Wissenschaftsprojekt Die Schneeflockenfänger vom Südpol
Ein Ingenieur und eine Physikerin fangen und verewigen an Nord- und Südpol Schneeflocken - als Einzige weltweit. Ihre Mission: Forschung durch Kunst sichtbar machen.
Thomas Hoffmann hat ein ungewöhnliches Hobby. Gemeinsam mit der Physikerin Helene Hoffmann tüftelte er am Südpol an einem speziellen Verfahren, um Schneeflocken haltbar zu machen.
Mit einem speziellen Kleber und einer minus 40 Grad Celsius kalten Arbeitsplatte glückte die Mission: Weltweit sind sie die Einzigen, die Schneeflocken vom arktischen und antarktischen Winter konserviert haben. Exponate ihrer Sammlung sind bis zum 31. März 2024 im Heimatmuseum in Ramstein in Rheinland-Pfalz zu sehen.
Flockenfänger Thomas Hoffmann am Südpol: Das Sammeln von Schneeflocken ist für ihn eher Freizeitbeschäftigung als Arbeit.
Idee entstand während Überwinterung
Die Idee, Schneeflocken haltbar zu machen, entwickelte sich während einer Überwinterung auf der Neumayer Forschungsstation am Südpol. Monatelang waren der Ingenieur und die Wissenschaftlerin zusammen mit nur acht anderen Personen in Dunkelheit und Eis isoliert.
Ohne Hobby lässt sich das nur schwer aushalten, doch konnte es nicht irgendein Hobby sein. Die beiden haben ihre persönliche Begeisterung für die Schönheit der Polarregionen, der Schneekristalle und des Eises in Kunst verwandelt, wie sie der SWR-Wissenschaftsredaktion berichteten. Genügend Zeit und die notwendige Ausrüstung dafür waren vorhanden: Das Experimentieren in der Stationswerkstatt konnte beginnen.
Eine Probe von antarktischem Gletschereis: Hieraus können die Forschenden Rückschlüsse auf den Lebenszyklus des Eises ziehen.
Langsam wächst die Flockensammlung
Die grundlegende Technik gibt es schon seit den 1960er-Jahren: Spezieller Kleber härtet um die gefrorene Schneeflocke aus, die ganz langsam verdampft - zurück bleibt ein sichtbarer Abdruck. Durch das Testen diverser Klebermischungen gelang es Thomas Hoffmann, die Schneeflocken immer feiner abzubilden. Seitdem wächst die Flockensammlung.
Einmalig sind die konservierten Schneeflocken von der MOSAiC-Expedition 2019. Denn Thomas Hoffmann zählt zu den wenigen Menschen, die am Nordpol einen Winter verbracht haben. Zehn Monate war er Teil der Crew des Expeditionsschiffs und sammelte nebenbei Schneeflocken.
Schneeflocken machen Wissenschaft und Forschung sichtbar
Der Nachteil der kleinen verewigten Schneeflocken: Um die feinen Details sehen zu können, muss man sie durch ein Mikroskop betrachten. Helene Hoffmann kam daher die Idee, deutlich größere Querschnitte von Eisbohrkernen aus ihrer Forschung haltbar zu machen. So lieferte sie die meterlangen Eisstäbe aus mehreren hundert Metern Tiefe Arktiseis, und Thomas Hoffmann verwandelte sie mit seinem handwerklichen Geschick in eine Lichtinstallation.
Der Aufbau zeigt den Übergang von frischen Schneeflocken zu 200.000 Jahre altem Arktis-Eis. Darin werden sogar kleine Luftblasen sichtbar, die so alt sind wie das Eis selbst. Helene Hoffmann forscht an genau diesen Lufteinschlüssen, um zu verstehen, wie die Erdatmosphäre vor Tausenden von Jahren zusammengesetzt war.
Thomas und Helene Hoffmann vor ihrer Kunstinstallation "Under Pressure", die den Lebenszyklus des Eises darstellt.
Verbindung von Kunst und Wissenschaft
Nicht nur das Eis dient der Wissenschaft: Zu jeder Schneeflocke gibt es umfassende Datensätze. Damit können laut Thomas Hoffmann allerdings nur Expertinnen und Experten etwas anfangen, und das sind wenige. Um ihre Faszination zu teilen, haben sie das Projekt "Cryosity" gestartet. Auf Deutsch: eine Mischung aus Eis und Neugierde. Mit der Sammlung an Kunstobjekten wollen sie für die Schneeflocken und altes Eis begeistern, aber auch eine Brücke zwischen harten Fakten der Klimaforschung und der vergänglichen Schönheit der Natur schaffen.
Thomas Hoffmann war kürzlich wieder auf der Station am Südpol und konnte nicht widerstehen - in seiner Freizeit hat er fleißig Eiskristalle gesammelt. Diesmal keine Schneeflocken, sondern Auswüchse aus einer Schneehöhle. Ideen, was aus den jüngsten Sammlungsstücken werden soll, haben seine Frau Helene und er schon viele. Dennoch bleibt es in erster Linie ihre Freizeitbeschäftigung, müssen die beiden zugeben, denn sie haben beanspruchende Jobs.
Wer beim nächsten Schneefall selbst einmal eine Schneeflocke konservieren möchte, der nimmt am besten einen Pinsel zur Hand, denn mit dem lässt sich die Flocke leichter fangen und auf ein Glasblättchen bewegen. Ein Tropfen sehr kalter Sekundenkleber fixiert die Flocke. Zur Versiegelung kommt dann ein weiteres Glasplättchen obendrauf. Nach zwei Tagen im Gefrierschrank sollte die Schneeflocke so für immer haltbar bleiben.