Ausgedrückte Zigarette

Psychologie Wie wir das Gehirn überlisten, erfolgreich zu verzichten

Stand: 01.02.2025 08:34 Uhr

Januar ohne Alkohol oder Fleisch geschafft? Bedeutet das nun den Rückfall in alte Gewohnheiten? Unserem Gehirn fällt es grundsätzlich schwer, zu verzichten. Mit den richtigen Tricks lässt es sich aber überlisten.

Von Aniko Schusterius, NDR

Ob Dry-january oder Vega-nuary, zum Jahresbeginn verzichten viele Menschen auf bestimmte Lebensmittel oder nehmen sich vor, schlechte Gewohnheiten zu ändern. Neujahrsvorsätze sind schön und gut, aber wer nachhaltig etwas in seinem Leben verändern möchte, dem muss klar sein: der Mensch ist ein Gewohnheitstier.

Gewohnheiten müssen “überschrieben” werden

Neurowissenschaftler Henning Beck erklärt Gewohnheiten als einen Dreischritt. "Ich habe einen Schlüsselreiz, eine typische Situation; dann komme ich in eine Routinehandlung, in einen Automatismus, wie ich in dieser Situation reagiere; und das gibt mir dann ein gutes Gefühl." Und das kann alles sein - die morgendliche Joggingrunde, aber auch der Griff zur abendlichen Zigarette.

Gewohnheiten beschreibt er als Routinehandlungen, die nicht bewusst durchgeführt werden. Will man einen solchen Automatismus ändern, klappt das am besten durch das Einführen einer neuen Gewohnheit, die die alte "überschreibt". Indem man zum Beispiel die tägliche Tüte Chips vor dem Fernseher durch einen Apfel ersetzt. Aber nicht jede Ernährungsumstellung bedeutet automatisch eine Veränderung der Gewohnheiten. Die Herausforderung liegt oft im Verzicht.

Was passiert bei Verzicht im Gehirn?

Das schlechte Gefühl beim Verzicht kommt vom fehlenden Dopamin, sagt Beck. "Die Areale, die Belohnung vermitteln, sind weniger aktiv, Verzicht fühlt sich also wie eine Bestrafung an." Das hat damit zu tun, dass für das Gehirn alles relativ ist, es misst nicht das, was wir haben, sondern fokussiert sich darauf, ob etwas mehr oder weniger geworden ist. Sich große Verzichtziele für die Zukunft vorzunehmen, ist für unser Gehirn daher grundsätzlich schwierig. Unser zukünftiges Ich hat für uns heute eine geringere Relevanz. Mit den großen Zielen in der Zukunft verschiebt sich nämlich auch der Zeitpunkt der Belohnung im Gehirn. Wer heute mit dem Krafttraining beginnt, hat nicht direkt die ersehnte Bikinifigur, wird also auch verspätet vom Gehirn belohnt.

Wie kann ich nachhaltig auf etwas verzichten?

Für einen erfolgreichen Verzicht rät Henning Beck darum, mit leichteren Verhaltensveränderungen zu beginnen, um schneller vom Gehirn belohnt zu werden. Also: Angehende Läufer sollten sich nicht direkt für einen Marathon anmelden, sondern mit dem Fünf-Kilometer-Lauf beginnen. "Fangen Sie lieber klein an und eskalieren Sie, wenn es funktioniert." Auch soziale Kontrolle kann helfen, sagt er. Wer Freunde und Familie in das Vorhaben einweiht, hat mehr Druck, es auch umzusetzen, um nicht das Ansehen zu verlieren. Rückfälle gehörten dazu - wichtig sei nur, kontinuierlich an der Verhaltensänderung dranzubleiben.

Wenn der Verzicht nicht klappen will

Verzicht kann mal leichter, mal schwerer fallen. Tanja Endrass ist Professorin für Suchtforschung an der Technischen Universität Dresden. Sie rät, sich selbst eine Frage zu beantworten. "Das Wichtigste ist, sich die Motivation klarzumachen: Wofür mache ich das?" Je eindeutiger und entschlossener jemand diese Frage beantworten kann, desto leichter fällt es das Vorhaben motiviert umzusetzen.

Doch es gibt Grenzen: Wer feststellt, dass der Verzicht zum Beispiel auf Alkohol für Körper und Psyche unmöglich ist, sollte kritisch in sich hineinhören. Dann liegt vielleicht schon eine Sucht vor, sagt Tanja Endrass. "Die wichtigste Frage ist: Habe ich die Kontrolle über den Konsum? Kann ich entscheiden: Heute trinke ich keinen Alkohol?" Eine Sucht kann sich körperlich aber auch psychisch zeigen; zum Beispiel dann, wenn die Gedanken nur noch um das eine kreisen und man andere Dinge oder Personen im Alltag vernachlässigt.

Endrass warnt in so einem Fall davor, eigenständig durch ein Verzichtsvorhaben einen Entzug durchzuführen. "Gerade beim Alkoholentzug kann es Nebenwirkungen geben." Von einem leichten Zittern bis zu einem epileptischen Anfall, reagiere ein abhängiger Körper sehr unterschiedlich, sagt Endrass und empfiehlt medizinische Begleitung, zum Beispiel in Suchtberatungsstellen.

Der richtige Zeitpunkt zum Verzichten

Alle, die eine Sucht für sich ausschließen, können oder sollten gerade auch nach dem Jahreswechsel den Wunsch nach Veränderung aufgreifen, sagt Neurowissenschaftler Beck. "Wenn Sie wirklich aus innerer, tiefer Überzeugung sagen, ich ändere am 14. April mein Leben, dann sind Sie so stark, dass Sie diesen Vorsatz sehr viel seltener brechen werden."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 15. Januar 2025 um 06:55 Uhr.