Nach heftigem Widerstand mehrerer Länder Klimagipfel nimmt Erklärung nur "zur Kenntnis"
Der Weltklimagipfel in Kopenhagen hat sich nur auf einen Minimalkonsens geeinigt. Die Konferenz beschloss, die gestern von mehreren Staats- und Regierungschefs mühsam ausgehandelte politische Erklärung lediglich "zur Kenntnis zu nehmen". Am Nachmittag ging das Treffen offiziell zu Ende.
Beim Kopenhagener Weltklimagipfel hat das Plenum die Abschlussvereinbarung lediglich "zur Kenntnis" genommen. Nach einer chaotischen Nachtsitzung verzichteten die Delegierten darauf, wie sonst üblich über alle Punkte einzeln abzustimmen. Die Vereinbarung war im Wesentlichen von US-Präsident Barack Obama, Chinas Regierungschef Wen Jiabao und der EU ausgehandelt worden, von einer Gruppe ärmerer Länder aber heftig kritisiert worden. Am Nachmittag ging das Treffen nach einem 13-tägigen Verhandlungsmarathon offiziell zu Ende.
Kleine Länder wollen mehr
Gegen die Vorlage hatten sich zuvor in einer mehrfach unterbrochenen und streckenweise chaotischen Sitzung der Inselstaat Tuvalu, Sudan und mehrere lateinamerikanische Länder ausgesprochen. Sie übten scharfe Kritik daran, dass der Text keine konkreten Vorgaben zur Reduzierung von Treibhausgasen enthält. Allein die Absicht, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, reiche nicht aus. Unmut gab es auch über das Verfahren, einen Text an den üblichen Arbeitssitzungen der Konferenz vorbei im kleinen Kreis auszuhandeln.
Venezuelas Vertreterin Claudia Salerno Caldera warf dem dänischen Konferenzpräsidenten Lars Loekke Rasmussen vor, er unterstütze einen "Staatsstreich" gegen die Vereinten Nationen. Ein Vertreter Boliviens warf dem dänischen Regierungschef Verstöße gegen die Regeln von Demokratie und Transparenz und "diktatorisches Verhalten" vor. Zum Eklat kam es, als der umstrittene sudanesische Chef-Unterhändler und Sprecher der Entwicklungsländer (G77), Lumumba Stanislaus Di-Aping, das Abkommen mit dem Holocaust verglich.
"Aggressivere Schritte zum Klimaschutz notwendig"
Am Vorabend hatte eine Spitzenrunde aus Staats- und Regierungschefs sowie der EU und der UNO lange um eine Abschlusserklärung für den Klimagipfel in Kopenhagen gerungen. Kurz vor seiner Abreise hatte US-Präsident Barack Obama dann bestätigt. dass eine Einigung erzielt worden sei. Er sprach von einem "bedeutenden und beispiellosen Klimaabkommen" und fügte hinzu: "Zum ersten Mal in der Geschichte sind alle großen Wirtschaftsnationen zusammengekommen und haben die Verantwortung dafür übernommen, etwas gegen den Klimawandel zu tun".
Beim Verhandlungsmarathon: Barack Obama
Die Staaten hätten "zugesagt, den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen." Dies sei allerdings nicht verbindlich festgelegt worden, das Dokument sei daher "bei weitem nicht ausreichend". Der Weg zu einem verbindlichen Abkommen werde sehr schwierig sein und eine Weile dauern, sagte Obama. In Zukunft seien aggressivere Schritte zum Klimaschutz notwendig. Grundlegende Unterschiede zwischen den Perspektiven der einzelnen Teilnehmer hätten die Gespräche in Kopenhagen überschattet.
"Weg zu neuem Abkommen noch weit"
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte nach der Einigung der Spitzengruppe, sie sehe das Ergebnis mit gemischten Gefühlen. "Wir sind einen Schritt vorangekommen, ich hätte mir aber mehr Schritte gewünscht", so Merkel in der Nacht. Die Frage sei gewesen, den ganzen Prozess abzubrechen oder weiterzuarbeiten. Merkel räumte ein, es sei nicht gelungen, verbindliche Verpflichtungen für Schwellen- und Entwicklungsländer festzuzurren. "Der Weg zu einem neuen Abkommen ist noch recht weit." Im Sommer sei eine Konferenz in Bonn geplant.
Alles dreht sich um die "Vereinbarung von Kopenhagen"
Der "Copenhagen Accord" soll als politisches Abschlussdokument der zweiwöchigen UN-Klimakonferenz die Grundlage für ein verbindliches neues Weltklimaabkommen bilden. Das Abkommen selbst soll erst im kommenden Jahr fertig werden. Im Schlussdokument sollten aus deutscher Sicht bereits alle wichtigen Ziele festgeschrieben werden. Dazu zählen neben dem Zwei-Grad-Ziel auch Ziele zur Reduzierung der Treibhausgase für Industrie- und Schwellenländer sowie Hilfszusagen von reichen an arme Länder.
Schlafende Delegierte in Kopenhagen: Das Ringen um eine Lösung im Konflikt um die Klimaziele dauerte lang.
Das noch inoffizielle Papier enthält nach Angaben vom Abend zwölf Punkte, die alle zusammen verabschiedet werden und dem alle 193 Teilnehmerstaaten zustimmen müssen. Der Entwurf enthält die Klimaziele für Industrieländer, die sie selbst bereits vorgelegt hatten: Die EU will ihre Emissionen von 1990 bis 2020 um 20 bis 30 Prozent reduzieren, Japan um 25 Prozent. Die USA schlagen vor, ihre Treibhausgase von 2005 bis 2020 um 14 bis 17 Prozent zu reduzieren. China hat das Ziel, den Treibhausgasausstoß im Vergleich zum Wirtschaftswachstum um 40 bis 45 Prozent bis 2020 zusenken.
Reiche Länder sollen zunächst 30 Milliarden Dollar an ärmere zahlen
In dem Entwurf gibt es bislang aber noch viele Unbekannte. Inwieweit die Entwicklungs- und Schwellenländer Klimaziele erbringen müssen, soll davon abhängen, was die Industrieländer an Geld und Technik bereitstellen. Die reichen Länder werden zusammen 30 Milliarden Dollar für 2010 bis 2012 an die armen Länder geben. Sie "unterstützen" zudem das Ziel, ab 2020 rund 100 Milliarden Dollar für die umweltfreundliche Entwicklung ärmerer Länder bereitzustellen.
Die Vereinbarung soll dem Entwurf zufolge 2016 überprüft werden mit Blick auf die Möglichkeit, die Erderwärmung auf nur 1,5 Grad zu begrenzen. Dies hatten vor allem kleine Inselstaaten gefordert, die vom Anstieg der Meeresspiegel bedroht sind. Konkretisiert wurde auch nicht, wie die Ziele überprüft werden sollen.
Russland kritisiert Gipfel-Vorbereitung
Russlands Präsident Dimitri Medwedjew war bereits vor der Einigung auf den Kompromiss abgereist. Dessen Klimareferent Arkadi Dorkowitsch kritisierte die Organisatoren des Gipfels scharf. Es handele sich um eines der "erfolglosesten Treffen auf höchster Ebene" überhaupt.