Ölbohrungen in Alaska erlaubt Bidens Kehrtwende
Zur Empörung von Umweltschützern hat die US-Regierung das "Willow"-Ölbohrprojekt genehmigt. Wie verträgt sich das mit den ehrgeizigen Klimaschutzzielen des Präsidenten?
Kein Bohren nach Öl mehr auf Land, das dem Bund gehört - das hatte Joe Biden im Präsidentschaftswahlkampf versprochen. Neue Bohrplätze für Erdöl und -gas müssten kategorisch verboten werden. Schließlich will Präsident Biden die Treibhausgasemissionen bis 2030 um die Hälfte reduzieren.
Dann erfolgte die 180-Grad-Wende: Am 13. März genehmigte der US-Präsident das umstrittene "Willow"-Projekt, ein Ölbohrvorhaben im Nordwesten Alaskas. Zwar eingeschränkt mit nur drei statt fünf Bohrplattformen, aber es bleibt dabei: Mitten in unberührter Natur plant der ConocoPhillips-Konzern in den nächsten 30 Jahren 600 Millionen Barrel Öl zu fördern und dafür Straßen, Pipelines und Brücken zu bauen.
Ein Lager für Erkundungsbohrungen am geplanten Standort des "Willow"-Ölbohrprojekts in Alaska.
Klimaschützer laufen Sturm
Umweltschützer sind entsetzt, auch Athan Manuel von der Umweltschutzorganisation Sierra Club ist enttäuscht vom "Klimaschutzpräsidenten" Biden. "Wir sind nach wie vor der Meinung, dass diese Regierung die Klimakrise im Blick hat. Kein Präsident zuvor hat mehr für den Kampf gegen den Klimawandel getan - etwa mit dem 'Inflation Reduction Act'", sagt er. Aber die Genehmigung des "Willow"-Projekts untergrabe einen Großteil der guten Arbeit, die der Präsident geleistet habe.
Vor allem junge Klimaschützer laufen nun auf TikTok und anderen sozialen Netzwerken Sturm. Sie fühlen sich betrogen. Schließlich haben sie Biden wegen seiner Klimaversprechen gewählt.
Warum nun also dieser Bruch, der dem Präsidenten einen enormen Glaubwürdigkeitsverlust beschert? Samantha Gross, Expertin für Energiesicherheit beim Brookings Institut, erklärt, die Biden-Regierung hätte das "Willow"-Projekt wegen der langfristigen Pachtverträge ohnehin nicht blockieren können. ConocoPhillips verfüge über diesen Pachtvertrag seit mehr als 20 Jahren. "Die Möglichkeiten für die Biden-Regierung, das Projekt zu stoppen, waren daher begrenzt. Die Administration hatte Sorge, dass ConocoPhillips klagen und gewinnen würde", erklärt sie.
Der "Inflation Reduction Act" der USA ist ein 370-Milliarden-Dollar-Hilfsprogramm, mit dem unter anderem Erneuerbare Energien und die Industrie im Kampf gegen den Klimawandel gestärkt werden sollen. Es ist das bislang größte Subventionspaket der Vereinigten Staaten gegen die Erderwärmung.
Um Gelder aus dem Hilfsprogramm zu erhalten, müssen Unternehmen in den Vereinigten Staaten investieren und produzieren. Die EU reagierte alarmiert: Die Europäische Union befürchtet, dass auch europäische Unternehmen ihre Produktion nach Übersee verlagern könnten, um von den Subventionen zu profitieren.
Biden sitzt in der Klemme
Zudem war der Druck aus Alaska groß. Der Bundesstaat im Nordwesten der USA ist von der Ölindustrie abhängig. Vor allem auch indigene Einwohner sollen "Willow"-Projekt profitieren - zum Beispiel durch Arbeitsplätze. Außerdem geht es für Biden darum, die Energieunabhängigkeit der USA zu sichern und die Energiepreise relativ niedrig zu halten. Schließlich werden mit Benzinpreisen in den USA Wahlen gewonnen.
Die Expertin Gross sagt, der Bedarf an Öl in den USA sei derzeit noch hoch. Wenn das Erdöl nicht in Alaska gefördert würde, dann käme es eben woanders her. Der klimaschädigende Kohlendioxidausstoß bliebe der gleiche. "Viele Argumente gegen das Ölbohrprojekt beziehen sich auf die hohen Treibhausgasemissionen - und die sind natürlich da. Aber die Kritiker gehen von der Annahme aus, dass, wenn es das Projekt nicht gibt, diese Emissionen ausbleiben. Aber das ist nicht der Fall", sagt sie. Um den Bedarf zu decken, werde das Öl woanders produziert.
So oder so: Präsident Biden sitzt in der Klemme. Nachdem er die beiden ersten Amtsjahre überwiegend links-progressive Entscheidungen getroffen hat, rückt er nun immer weiter in die Mitte. Einerseits versucht er, Wirtschaft und Jobs eine hohe Priorität zu geben, andererseits will er jungen Umweltschützern nicht vor den Kopf stoßen. Eine Gratwanderung, die auch angesichts einer erneuten Präsidentschaftskandidatur riskant werden könnte.