Trockenheit und Erderwärmung Wie Seen unter dem Klimawandel leiden
Trotz des Regens im Frühjahr leiden die Seen in Deutschland unter der Wärme und Trockenheit der letzten Jahre. Algen und invasive Arten machen ihnen zu schaffen. Was bedeutet das für den kommenden Sommer?
Um sechs Uhr morgens macht Katrin Kirner ihr Boot fertig, um auf den See hinauszufahren. Am Obersee - so nennen die Bewohner den Südteil des oberbayrischen Starnberger Sees - ist sie in der Morgenkälte ganz allein auf dem Wasser. Die Fischerin will ihre Netze einholen.
Doch seit einiger Zeit hat sie ein Problem: Während es in den vergangenen Jahren im Schnitt sehr warm war, ist es in diesem Frühjahr zu kalt. Die Folge: Die Fische bleiben in tieferen Wasserschichten und sind schwerer zu fangen.
Das Beispiel zeigt: Klimawandel, Temperaturanstieg und die Zunahme von Extremwetterlagen wirken sich auf die Situation der Seen aus. Zwar fließt ihnen durch den vielen Regen im Frühjahr wieder mehr Wasser durch die Flüsse zu. Trotzdem leiden sie - in anderer Hinsicht.
Giftige Algenblüte
Wissenschaftler der Technischen Universität München wollen dem Thema auf den Grund gehen. Jürgen Geist forscht im Bereich Aquatische Systembiologie, er versucht zu verstehen, wie sich die Natur unter Wasser verändert - welche Folgen der Klimawandel und menschliche Eingriffe für unsere Seen und Flüsse haben.
Zum Beispiel kommt es immer wieder zu Blaualgenblüten. "Das liegt daran, dass die Durchmischung der Seen oft nicht mehr funktioniert", erklärt Geist. "Nur, wenn das Seewasser in allen Tiefen dieselbe Temperatur hat, kann es sich durchmischen."
Das passiert, wenn sich der See über den Winter abkühlen kann und das Wasser überall etwa vier Grad hat. Dann reicht ein stärkerer Wind, um sauerstoffarmes Wasser vom Seegrund und sauerstoffreiches Oberflächenwasser zu vermischen.
Wird kein Sauerstoff auf diese Weise in die Tiefe transportiert, dann können sich dort Blaualgen stark entwickeln. Sie lieben sauerstoffarmes Wasser und sondern Giftstoffe ab, die in höheren Dosierungen toxisch sein können. "Es gibt Berichte von Hunden, die Seewasser getrunken haben sollen und verendet sind", berichtet Geist.
Grundwasser weiter als Problem
Doch wie sieht es bei Seen aus, die nicht über Flüsse, sondern primär über das Grundwasser gespeist werden, also etwa dem Starnberger See oder dem Steinhuder Meer in Niedersachsen? Den Wasserständen der Seen hat der Regen gut getan, sie haben nach Tiefsständen wieder Normalpegel. Doch die Grundwasserspiegel sind weiter niedrig - und das könnte künftig wieder zum Problem werden.
Markus Disse vom Lehrstuhl für Hydrologie und Flussgebietsmanagement hatte bis vor ein paar Jahren den Hochwasserschutz als einen Forschungsschwerpunkt. Doch heute arbeitet er eher zu Maßnahmen gegen die Trockenheit. "Wir müssen dafür sorgen, dass der Boden den Regen aufnehmen kann und sich mehr Grundwasser bildet, das dann auch diesen Seen zugutekommt." erklärt Disse.
Problematisch seien zum Beispiel Entwässerungsgräben neben Feldern und Straßen. "Gräben sorgen dafür, dass Wasser abgeleitet wird, sich in Flüssen sammelt und abgeleitet wird." Schließlich würde es ins Meer fließen und nicht als Grundwasser zur Verfügung stehen. Darum empfiehlt er Bauern und Wasserwirtschaftsämtern, Gräben zuzuschütten. Dann speichere der Boden das Wasser und gebe es nur langsam wieder ab, auch noch in Trockenphasen.
Forellen brauchen optimale Bedingungen
Die Erderwärmung macht aber auch den Tieren in Seen und Flüssen zu schaffen. Um das zu untersuchen, züchten die Münchener Forscher in großen Becken Huchen. Das ist eine riesige Forellenart, die nur in der Donau und in ihren Nebenflüssen vorkommt. Die Fische werden bis zu 1,5 Meter lang. Sie sind aber vom Aussterben bedroht.
"Unsere Forschungen haben gezeigt, dass nur eine leichte Temperaturerhöhung von 1,5 Grad die Fischeier absterben lässt", erklärt Disse. Die Folge ist ein erheblicher Rückgang der Fischpopulation.
Ähnlich geht es den Bachforellen in bayerischen Flüssen. Sie ziehen sich immer weiter in die Oberläufe zurück, wo das Wasser noch die gewohnte Temperatur hat. In den Unterläufen werden sie dann von den Regenbogenforellen ersetzt, die mit den Bedingungen besser zurechtkommen. Diese Forellenart kommt ursprünglich aus Amerika.
Nichts ist wieder normal
Auch Fischerin Kirner bemerkt solche Verdrängungen im Alltag. In den vergangenen Jahren findet sie in ihren Netzen immer mehr Klumpen verklebter, kleiner, brauner Muscheln - Dreikantmuscheln: Diese scharfkantigen Schalentiere sollten hier eigentlich nicht sein. Sie wurden vor Jahren eingeschleppt. "Die werden immer mehr. Einer der wenigen Fressfeinde sind Blässhühner. Diese Muscheln haben auch unsere Teichmuscheln kaputt gemacht. Sie setzen sich nämlich auf sie drauf und dann können die Teichmuscheln nicht mehr atmen. Dreikantmuscheln heften sich an alles. Die sind an jeder Bootskette, überall", sagt Kirner.
"So ist das bei all den Arten, die wir als Generalisten bezeichnen", erklärt Biologe Geist. "Die kommen besser mit Extremwettern zurecht und verbreiten sich dadurch stark in der Fläche. Das ist ein globales Phänomen. Man bezeichnet das auch als McDonaldisation: dass man immer die gleichen Arten in den verschiedensten Gewässern findet, weltweit."
Die Fischer wollen durchhalten
In diesem Sommer könnte sich der Trend verschärfen, sollte es wieder sehr heiß werden. Allerdings könnte es feuchter werden als vergangenes Jahr, sagen einige Wettermodelle, die auch der Deutsche Wetterdienst nutzt. Das hieße dann: Viel Regen könnte Pegeltiefststände wie im letzten Sommer vermeiden. Die hohen Temperaturen aber könnten die Gewässer wieder stark erwärmen und Tieren und Pflanzen schaden. Allerdings: Solche Langzeitprognosen sind noch nicht ausgereift, so eine Warnung des DWD.
Katrin Kirner holt das letzte Netz des Tages ein, auch das ist fast leer. Aber egal, wie die Situation gerade ist: Sie wird weiter rausfahren, genauso wie ihre Vorfahren seit Generationen. "Die Fischerei am Starnberger See wird bleiben", da ist sich Kirner sicher, egal, wie sich das Klima auch wandelt.