Umweltverschmutzung und Klimawandel Ist die Ostsee noch zu retten?
Zu warm, zu viele Nährstoffe, kaum noch Fische - der Ostsee geht es nicht gut. Doch an den Ursachen ändert sich wenig. Was muss passieren, damit aus der Ostsee nicht bald ein totes Meer wird?
Björn Fischer kommt gerade von seiner Fangfahrt auf der Ostsee zurück. Er hat ausschließlich Plattfische gefangen. "Die sind alle dünn. Die haben anscheinend nicht mehr genug zu fressen", erzählt er. Es gibt viele Ursachen für die geringen Fischbestände. Zum einen spielt die Überfischung eine Rolle. Beim Dorsch aber eine größere als beim Hering.
Denn der Hering hat vor allem damit zu kämpfen, dass das Wasser zu warm ist. Der Temperaturanstieg liegt hier sogar über dem globalen Mittel. Durch die sehr kleinen Öffnungen über die Belte und Sunde im westlichen Teil der Ostsee, gelangt nur noch wenig Frischwasser in das Meer. Schuld daran sind unter anderem zu schwache Winterstürme.
Heringe schlüpfen zu früh - und verhungern
Auf dem Fischereiforschungsschiff Clupea untersuchen die Wissenschaftler des Thünen-Instituts für Ostseefischerei, wie sich der aktuelle Heringsnachwuchs entwickelt. Während der Laichsaison sind sie jede Woche im Greifswalder Bodden unterwegs, um Heringslarven zu fangen. Schon seit den 1980er-Jahren läuft diese Forschung. Der Greifswalder Bodden ist das Hauptlaichgebiet für den Hering in der deutschen Ostsee. Die Daten, die sie hier sammeln, sind die wichtigste Grundlage für das Bestimmen der Fangquoten.
Gleichzeitig sind sie aber auch ein Abbild der Ostsee. Denn wenn es der Ostsee schlecht geht, gibt es auch nur wenig Hering, sagt Paul Kotterba. Durch das wärmere Wasser überleben weniger Heringslarven. Denn das Futter, das sogenannte Phytoplankton, das die Heringslarven zum groß werden brauchen, entsteht erst ab einer bestimmten Sonnenstrahlung. Es braucht viel Licht. Doch der Hering schlüpft schon, wenn das Wasser warm ist. Und weil das Wasser inzwischen auch in der dunklen Jahreszeit zu warm ist, schlüpft der Hering zu früh. Dann ist aber noch nicht genügend Futter da, und so verhungern Millionen Heringslarven.
Nährstoffe befördern Algenwachstum
In der Ostsee sind aber auch zu viele Nährstoffe, so Fischereiwissenschaftler Kotterba: "Wir sehen, dass die Pflanzen, auf die der Hering seine Eier ablegen kann, immer weniger werden. Das hat was damit zu tun, wie sich die Wasserqualität durch den Nährstoffeintrag verändert hat." Durch Dünger, Kläranlangen, Autoverkehr und Industrieabwässer gelangen Nährstoffe über Flüsse ins Meer. Der Überfluss an Nährstoffen lässt Algen wachsen, die das Wasser trüb machen und ihm Sauerstoff entziehen. Und so bekommt das Seegras, die Pflanze, auf der die Fische ihre Eier ablegen, nicht genügend Licht. In den vergangenen 100 Jahren sind schon zwei Drittel aller Seegraswiesen in der Ostsee verschwunden.
Der Meeresbiologe Philipp Schubert vom GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung sagt, am besten wäre es, wenn größere Teile der Ostsee unter Schutz gestellt würden. Denn dort, wo sowohl Land als auch Meer unter Schutz stehen, kann man schon einen positiven Effekt sehen.
Nationalpark Ostsee - die Rettung?
Genau deshalb möchte auch der Umweltminister von Schleswig-Holstein, Tobias Goldschmidt, große Teile der Ostsee unter Schutz stellen. Er möchte die bestehenden Schutzgebiete in der Schleswig-Holsteinischen Ostsee zusammenziehen und so einen Nationalpark gründen. Doch von vielen Interessengruppen wie zum Beispiel der Tourismusindustrie, aber auch der Landwirtschaft gibt es Widerstand. Sie haben Sorge vor finanziellen Einbußen.
So wie Jens Alpers. Er baut Weizen an und braucht Stickstoff-Dünger für seine Pflanzen. Dass viele Landwirte in den letzten Jahren zu viel gedüngt haben, weiß er auch: "Also es gibt sicherlich Nährstofffrachten, die hätten vermieden werden können." Der Dünger der vergangenen Jahrzehnte ist zum Teil immer noch im Meeresgrund gespeichert.
Heute hat er seinen Düngemitteleinsatz reduziert, sagt Alpers. Durch moderne Technik soll nirgendwo zu viel Dünger liegen und besonders in der Nähe von Bächen Abstand gehalten werden. Er sei aber auch nicht der Einzige, der an dem Gewässer wirtschafte, das in die Ostsee fließt, sagt er. Betreiber von Kläranlagen sieht er genauso in der Pflicht. Seit vielen Jahren übersteigt die Au neben seinen Feldern den Zielwert für Stickstoff. Doch grundsätzlich sind die deutschen Flüsse viel zu stark belastet.
Keine Bereitschaft, sich einzuschränken für Naturschutz
Doch nicht nur die, die sich um ihre Wirtschaftlichkeit sorgen, sind gegen einen Nationalpark Ostsee. Auch die, die die Ostsee in ihrer Freizeit nutzen, wollen eigentlich nicht eingeschränkt werden. Viele Wassersportler glauben, sie könnten ihren Sport nicht mehr so ausüben, wie sie es gewohnt sind. Deshalb hatte das Umweltministerium extra einen Workshop mit den Wassersportlern organisiert.
Doch gebracht hat er wohl nichts. Die Wassersportler sehen sich nicht in der Pflicht - und der Umweltminister ist frustriert: "Ich habe hier viele Vorschläge für Naturschutz gehört, aber ich habe auch gehört, dass keiner irgendwie sagt: Ich trete mal einen Schritt zurück, mache mal ein bisschen weniger. Das war hier überhaupt noch nicht die Stimmung."
Meeresbiologe Philipp Schubert, selbst auch leidenschaftlicher Surfer und Segler, kämpft trotzdem weiter für einen Nationalpark Ostsee: "Echter Schutz heißt einfach neue Regeln, und sich an die Regeln auch wirklich halten. Das kann auch heißen, dass dort dann eben in bestimmten Zeiten nicht gesurft wird. Vielleicht gibt es auch Betretungsverbote für bestimmte Strände. Ja, dann ist das so. Wir haben doch genug Strände."