Lebensmittelforschung Fleisch aus dem 3D-Drucker
Von Laborfleisch erhoffen sich Forscher eine klimafreundliche, gesunde Alternative zu tierischem Fleisch. Ohne Tierleid kommt man bei dessen Produktion bislang aber nicht aus. Und auch die erhoffte bessere CO2-Bilanz ist fraglich.
In Singapur darf schon länger aus Zellen gezüchtetes Geflügel verkauft werden. Die USA haben jetzt nachgezogen und Hähnchenfleisch aus dem Labor für den Handel zugelassen. Aber ist das Laborfleisch wirklich auch tierfreundlicher, gesünder und besser für die Umwelt als herkömmliches Schlachtfleisch?
Bisher nicht ohne Tierleid
"Clean Meat" wird das Laborfleisch auch genannt. Dabei ist die Herstellung bisher keinesfalls tierfrei und dazu nicht ohne Tierleid möglich, erklärt die Lebensmittelchemikerin Tuba Esatbeyoglu von der Leibniz-Universität Hannover. Denn bisher muss dafür einem lebenden Tier Gewebe entnommen werden. Ähnlich wie bei Menschen sei auch die Biopsie bei Tieren mit Schmerzen verbunden, so Esatbeyoglu.
Aus dem tierischen Gewebe werden anschließend Stammzellen isoliert und in einem Bioreaktor mit einem Nährmedium zusammengebracht, in dem sich die Zellen vermehren und heranwachsen. Das Nährmedium besteht aus Zucker, Aminosäuren und Vitaminen - und bisher auch aus fetalem Kälberserum. Auch das kann bisher nicht ohne Tierleid gewonnen werden. Denn hier wird einem ungeborenen, noch lebenden Kalb Serum entnommen.
Umweltbilanz unklar
Die Umweltbilanz von Laborfleisch ist ebenfalls umstritten. Zwar wird beim Laborfleisch viel weniger Landfläche und auch Wasser benötigt, um das Fleisch herzustellen. Entgegen früherer Berechnungen kommen neuere Studien allerdings zu dem Schluss, dass bei der Produktion von Laborfleisch sogar deutlich mehr CO2 frei werden könnte als in der klassischen Landwirtschaft.
Wie die Bilanz wirklich ausfällt, läge dann immer an der genauen Herstellungsweise, erklärt Alessandra Legler. Sie arbeitet auch im Labor von Esatbeyoglu und stellt im Rahmen ihrer Masterarbeit pflanzliche Fleischersatzprodukte her. Denn wichtig sei zu berücksichtigen, ob die Bioreaktoren mit erneuerbaren Energien betrieben würden. "Solange es kein standardisiertes Verfahren gibt, solange es keine große Produktion gibt, gibt es auch dazu keine Daten", so Legler. Entscheidend für die Klimabilanz sei ebenso, ob das fetale Kälberserum ersetzt werden könne. Denn gerade die Produktion dieses Serums benötigt sehr viel Energie.
Forschung für besseres Laborfleisch
Daran, wie das tierische Serum beim im Labor erzeugten Schweinefleisch ersetzt werden kann, arbeitet das derzeit einzige deutsche Forschungsprojekt zum Laborfleisch "CELLZERO Meat". Die Vision des Projekts: Ein Nährmedium, dass ganz künftig ohne tierische Produkte auskommt. Und auch die schmerzhafte Biopsie möchten die Forschenden den Tieren zukünftig ersparen. Sie nutzen dafür Nabelschnurblut, das schmerzlos direkt nach der Geburt von Ferkeln gewonnen werden kann. "Mit Tierquälerei hat das dann nichts mehr zu tun", sagt Wolfram Schnäckel von der Hochschule Anhalt, der in dem Projekt forscht.
Auch für die Menschen möchte er das Laborfleisch gesünder machen. Denn bisher werden häufig Antibiotika eingesetzt, um das Zellfleisch steril zu halten. Das könnte künftig durch rein physikalische Methoden geschehen. In anderer Hinsicht gesünder als herkömmliches Fleisch würde das Laborfleisch auch mit den neuen Techniken derweil vermutlich nicht.
3D-Druck für Konsistenz, Reifung für Geschmack
Zudem arbeitet Schnäckel mit seinen Kolleginnen und Kollegen an der Konsistenz und dem Geschmack des künstlichen Schweinefleischs. Denn aus dem Bioreaktor kommen zunächst Zellhaufen aus gezüchteten Muskel- oder Fettzellen. Die werden in einem 3D-Drucker zu einem fleischartigen Gewebe zusammengesetzt. Das kann dann zum Beispiel zu Würsten verarbeitet werden.
Das Fleisch, das so aus dem Drucker kommt, hat aber erst einmal wenig Geschmack, ähnlich wie auch herkömmliches Schweinefleisch. "Schlachtfrisches Fleisch ist wenig schmackhaft. Das ist relativ zäh", erklärt Schnäckel. Bevor es wirklich gut schmeckt, muss das Fleisch über biochemische Prozesse reifen. Wie genau das im Labor funktionieren kann, auch daran forscht das Team.
Noch Jahre bis zur Marktreife
Bis das tierfreundlichere, antibiotikafreie und schmackhafte Schweinefleisch aus dem 3D-Drucker auf den Markt kommen kann, wird es allerdings vermutlich noch eine Weile dauern. Fünf bis zehn Jahre schätzt Schnäckel - wenn sich eine Firma findet, die das Fleisch dann auch produzieren möchte. Und die eine Zulassung bekommt. Denn bisher darf hier noch kein Zellfleisch verkauft werden.
Da die Lebensmittelverordnungen der EU strenger sind als in anderen Ländern, wie etwa den USA, könnte auch dies eine Hürde darstellen. Das Fleisch müsste hier über die "Novel Food"-Verordnung zugelassen werden - was ebenfalls länger dauern könnte.