Herz-Reha Nützlich, aber zu selten genutzt
Ob nach Herzinfarkt, Herzklappen-OP oder bei einer Herzschwäche: Eine Reha kann zu mehr Belastbarkeit im Alltag beitragen und sogar die Sterblichkeit der Betroffenen reduzieren. Trotzdem wird sie selten genutzt.
Nur jede zehnte Person, die wegen einer Herzerkrankung im Krankenhaus behandelt wurde, nutzt im Anschluss eine kardiologische Rehabilitation. Das zeigen die Zahlen des Deutschen Herzberichts 2022, der von der Deutschen Herzstiftung herausgegeben wird.
Und das, obwohl jedem rehafähigen Betroffenen nach einem akuten kardialen Ereignis mit Krankenhausaufenthalt in Deutschland eine kardiologische Reha zusteht und die gesundheitlichen Vorteile längst umfangreich nachgewiesen sind.
Wenig genutzt auch von Menschen mit Herzschwäche
"Bedauerlicherweise wird die Chance der Rehabilitation insgesamt von viel zu wenigen Herzkranken genutzt", sagt Bernhard Schwaab, Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung und Chefarzt der Curschmann Klinik am Timmendorfer Strand, einem Rehabilitationszentrum für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Besonders dramatisch zeigt sich das bei der dekompensierten Herzinsuffizienz, einer Erkrankung, bei der das Herz der Betroffenen es nicht mehr schafft, ausreichend Blut durch den Körper zu pumpen. Die Erkrankung ist in Deutschland der häufigste Grund für eine Krankenhauseinweisung.
438.589 Menschen mussten laut Deutschem Herzbericht deshalb 2021 hierzulande vollstationär behandelt werden. Doch nur 6.680 der Patienten mit Herzinsuffizienz und Kardiomyopathie nahmen im Anschluss an die Akutbehandlung an einer Rehabilitation teil, ermittelte die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen (DGPR) in ihrer letzten Klinik-Umfrage. Hier zeigt sich die Diskrepanz zwischen Akutbehandlung und anschließend durchgeführter Rehabilitation besonders deutlich.
Weitaus häufiger genutzt wird die kardiologische Rehabilitation hingegen von Patientinnen und Patienten mit einem sogenannten akuten Koronarsyndrom, das heißt nach einem Herzinfarkt oder einer Gefäßverkalkung der Herzkranzgefäße mit Herzinfarkt-typischer Symptomatik und auch nach Bypass- und Herzklappenoperationen. Doch im Vergleich zu anderen medizinischen Fachdisziplinen nutzen Herzkranke insgesamt die Möglichkeit einer Rehabilitation eher wenig. Frauen und ältere Menschen nutzen sie besonders selten.
Mögliche Gründe: Unwissenheit und Fehleinschätzung
Die Gründe dafür, das Angebot nicht zu nutzen, sind vielfältig. Viele wüssten schlicht nicht von ihrem gesetzlichen Anspruch und den gesundheitlichen Vorteilen, die eine solche kardiologische Rehabilitation bringt, sagt Schwaab. Das gelte sowohl für die Betroffenen selbst, aber zum Teil auch für die behandelnden Ärzte, insbesondere dann, wenn es um eine Herzinsuffizienz gehe.
Ein weiterer entscheidender Punkt: "Oft schätzen die Betroffenen ihre Herz-Erkrankung auch falsch ein", sagt der Kardiologe. Nur weil zum Beispiel eine akute Durchblutungsstörung des Herzens im Krankenhaus mit einer Stent-Einlage behoben worden sei, sei man noch lange nicht wieder gesund. "Die zugrundeliegenden Ursachen der Erkrankung wie beispielsweise ein schlecht eingestellter Blutzucker, schlechte Blutfett- und Blutdruckwerte oder ein Nikotinabusus bestehen ja möglicherweise weiter", erklärt er. Zu glauben, mit der akuten Therapie sei man immer geheilt, sei aus seiner Sicht "eine große Fehleinschätzung".
Aber auch psychosoziale Gründe - wie Angst um den Arbeitsplatz, die Pflege von Angehörigen oder die Betreuung von Kindern - können Betroffene abhalten, an eine Reha zu denken.
