Diskussion über Studie Mehr Öko-Landwirtschaft - weniger Kosten?
Bislang nimmt die Öko-Landwirtschaft in Deutschland nur etwa elf Prozent der Fläche ein - bis 2030 soll sich der Wert verdreifachen. So das Ziel der Politik. Welche Auswirkungen hat das auf Umwelt und Gesellschaft?
Deutschland könnte jährlich vier Milliarden Euro an Umweltkosten sparen, wenn es - wie geplant - die Öko-Landwirtschaft ausdehnt. Das geht aus einer viel beachteten Studie der TU München hervor.
Derzeit werden 11,3 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen in der Bundesrepublik ökologisch bewirtschaftet. Politisches Ziel ist es, diesen Anteil auf 30 Prozent bis zum Jahr 2030 zu erhöhen. Das würde nicht nur die Umwelt entlasten, durch weniger Pestizid-Einsatz.
Ein Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Kurt-Jürgen Hülsbergen von der TU München hat ermittelt: Pro Hektar, aber auch bezogen auf das jeweilige Produkt, schneidet Öko-Landwirtschaft besser ab - sowohl in Sachen Klimaschutz als auch beim Schutz des Grundwassers. Der Unterschied in der Treibhausgasbilanz wurde außerdem finanziell bewertet.
Bisher kaum im Fokus: Umweltkosten für die Gesellschaft
800 Euro weniger Kosten pro Hektar und Jahr berechnen die Wissenschaftler für die Öko-Landwirtschaft. "Wird weiterhin konventionell gewirtschaftet, dann fallen diese Umweltkosten real an. Und die muss die Gesellschaft tragen", sagt Wissenschaftler Hülsbergen. "Nur tauchen sie eben in den bisherigen Berechnungen überhaupt nicht auf." Das sichtbar zu machen, sei die Idee der Studie gewesen, so der Pflanzenbauwissenschaftler. Es gibt aber auch Kritik an dieser Analyse - von Herbert Ströbel, Agrar-Professor der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Der emeritierte Hochschullehrer sagt, die finanzielle Bewertung sei zu kurz gegriffen.
Kritik: Müssen Kosten für zusätzliche Flächen berücksichtigt werden?
Ströbel schlägt vor, auch die Auswirkungen des Öko-Landbaus in Bezug auf die Erntemengen einzurechnen. Da Öko-Landwirte keine Mineraldünger und chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel einsetzen, fallen die Erträge je nach Betrieb und Kultur teils deutlich niedriger aus als in der konventionellen Landwirtschaft. "Auf den Unterschied im Ertrag des Öko-Landbaus kann ja nicht einfach verzichtet werden, sondern der muss ja irgendwo wieder ersetzt werden", argumentiert Ströbel. Dafür müsse zusätzliche Fläche genutzt werden, im In- oder Ausland. "Und das verursacht erhebliche zusätzliche Kosten", sagt Ströbel, "diese tauchen in der TU-Studie nicht auf". Er rechnet vor, dass 800 Euro Produktionskosten entstehen, um die Ertragslücke zu schließen. Dadurch, dass mehr Fläche genutzt werden müsse, fielen aber wiederum Umweltkosten in Höhe von 800 Euro pro Hektar an, so Ströbel. So gesehen, sei der Öko-Landbau "ein Verlustgeschäft". Er führt aber noch einen Punkt an. Um die Ersatzflächen zu beschaffen, könnten zum Beispiel Wälder abgeholzt werden. Das führe wiederum zum Treibhausgasausstoß und schädige die Artenvielfalt. Und deswegen setzt der Agrarökonom auch dafür Kosten an.
Was sagen die Autoren zur Kritik?
Wissenschaftler Hülsbergen reagiert gelassen auf diese Kritik. Seine Studie ziele auf eine andere Fragestellung ab. Er entgegnet aber auch: "Es gibt kein Naturgesetz, das festlegt, dass im Öko-Landbau nur 50 oder 60 Prozent der konventionellen Erträge erreicht werden." Seine Forschungsergebnisse zeigen, dass es erhebliches Potenzial gibt. "Wir sehen heute schon, dass die besten Biobetriebe durchaus beim Ertrag mithalten können mit den mittleren konventionellen Betrieben. Das ist bemerkenswert." Aber es bestehe bei einigen Betrieben auch noch Verbesserungsbedarf, sagt Hülsbergen.
Hans Marten Paulsen vom Thünen-Institut, einer der Autoren der Studie, nimmt die Kritik ernst, sagt aber: "Das ist zu kurz gedacht, pauschal Zusatzfläche einzuberechnen." Ob durch mehr Öko-Landbau Deutschland im In- oder Ausland mehr Agrarfläche nutzen würde, "hängt von sehr vielen Faktoren ab". Da müsse man den Rahmen viel größer stecken, Handelsbeziehungen und Ernährungsgewohnheiten berücksichtigen.
Trend zu weniger Fleisch setzt Flächen frei
„Entscheidend ist die Zukunft unserer Ernährung“, erklärt Hülsbergen. "Wir erzeugen immer noch sehr viel Fleisch. Bei Schweinefleisch haben wir mittlerweile eine Eigenversorgung von über 130 Prozent." Das sei möglich, weil wir in großem Umfang Soja und Sojaprodukte importieren. Mit dem Sojafutter gelangen enorme Nährstoffmengen nach Deutschland, die hohe Nährstoff- und Gülleüberschüsse erzeugen. "Das Fleisch exportieren wir dann teilweise wieder, zum Beispiel in den asiatischen Raum", so Hülsbergen weiter. Das sorge derzeit für erhebliche Umweltprobleme durch zu viel Stickstoff aus Gülle, das in Form von Nitrat Grundwasser belastet. Hier sei der Öko-Landbau klar im Vorteil, weil die Anzahl der Tiere an die Fläche gebunden, Stickstoff kostbar und knapp sei.
Aber allein auf Öko umzustellen, reiche nicht. Das ganze Agrar- und Ernährungssystem müsse umgestellt werden, erklärt der Wissenschaftler. Derzeit werden in Deutschland etwa 60 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche für die Erzeugung von Tierfutter verwendet. "Wenn wir im Ackerbau Tierfutter erzeugen, haben wir einen erheblichen Nährwertverlust. Nehmen wir mehr pflanzliche Kalorien zu uns, werden Flächen in erheblichem Umfang frei", ergänzt Wissenschaftler Paulsen.
Was passiert, wenn wir 30 Prozent Öko-Landwirtschaft haben?
Um letztendlich beurteilen zu können, ob durch mehr Öko-Landbau in Deutschland mehr Fläche für die Lebensmittelerzeugung im In- oder Ausland herangezogen werden müsse, brauche es eine völlig andere Studie, meint Hülsbergen. "Die würde ich gern machen, das nehmen wir uns demnächst vor", sagt der Pflanzenbauwissenschaftler.
Ein Blick auf die Entwicklung der vergangenen 15 Jahre zeige jedoch: "Mehr Öko-Landbau sorgt nicht automatisch für mehr Lebensmittel-Importe." Das sei mit statistischen Daten leicht zu überprüfen. "Wir haben in den letzten 15 Jahren eine Million Hektar mehr Öko-Landbaufläche hinzubekommen. Vor 15 Jahren hatten wir 87 Prozent Eigenversorgung in der Bundesrepublik Deutschland. Heute haben wir immer noch 87 Prozent Eigenversorgung." Für Agarökonom Ströbel dagegen steht jetzt schon fest, mehr Öko-Landbau in Deutschland sei keine gute Entscheidung.