hat 2023 nach Bundesbank-Zahlen von den USA 105 Milliarden Euro mehr kassiert, als es dorthin schickte. Das ist wesentlich der deutschen Industrie zu verdanken, die jede Menge begehrter Güte herstellt und nach Amerika verkauft. Dazu kommen satte Gewinne aus Geldanlagen von Deutschen in Amerika.

US-amerikanische Techriesen

Während der Beitrag der Industrie für Deutschland entscheidend ist, sind für Amerika ihre Technologieriesen Trumpf. Betrachtet man allein das US-amerikanisch-deutsche Verhältnis, wirken die Zahlen harmlos: Die deutsche Leistungsbilanz weist sogar ein kleines Plus von sieben Milliarden Euro zugunsten Deutschlands aus.

Wo stecken die Gewinne von Microsoft, Amazon und Meta? Die europäische Statistikbehörde "Eurostat" bringt Klarheit. Die EU hatte 2023 gegenüber den USA ein Defizit bei (Computer-)Dienstleistungen von knapp 110 Milliarden Euro. Es ist in Irland gebucht, wo die Big-Tech-Konzerne ihre europäischen Hauptquartiere betreiben.

US-amerikanische Investmentbanken

Auch die hochentwickelte US-amerikanische Bankenbranche sorgt für Zufluss nach Amerika und Abfluss aus Deutschland und Europa. Der Verband der Auslandsbanken nennt für den deutschen Investmentbanking-Markt Zahlen von 2022: Allein die vier größten US-amerikanischen Investmentbanken kassierten in Deutschland 536 Milliarden Euro Gebühren.

Nun sind eingenommene Gebühren nicht gleich Gewinne. Doch haben US-amerikanische Investmentbanken gerade im vergangenen Jahr Bombengeschäfte gemacht. Die Jahresabschlüsse liegen noch nicht vor, aber Einzelzahlen der vier Quartale. Sie können mit früheren Angaben über die regionale Verteilung des Geschäfts zusammengeführt werden.

Zehn Milliarden Euro Gewinn

Für die Bank of America, Goldman Sachs, JP Morgan und Morgan Stanley lässt sich der Gewinn aus Investmentbanking im vergangenen Jahr aus der Region "Europa, Afrika und Naher Osten" mit zehn Milliarden Euro kalkulieren. Afrika ist zu vernachlässigen. Die reichen arabischen Ölstaaten spielen im Investmentbanking eine Rolle; das Geschäft in Europa ist aber weit bedeutender.

US-amerikanische Banken kommen also nicht an den deutschen Maschinenbau oder an US-Computerriesen heran. Sie schaufeln aber doch reichlich Geld über den Atlantik, das nicht mehr oder weniger fair erwirtschaftet wurde als anderes Geld.

Unklare Datenlage

Wer tiefer in die Zahlengebirge von Statistikämtern und Zentralbanken einsteigt, bemerkt: Die Daten unterscheiden sich nicht ideologisch, sondern methodisch. Wenn europäische Methoden angewandt werden, ist die Leistungsbilanz mit den USA noch viel schiefer, als wenn mit US-amerikanischen Daten gearbeitet wird.

Wie kommt das? In Amerika und Europa arbeiten hochprofessionelle Fachleute mit großer Sorgfalt. Sie tauschen sich auf internationalen Konferenzen und durch Fachzeitschriften ständig aus. Trotzdem sind ihre Ergebnisse oft verschieden.

Vieles ist mit verschiedenen Zuordnungen zu erklären. Da es immer um viele Tausend Milliarden geht, ist es nicht verwunderlich, dass bei kleinen Unterschieden der Methode unterm Strich mal ein europäisches Leistungsbilanzplus von Soundsoviel Milliarden Euro rauskommen kann und mal eines, dass durchaus auch doppelt so groß sein kann. "Wenn es irgendwo einfach abzulesen wäre, bräuchte man uns ja nicht", kommentiert ein erfahrener Statistiker.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 08. Februar 2025 um 13:40 Uhr.