Mikroplastik Mehr Plastik in Böden als im Meer
Bei Mikroplastik denken viele zunächst ans Meer. Doch unser Erdreich ist nach Schätzungen noch stärker belastet, sagt Expertin Biegel-Engler im Interview. Sie erklärt, wo das Plastik herkommt - und was dagegen zu tun ist.
tagesschau.de: Frau Biegel-Engler, weiß die Forschung überhaupt, wie viel Plastik in den Böden ist?
Annegret Biegel-Engler: Wir haben Hinweise, dass die Konzentrationen von Plastik und Kunststoffen in den Böden vielleicht sogar noch höher sind als die Mengen, die wir in den Meeren schon festgestellt haben. Wir haben verschiedene Methoden, mit denen man Mikroplastik im Boden analysieren kann. Zum einen kann man den Boden sieben und dann unter dem Mikroskop die kleinen Partikel aufzählen. Und es gibt auch Methoden, die sozusagen die Masse an Kunststoffen in Böden messen können.
Die Ergebnisse der beiden Methoden sind aber nicht richtig miteinander vergleichbar. Deswegen ist es im Moment noch ein bisschen schwierig darzustellen, wie groß eigentlich der Gehalt an Mikroplastik in den Böden insgesamt ist. Wir konzentrieren uns deshalb auf Hotspots, also solche Gegenden, wo man Plastik vermuten würde.
tagesschau.de: Wo wären denn solche Hotspots?
Biegel-Engler: Am eindrucksvollsten ist es in der Landwirtschaft. Da werden zum Beispiel Folien eingesetzt, direkt um landwirtschaftliche Produktion zu betreiben. Und die können sich im Laufe der Zeit zersetzen und dann kann es dazu führen, dass sich kleinere Partikel in den Böden anreichern, die man schwer dort wieder entfernen kann.
Und auch in Kompost befindet sich mitunter Plastik. Denn wenn wir als Konsumenten unseren Biomüll in einer Plastiktüte in die Biotonne werfen, dann kommt das im Kompost so an und dort können wir diese Tüten oder diese Plastik Bestandteile sehr schwer nur entfernen.
tagesschau.de: Was passiert denn mit dem Plastik, wenn es einmal im Boden ist? Zersetzt es sich? Und wie lange bleibt es da?
Biegel-Engler: Kunststoffe verbleiben für viele Jahre in der Umwelt, wenn sie einmal da sind. Aber durch die Einflüsse, durch UV-Strahlung oder auch Temperaturen werden diese Plastikpartikel zersetzt oder die Folie zersetzt in kleinere Partikel. Wir sprechen dann von Mikroplastik. Und die kleinsten Partikel sind dann Nanoplastik. Die sind schwer nachzuweisen. Im Moment haben wir noch kaum eine Methode, die Nanoplastik tatsächlich in den Böden nachweisen kann. Aber man kann davon ausgehen, dass diese Partikel sehr lange in den Böden verbleiben.
tagesschau.de: Welche Folgen kann das für uns Menschen haben - landet das Plastik dann eventuell irgendwann in unserer Nahrungskette?
Biegel-Engler: Kleinste Partikelpartikel können in Pflanzen aufgenommen werden. Das wurde schon gezeigt und die können dann auch sicherlich in die Nahrungskette übergehen. Aber wie groß der Anteil jetzt wirklich ist, das kann man nicht sagen. Und ob das für den Menschen gefährlich ist, da gibt es noch nicht so viele Antworten, da steht die Forschung einfach noch am Anfang. Plastikteilchen können in Organismen aufgenommen werden, aber man geht auch davon aus, dass ein Großteil davon wieder ausgeschieden wird.
tagesschau.de: Auf einer Konferenz des Umweltbundesamts haben Sie und andere Wissenschaftler Handlungsbedarf angemahnt. Was muss Ihrer Meinung nach passieren?
Biegel-Engler: Wir müssen jetzt reagieren. Wir müssen dafür sorgen, dass die Gehalte an Kunststoffen in Böden nicht weiter zunehmen. Wir müssen versuchen, die Einträge zu reduzieren auf den verschiedensten Ebenen, die möglich sind. Also das ist zum einen die Einträge durch Kompost oder Klärschlamm in die Böden. Das ist zum anderen aber auch Pflanzenschutzmittel oder Samen, die teilweise mit Kunststoffen beschichtet werden.
Das hat alles seinen Sinn und das hat alles auch seine Berechtigung. Aber wenn wir jetzt dazu übergehen, dass wir schauen müssen, wie wir die Eintrag Pfade vermindern, dann müssen wir uns einfach auch diese Quellen anschauen und schauen, ob bio-abbaubare Möglichkeiten bestehen oder abbaubare Materialien andere Polymere ersetzen können. Das große Ziel unserer Veranstaltung war, dass wir Handlungsbedarf definieren, den wir dann an die Politik, und hier vor allen an die EU Kommission weitergeben können. Denn da steht der Bodenschutz gerade an in einem sehr großen Fokus.
Das Gespräch führte Anja Martini, tagesschau