Höhere Lebenserwartung nach Herz-Rehas
Die Wirksamkeit von kardiologischen Rehabilitationen ist gut belegt. So kann eine Herz-Reha nach akutem Koronarsyndrom und Bypass-Operationen die Sterblichkeit signifikant reduzieren, zeigen unter anderem die 2016 und 2020 veröffentlichten Meta-Analysen "The Cardiac Rehabilitation Outcome Study (CROS)" und "CROS-II". Bei Patientinnen und Patienten mit einer Herzinsuffizienz kann eine Herz-Reha vor allem zu mehr Lebensqualität und Belastbarkeit im Alltag beitragen, zeigt eine weitere Meta-Analyse.
Außerdem könne die Reha bei ihnen auch dazu beitragen, dass es seltener zum sogenannten Drehtür-Effekt kommt, sagt Schwaab. Der Drehtür-Effekt ist, wenn Patienten mit einer Herzinsuffizienz immer wieder ins Krankenhaus eingewiesen werden müssen, weil ihre Erkrankung sich akut verschlechtert und entgleist. Kaum sind sie durch die Tür aus dem Krankenhaus hinaus, schon müssen sie kurze Zeit später wieder eingeliefert werden - ein bekanntes Phänomen, dem sich mit einer kardiologischen Rehabilitation entgegenwirken lasse.
Besondere interdisziplinäre Rehabilitation
"Der große Schatz der Herz-Reha ist, dass sie so interdisziplinär ist", sagt Melanie Hümmelgen, ärztliche Direktorin und Chefärztin der Kardiologie der Rehaeinrichtung Mühlenbergklinik Holsteinische Schweiz. Die Basis der kardiologischen Rehabilitation sei das "individuell angepasste körperliche Training", heißt es in der entsprechenden S3-Leitlinie der deutschsprachigen Fachgesellschaften.
So sollen vor allem Kondition und Kraft der Herzkranken aufgebaut werden. Hinzu kommt eine ganze Reihe an therapeutischen und unterstützenden Maßnahmen, wie zum Beispiel spezielle Ernährungsberatungen, Medikamentenschulungen, psychologische Betreuung, Entspannungstraining, Ergotherapie und sozialdienstliche Beratung. "Die verschiedensten Gewerke arbeiten hier unter kardiologischer Leitung mit den Patientinnen und Patienten gemeinsam daran, dass es ihnen möglichst nachhaltig besser geht und sie lernen, mit ihrer Erkrankung umzugehen. Das bringt ihnen einen echten Überlebensvorteil", sagt Hümmelgen.
Genehmigung auch für chronische Erkrankungen möglich
Am leichtesten gelingt die Beantragung einer kardiologischen Rehabilitation noch im Krankenhaus mit Hilfe des dortigen Sozialdienstes, als Anschlussrehabilitation (AR, auch Anschlussheilbehandlung (AHB)). In Form eines sogenannten Heil- oder Antragsverfahrens (HV, AV) können Erkrankte aber auch von Zuhause aus eine Reha beantragen, dann zumeist in Zusammenarbeit mit ihrem niedergelassenen Arzt oder ihrer niedergelassenen Ärztin.
Die Liste der möglichen Indikationen für eine kardiologische Rehabilitation ist dabei umfangreich und umfasst neben akuten Herz-Kreislauf-Ereignissen und Herz-Operationen auch chronische Erkrankungen. Auch wenn Risikoerkrankungen vorliegen, wie arteriellem Bluthochdruck und Diabetes mellitus, kann eine kardiologische Rehabilitation sinnvoll sein.
"Hier kann es aber manchmal schwieriger sein, die Rehabilitation vom zuständigen Kostenträger genehmigt zu bekommen, weil noch kein 'richtiger' Herzinfarkt vorliegt", sagt Mediziner Schwaab. Besteht jedoch bereits eine diagnostizierte Herzerkrankung, empfiehlt er Betroffenen, eine kardiologische Reha auch energisch einzufordern und bei Ablehnung des Kostenträgers, wenn nötig, Widerspruch einzulegen.