Diskussion über Zusammenarbeit Profitiert China vom Wissen deutscher Unis?
Nicht nur durch Hackerangriffe gelangt China an wertvolles Wissen. Peking setze auch auf die akademische Freiheit an deutschen Unis, um sein Militär auszubauen, warnen Experten. Auch Grundlagenforschung sei nützlich.
Ein ausländischer Wissenschaftler, der an einer deutschen Universität jahrelang im Bereich der Quantenphysik forscht, inzwischen zurück in seinem Heimatland ist und nun dort arbeitet - zugleich ist er als Honorarprofessor weiter an der deutschen Uni tätig. Eigentlich ist das nichts Außergewöhnliches - es sei denn, dieser Forscher ist Chinese und seine Arbeit hilft mutmaßlich dem chinesischen Militär.
Die entsprechende Recherche von Correctiv und der Deutschen Welle sorgte Anfang der Woche an der Uni Heidelberg für Aufsehen. Sie zeigt, in welchem Dilemma die deutsche Hochschulszene steckt, wenn es um den Umgang mit China geht.
"Demokratien tragen Verantwortung"
"Über das Thema muss mehr gesprochen werden, auch wenn es unbequem ist", sagt Jeffrey Stoff, der sich in Washington als Leiter des Center for Research Security & Integrity mit deutsch-chinesischer Forschungszusammenarbeit befasst.
Akademische Freiheit bedeute nicht, dass man frei von Verantwortung handeln könne, betont Stoff. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in demokratischen Staaten trügen eine Verantwortung dafür, dass ihre Forschungsergebnisse nicht für Dinge missbraucht würden, die unseren Werten widersprechen.
Zivile Forschung für militärische Anwendungen?
Die Universität Heidelberg betont, dass sie an der Honorarprofessur des chinesischen Quantenphysikers festhalten will. Seine Forschungen in direkten Bezug zu militärischer Anwendung in China zu stellen, sei eine "unzulässige Gedanken-Konstruktion", teilte die Verwaltung der Hochschule mit - es handele sich um Grundlagenforschung.
Sophia Stahl vom Rechercheverbund Correctiv weist dieses Argument zurück. Quantenforschung spiele im chinesischen Wissenschaftsbetrieb eine extrem wichtige Rolle, was man schon daran erkenne, dass dieser Forschungsbereich explizit im Fünfjahresplan der kommunistischen Staatsführung erwähnt werde.
Ganz grundsätzlich habe Chinas Staatsführung das Ziel, Errungenschaften der zivilen Grundlagenforschung in militärische Anwendungen zu verwandeln, sagt Stahl: "Die chinesische Position zum Thema Grundlagenforschung ist also eindeutig."
Hörgeräte-Forschung für Kriegsführung mit U-Booten
Stoff, der Leiter des Center for Research Security & Integrity, fordert, bei der Zusammenarbeit mit der Volksrepublik China genauer hinzuschauen. Er hat eine Studie veröffentlicht zur Wissenschaftszusammenarbeit zwischen China und Deutschland. Darin wirft er deutschen Hochschulen vor, zu naiv in der Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten in China zu sein - und im Umgang mit von dort entsandten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
"Selbst unverdächtige Forschungsfelder wie Umwelt- oder Medizintechnik können problematisch sein", erklärt der US-Amerikaner. Das sei vor allem dann der Fall, wenn man mit einer chinesischen Hochschule zusammenarbeite, die Schwerpunkte im Bereich Rüstung und Verteidigung habe: "In der Vergangenheit wurden Erkenntnisse aus der medizinischen Hörgeräteforschung in Deutschland und den USA in China weiterverwendet - in der Forschung für Kriegsführung mit U-Booten."
Die Forschungslandschaft in China sei nicht mit der in demokratisch regierten Staaten zu vergleichen, warnt Stoff. Es sei die Strategie der chinesischen Staats- und Parteiführung, Wissenschaft so zu nutzen, dass sie immer auch den Zielen der Kommunistischen Partei diene.
Gewachsenes Bewusstsein an deutschen Unis
Das Bewusstsein für das Thema ist an deutschen Universitäten zuletzt gewachsen. So erklärt die Freie Universität Berlin auf Anfrage der ARD: Während noch vor zehn Jahren vor allem die Chancen der Forschungskooperation betont worden seien, rückten nun die Risiken in den Vordergrund.
Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung betont, man tue alles, um zu verhindern, dass deutsche Forschung Chinas Militärapparat stärke. Angesichts der im Grundgesetz verankerten Freiheit von Wissenschaft und Lehre seien Wissenschaftsorganisationen und Hochschulen aber selbst dafür verantwortlich, ihre Kooperationspartner zu überprüfen.
Forderung nach Zentralregister für Unis in China
Studienautor Stoff hält das unrealistisch. Für einzelne Unis sei es fast unmöglich, die intransparenten Organigramme und Verästelungen in der chinesischen Hochschullandschaft im Detail nachzuvollziehen. Er fordert deswegen eine Art öffentliches Zentralregister für chinesische Hochschulen und Institute.
Der Wissenschaftler schlägt vor, zivilgesellschaftliche Organisationen oder internationale Think Tanks damit zu beauftragen, eine Wissensbasis zu schaffen, die dabei hilft, kritische Forschungsinstitute in China zu identifizieren. "Einzelne Stellen oder Staaten schaffen das nicht allein", betont Stoff.
Nur ein Thinktank mit Fokus auf China-Beziehungen
Bisher gibt es mit dem Australian Strategic Policy Institute (ASPI) weltweit nur einen Thinktank, der sich intensiv mit den militärischen Verbindungen chinesischer Forschungsinstitute und Universitäten auseinandersetzt und der eine Liste mit entsprechenden Einschätzungen veröffentlicht.
Die Technische Universität Berlin erklärt, man unterstütze Bemühungen zu mehr Information und für eine differenziertere Betrachtung jenseits der Liste des australischen Thinktanks ASPI.