Abwassermonitoring & Co. Gut gewappnet für die nächste Pandemie?
Massentierhaltung, Reisen, globaler Handel und auch der Klimawandel begünstigen die Verbreitung von Krankheitserregern. Wie gut wäre Deutschland auf eine nächste Pandemie vorbereitet?
Anfang Januar starb in den USA erstmals ein Mensch nach einer Infektion mit dem Vogelgrippe-Virus H5N1. Zuerst in Ruanda und seit einigen Wochen in Tansania vermuten Forschende einen Ausbruch des Marburg-Virus, das oft durch Flughunde übertragen wird. Mit den steigenden Temperaturen breiten sich auch Mückenarten, die Viren übertragen, immer weiter aus.
Aufs Jahr gerechnet liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Pandemie-Szenario in Zukunft wiederholen könnte, bei etwa zwei Prozent. Das zeigte eine Studie der Universität Padua 2021.
"Dabei sind vor allem Atemwegserkrankungen häufige Player, das heißt also vor allem Coronaviren, Influenzaviren", sagt der Infektiologe Christoph Spinner vom TUM Klinikum Rechts der Isar in München.
Wissen, Daten und Vorsorge können vor nächster Pandemie schützen
Ein möglichst breites Wissen über verschiedene Viren und ihre Übertragungswege kann helfen, die nächsten Krankheitserreger, die den Menschen gefährlich werden könnten, frühzeitig zu identifizieren.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat in Berlin mit Unterstützung der Bundesregierung den "Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence" ins Leben gerufen. Hier sollen weltweit gesammelte Daten zu unterschiedlichen Erregern mit Erkenntnissen zu den erfolgversprechendsten Gegenmaßnahmen zusammenkommen. Forschenden soll das in Zukunft einen besseren Überblick über die komplexen Verläufe von Pandemien ermöglichen, damit sie präzisere Empfehlungen an die politisch Verantwortlichen geben können.
In Deutschland hat man aufgrund der teils unzureichenden Datenlage während der Corona-Pandemie gesetzlich nachgebessert. Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG), das im März 2024 in Kraft trat, sollen Gesundheitsdaten für die Forschung nutzbar gemacht werden.
Wichtige Vorsorgemaßnahmen sind außerdem Pandemiepläne, die ausreichende Ausstattung von medizinischen Einrichtungen mit Schutzkleidung und die Entwicklung neuer Impfstoffe, die nicht mehr nur gegen einzelne Viren, sondern gegen Virusarten schützen könnten.
Frühwarnsystem Abwassermonitoring
Um schneller auf gefährliche Erreger und Krankheitsausbrüche reagieren zu können, sind bessere Frühwarnsysteme als bei der Corona-Pandemie vor fünf Jahren nötig. Ein Beispiel: das sogenannte Abwassermonitoring. Dabei werden Proben aus dem Abwasser auf genetisches Virenmaterial untersucht - man erkennt, wie verbreitet ein Virus in der Bevölkerung bereits ist. Mit dem Monitoring wurden vor einigen Wochen im Abwasser mehrerer deutscher Großstädte Polio-Viren nachgewiesen.
Es lassen sich mittlerweile zahlreiche Krankheitserreger feststellen, ohne dass Menschen einzeln getestet werden müssen. Durch das Abwassermonitoring werden Ärzte und Gesundheitsbehörden sensibilisiert, sie können auf Symptome achten, Krankheitsfälle schneller melden, Schutzmaßnahmen können früher getroffen werden.
Derzeit wird das Abwasser von rund einem Drittel der Bevölkerung in Deutschland auf Krankheitserreger untersucht. Laut einer europäischen Richtlinie ist das Monitoring auf SARS-, Influenza- und Polio-Viren sowie neu auftretende Krankheitserreger ab 2027 für alle EU-Staaten verpflichtend. In Deutschland ist die Finanzierung bisher aber nur bis Ende 2025 gesichert. Mehrere Bundesländer wollen deshalb die Anzahl der teilnehmenden Kläranlagen verringern.
Forschende in den USA arbeiten an Monitoring-Programmen, die sämtliche Viren auf der ganzen Welt erfassen und Künstliche Intelligenzen darauf trainieren, mögliche pandemische Ausbrüche schneller zu erkennen, als Menschen es könnten.
Beeinträchtigungen einer weltweit guten Pandemievorsorge
Die von der WHO und der Weltbank unterstützte unabhängige Expertengruppe für Pandemieprävention GPMB (Global Preparedness Monitoring Board) kommt dennoch zu dem Schluss, dass die Welt auch 2025 nicht auf die Bekämpfung einer neuen pandemischen Bedrohung vorbereitet ist. Es gebe bei ärmeren und reicheren Ländern nach wie vor Ungleichheiten, etwa beim Zugang zu Impfstoffen, Therapien und Schutzausrüstung.
Außerdem gibt es noch immer kein WHO-Pandemieabkommen. Ziel des Abkommens, das bereits 2021 auf den Weg gebracht wurde, soll sein, besser auf weltweite Krankheitsausbrüche vorbereitet zu sein. Rund 190 Mitgliedsstaaten der WHO verhandeln darüber. Einzelinteressen von Staaten und die Befürchtung, im Fall einer Pandemie die staatliche Souveränität zu verlieren, haben bisher eine Einigung verhindert.
Pandemievorsorge ist besser geworden
Ob wir bei einer nächsten Pandemie besser vorbereitet sind oder nicht, ist also von vielen Faktoren abhängig, die sich nur schwer vorhersagen lassen. Trotz allem besteht Grund zum Optimismus. Krankheitserreger lassen sich besser feststellen und damit Vorsorgemaßnahmen schneller ergreifen. Schutzmaßnahmen und ihre Wirkung, wie das Tragen von Masken bei Atemwegserkrankungen, sind besser erforscht.
Andreas Wieser vom Tropeninstitut der Ludwig-Maximilians-Universität München wirbt darüber hinaus für eine informierte Gesellschaft: "Man muss investieren in die Strukturen, die man hat, damit man reagieren kann. Und man muss sich bilden, man muss wissen, mit was man es zu tun hat. Ich denke, es ist gut, wenn jeder das tut - nicht nur Wissenschaftler."