Herbststurm Das Besondere am Orkan "Ciarán"
Der Orkan "Ciarán" hat sich mittlerweile deutlich abgeschwächt. Im Ärmelkanal hatte er mit Böen von mehr als 200 km/h seine Kraft entfaltet. Was macht das Sturmtief so besonders?
Seit Wochen bestimmen atlantische Tiefdruckgebiete das Wettergeschehen in Europa und Deutschland. Dieses sogenannte Westwetter wird durch die Lage und Form des Jetstreams verursacht. Das ist ein Starkwindband in etwa 10 km Höhe, in dessen Umfeld auch Turbulenzen auftreten, weswegen es von Flugzeugen gemieden wird.
Ist dieses auch als Strahlstrom bezeichnete Sturmfeld, wie derzeit annähernd parallel zu den Breitenkreisen von West nach Ost ausgerichtet, folgen die Tiefdruckgebiete seinem Verlauf wie auf einer Perlenschnur aufgereiht und gestalten das Wetter bei uns entsprechend wechselhaft und eben auch stürmisch.
Das Besondere am Tief "Ciarán", das bei uns auch "Emir" genannt wurde: Es entstand am vergangenen Mittwoch sehr kurzfristig als Randtief an der Südflanke eines umfassenden Tiefdruckkomplexes über dem Nordatlantik im Seegebiet etwa 1.000 km nördlich der Azoren und verlagerte sich unter schneller Verstärkung rasch ostwärts in Richtung Ärmelkanal, was charakteristisch für ein solches, als Schnellläufer bezeichnetes System ist.
Kaum Reibungswiderstand über dem Meer
Im Eingang des Ärmelkanals wurde dann nach sehr schnellem Abfall ein Luftdruck von 952 Hektopascal (Hpa) registriert. Der tiefste bisher in Frankreich gemessenen Luftdruck beträgt 951,8 HPa, in Großbritannien 948,8 HPa, im Mittel beträgt der Luftdruck in Bodennähe um 1.013 HPa.
Entsprechend stark war auch das Sturmfeld ausgeprägt, dass bei ostwärts ziehenden Stürmen südlich des Drehzentrums auftritt. Denn bei einer Drehung gegen den Uhrzeigersinn addieren sich hier die Rotations- und Verlagerungsgeschwindigkeit. Das Fatale, was "Ciarán" beziehungsweise "Emir" in dieser Hinsicht quasi zum "perfekten Sturm" machte: Der Kern des Tiefs zog über die südenglische Küstenregion, und das Gebiet der stärksten Winde lag damit über dem Meer, wo im Gegensatz zum Festland kaum Reibungswiderstand abschwächend wirkte.
So traf der Orkan mit voller Wucht auf die Bretonische Küste: Am Point du Raz, dem westlichsten Punkt Frankreichs, wurde eine Spitzenböe von 207 km/h registriert. Zum Vergleich: Die stärkste jemals erfasste Orkanböe in Frankreich betrug 216 km/h, während dem Orkan "Kyrill" im Januar 2007 wurden auf dem Brocken im Harz 187 km/h gemessen. Vor der bretonischen Küste türmten sich zudem die Wellen auf mehr als zehn Meter auf, im extremsten Fall registrierte eine Boje eine Wellenhöhe von 21 Metern.
In Deutschland kam "Ciarán" abgeschwächt an
Hierzulande trat "Ciarán" vor allem im Westen und Nordwesten, jedoch in deutlich abgeschwächter Form in Erscheinung. Auf dem Brocken gab es zwar ebenfalls Orkanböen bis 143 km/h, was an dem exponierten Standort aber bei einer solchen Wetterlage nicht überrascht. Südlich der Eifel wurde mit 104 km/h eine orkanartige Böe, in Aachen mit 94 km/h immerhin eine schwere Sturmböe gemessen.
Durch ablandige Winde aus südlichen Richtungen wurde keine Wasser von der Nordsee in Weser und Elbe gedrückt, eine Sturmflut blieb somit im Gegensatz zu der katastrophalen Sturmflut vom 20. Oktober aus, als das Tief "Wolfgang" über Westeuropa von dem Hoch "Wiebke" über Skandinavien blockiert wurde. Daraus resultierte ein seltener Oststurm und in der Folge die verheerende Sturmflut an der Ostseeküste.
Stürme häufen sich im Herbst und Winter
Warum häufen sich in unseren Breiten vor allem im Herbst und Winter eigentlich schwere Stürme? Aktuell verkürzen sich die Tage in den hohen Breiten bereits deutlich, und die Temperatur sinkt in den länger werdenden Nächten entsprechend stark ab. In südlicheren Gefilden hält sich die Wärme auch aufgrund der thermisch trägen Meere länger. Hier verringert sich die Sonneneinstrahlung ebenfalls, jedoch eben nicht in dem Maße wie im hohen Norden, wo die tief stehende Sonne im Winter dann fast keine Wärme mehr liefern kann.
Nun versucht die Atmosphäre diese großen Unterschiede auszugleichen, indem warme Luft nach Norden und kalte nach Süden transportiert wird. Diese Umverteilung geschieht in den mittleren Breiten am effektivsten durch Tiefdruckwirbel, deren Entstehung im Detail recht kompliziert ist, die jedoch prinzipiell von Temperaturunterschieden angetrieben wird.
Zerstörungspotenzial geringer als bei Tropenstürmen
Zudem verlagern sich die Zugbahnen der Tiefs im Winterhalbjahr weiter nach Süden und kommen so dem europäischen Festland mitunter gefährlich nahe. In seltenen Fällen, wie beispielsweise beim verheerenden Orkan "Lothar" vom 25.12.1999, ziehen die Stürme auch über Land und richten dann mitunter großen Schaden an. Jedoch ist das Zerstörungspotenzial solcher Orkane noch deutlich geringer als bei tropischen Wirbelstürmen, die ihre Energie aus gigantischen Feuchtigkeitsmengen beziehen, die über warmen Meeresoberflächen tropischer Ozeane verdunsten.
Der Temperaturausgleich, den ein außertropisches Sturmtief bewirkt, hält jedoch nicht lange vor, so dass es im Laufe des Herbstes und Winters wiederholt zu starken Stürmen kommen kann, bevor im Frühling die Sonne die hohen Breiten erneut mit Wärme versorgt und sich die Temperaturunterschiede wieder abbauen.
Das nächste Sturmtief ist bereits im Anmarsch
Doch aktuell nähert sich schon das nächste Sturmtief vom Atlantik und erreicht im Laufe des Samstags die Irische Küste. Sein Sturmfeld zieht jedoch südlicher, nämlich in den Golf von Biskaya. Somit droht am Wochenende bereits der nächste Sturm, diesmal ist jedoch vor allem die Französische Atlantikküste sowie die galizische Küste Nordspaniens betroffen.
Bis auf Weiteres ist keine Umstellung der Großwetterlage in Sicht, es bleibt also auch hierzulande beständig unbeständig. Zumindest droht in Mitteleuropa kein gefährlicher Sturm - vorläufig.