Aktuelle Großwetterlage Ist das noch Wetter oder schon Klimawandel?
Erderwärmung, Klimawandel und doch seit Wochen Dauerregen in weiten Teilen Deutschlands. Wie passt das zusammen?
Hierzulande müssen aufgrund der kühlen und regnerischen Witterung Veranstaltungen im Freien abgesagt werden und die Stimmung derjenigen, die im eigenen Land Urlaub machen, ist wie die Temperatur auf einem Tiefpunkt angelangt. Aus anderen Weltgegenden werden jedoch Hitzerekorde gemeldet, der Juli war weltweit der wärmste Monat seit Messbeginn.
So meldete Copernicus, der Klimawandel-Beobachtungsdienst der Europäischen Union, bereits am 27. Juli, dass die ersten drei Wochen des vergangenen Monats weltweit die wärmste dreiwöchige Periode seit Beginn vergleichbarer Messungen im Jahr 1940 waren und zwischenzeitlich sogar mehr als 1,5 Grad über vorindustriellem Niveau lagen - der Schwelle also, die nach dem Pariser Abkommen langfristig nicht überschritten werden sollte. Den vorläufigen Höhepunkt markiert der 6. Juli, an dem die globale Mitteltemperatur laut Angaben des Climate Change Institute der University of Maine etwa ein Grad über dem Mittel der Jahre 1979 bis 2000 lag und damit der wärmste Tag seit Messbeginn war.
Nordatlantik und Mittelmeer so warm wie nie
Doch nicht nur die Temperatur der bodennahen Luftschichten ist weltweit betrachtet aktuell ungewöhnlich hoch, auch die Meeresoberflächentemperatur weist seit April im weltweiten Mittel große Anomalien auf. In den letzten 40 Jahren lag die mittlere Temperatur der oberflächennahen Wasserschichten Anfang August zwischen 19,9 und 20,7 Grad, aktuell liegt sie bei 21,0 Grad, eine bemerkenswert hohe Abweichung.
Auch der Nordatlantik ist mit 25 Grad so warm wie noch nie seit 1981. Dabei wird das Jahresmaximum sogar erst Anfang September erreicht. Und auch das Mittelmeer hatte Ende Juli mit einer mittleren Wassertemperatur von über 28 Grad einen neuen Rekordwert erreicht. Zudem hat im tropischen Pazifik ein El Niño eingesetzt, ein alle paar Jahre wiederkehrendes Warmwasserereignis, in dessen Zuge große Wärmemengen vom Ozean in die Atmosphäre gelangen.
Aktuelle Wetterlage durch Jetstream beeinflusst
Wie passt nun die herbstlich-kühle Witterung hierzulande in dieses Bild? Verursacht wird die aktuelle Großwetterlage im nordatlantisch-europäischen Sektor von der markanten Anordnung des Polarfrontjets, eines Starkwindbandes, das kühle Polar- von warmer Subtropikluft trennt und sich in etwa 60 Grad nördlicher Breite in zehn Kilometern Höhe um den Globus schlängelt.
Dabei kann dieses - auch als Jet-Stream bezeichnete - Starkwindband, welchem bei Transatlantikflügen möglichst weiträumig ausgewichen wird, stark variable Ausformungen annehmen. Aktuell verläuft es von Nordwest nach Südost direkt über Europa und greift weit südwärts aus, um über Osteuropa wieder nordwärts abzubiegen. Da die Verlagerung der Tiefdruckgebiete durch diesen Verlauf gesteuert werden, ziehen diese seit etwa Mitte Juli direkt vom Atlantik nach Mitteleuropa und mit ihnen kühle Meeresluft und reichlich Regen.
Aktuell schwache Passatwinde
Die Ursachen für den warmen Atlantik liegen neben der globalen Erwärmung aktuell wohl auch in schwachen Passatwinden, wodurch das Aufquellen kalten Tiefenwassers erschwert wird und zum anderen weniger Saharastaub auf das offene Meer gelangt, wo er sonst stärker zur Abschattung des Wassers beiträgt. Die genauen Ursachen sind aber noch unklar.
Hier wirkt also die Atmosphäre auf den Ozean ein. Es geht aber auch in die andere Richtung, denn der nun erhöhte Wärmestrom vom Ozean auf die Atmosphäre kann durchaus einen Beitrag zur aktuellen Ausprägung der oben beschrieben Großwetterlage beitragen - die genauen Zusammenhänge sind jedoch ebenfalls unklar.
Deutlicher macht sich der Klimawandel aktuell im chinesischen Meer bemerkbar, wo ebenfalls ungewöhnlich warmes Oberflächenwasser zum Entstehen des Super-Taifun "Khanun" beigetragen hat, der mit Spitzengeschwindigkeiten über 250 km/h aktuell im Bereich der japanischen Ryūkyū-Inseln tobt.
Klimawandel vollzieht sich
Die Unsicherheiten bei der Zuordnung einzelner Wetterkapriolen zum Klimawandel, welche häufig gar nicht möglich ist, soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Frage, ob sich der Klimawandel vollzieht und vom Menschen verursacht wird, eindeutig mit Ja zu beantworten ist.
In der öffentlichen Wahrnehmung scheint sich die Wissenschaftsgemeinde nicht einig in dieser Bewertung zu sein. Jedoch ist bereits seit den 90er Jahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit klar, dass dem so ist. Die Prozesse sind komplex, und die Reaktionen des Klimasystems auf den sich fortsetzenden Erwärmungstrend bergen sicherlich noch Überraschungen, was sich nicht zuletzt in den sogenannten Kipppunkten widerspiegelt. Hierbei handelt es sich um unumkehrbare Abläufe, welche sich bei Überschreiten einer oft nicht genau auszumachenden Schwelle verselbstständigen. Das Abschmelzen Grönländischen Inlandeises ist ein Beispiel hierfür.
Bei diesen doch recht trüben Betrachtungen zum Schluss noch etwas Aufhellendes vom Wetter: Kommende Woche stellt sich die Großwetterlage um, und die Sommerwärme kehrt zurück nach Deutschland.