San Diego und die Dürre Sprinkler aus, kurz duschen - und entsalzen
In Kalifornien herrscht seit 20 Jahren Dürre. San Diego hat es als einziger Ort im Westen der USA geschafft, den Wasserverbrauch pro Kopf zu senken - durch Anreize und eine Aufbereitungs-Anlage.
Üppige Sukkulenten, stachelige Palmen, Kakteen, Magnolien-Sträucher - Nancy und Ken Cavanah haben sich Arbeitshandschuhe übergestreift: Die meisten einheimischen Pflanzen, die die beiden in ihrem Vorgarten gepflanzt haben, hinterlassen sonst mit ihren Dornen deutliche Spuren. Sie schneiden ein paar trockene Äste ab, lesen verwelkte Blätter auf. Immerhin: "Es ist alles ziemlich pflegeleicht. Wir müssen nicht gießen. Das macht es einfach", freut sich Ken Cavanah. Ein Garteneinsatz pro Monat reiche aus.
Der Bungalow mit Garagenanbau ist Nancys Geburtshaus und steht in einer typischen US-amerikanischen Vorstadt-Straße. Die Vorgärten adrett gepflegt und - von dem der Familie Cavanah mal abgesehen - alle ziemlich einheitsbraun vertrocknet, verbrannt. Vor neun Jahren hat das Ehepaar entschieden: Das Gras vor der Tür muss weg, es brauchte einfach zu viel Wasser. Ein Angebot der Region San Diego kam da gerade recht: 43 Dollar Bonus pro erneuertem Quadratmeter Garten zahlt die heimische Wasserbehörde für Wassersparmaßnahmen.
Ken Cavanah pflegt den Garten mit Hingabe - auch wenn einmal gießen pro Monat völlig ausreiche, wie er versichert.
Also wurden aus 160 Quadratmetern Wiese eine dürreresistente bunte Gartenlandschaft mit Mulchbeeten, die optisch viel besser in die Umgebung passt als der Kunstrasen gegenüber. Und die vor allem nicht gegossen werden muss, weil die einheimischen Pflanzen sehr genügsam sind. Die Umwandlung lohnte sich: Nur 50 Dollar haben sie nach eigenen Angaben aus eigener Tasche gezahlt - für einen echten Hingucker vor der Haustür.
Jetzt machen sie Werbung für das Projekt in der Nachbarschaft, bieten Hilfe beim Ausfüllen der Anträge an. Und wenn irgendwo ein Nachbar unachtsam den Rasensprenger laufen lässt, wird Nancy Cavanah auch schon mal ungemütlich: "Ich habe eine Mission! Ich denke, wir müssen gemeinsam den Planeten retten!"
Bilder aus dem All zeigen das Ausmaß
Die US-Raumfahrtbehörde NASA hat gerade neue Bilder veröffentlicht: Lake Mead, der größte Stausee der Vereinigten Staaten, gespeist aus dem Colorado-River, aus dem All betrachtet. Oder besser das, was davon übrig ist: In den vergangenen 20 Jahren ist der Wasserspiegel um 42 Meter gefallen. Ein breiter weißer Badewannenrand ist erkennbar.
Der Westen der USA leidet seit 20 Jahren an einer Mega-Dürre. Im vergangenen Jahr wurde zum ersten Mal die Wasserzuteilung an die Bundesstaaten Arizona und Nevada reduziert.
Und San Diego in Kalifornien, ganz unten an der Grenze zu Mexiko, musste sich im Kampf gegen den Wassermangel etwas einfallen lassen. Herausgekommen ist ein ganzes Maßnahmenpaket, bei dem Stadtverwaltung, Wasserbehörden und die Bürgerinnen und Bürger an einem Strang ziehen.
Um die 3,3 Millionen Einwohner der Region zu motivieren, sich zu beteiligen, gibt es finanzielle Anreize, um etwa auf wassersparende Duschköpfe und oder Toiletten umzustellen. Mehr als 600.000 Haushalte haben sich bislang dafür gemeldet - darunter auch die Cavanahs mit ihrem Vorgarten-Projekt. 400 Hektar Fläche wurden so wieder für mehr Biodiversität freigegeben.
Beratung statt Strafen
Leslie Payne von der Wasserbehörde geht mit ihren Kolleginnen und Kollegen regelmäßig durch die Straßen und klingelt, wenn sie irgendwo eine Wassersprinkleranlage laufen sieht. Aber nicht, um eine Strafe auszusprechen, obwohl sie das rechtlich dürfte: Rasen sprengen ist in San Diego nur noch dienstags und freitags abends erlaubt.
Payne setzt stattdessen auf Bildung. Sie erklärt geduldig, wie die Leute Wasser sparen können: Sprinkler aus, nur kurz duschen, Hahn zu beim Zähneputzen, Kurzprogramm an der Waschmaschine, Regentonnen aufstellen. Die Liste der Möglichkeiten ist lang.
Und so klein die einzelnen Maßnahmen scheinen, sie zeigen offenbar Wirkung. Die Großregion San Diego hat es geschafft, den Pro-Kopf-Wasserverbrauch in den vergangenen Jahren deutlich zu senken: von 750 Liter pro Tag auf weniger als 500 Liter. Obwohl die Stadt konstant wächst und obwohl die Hitze- und Dürreperioden stetig länger andauern.
Doch so stolz die Wasserbehörde auf das bisher Erreichte ist: Einzig Trink- oder Grundwasser einzusparen, reicht bei weitem nicht mehr, um die wachsenden Städte an der US Westküste zu versorgen.
Aufwändige Entsalzung
Vor den Toren San Diegos ist direkt am Pazifik deshalb die zweitgrößte Entsalzungsanlage der westlichen Hemisphäre entstanden. Nur in Dubai steht eine größere Süßwasserfabrik.
190 Millionen Liter Meerwasser werden in San Diego jeden Tag zu Trinkwasser für die Region aufbereitet. Dafür wird das Salzwasser in riesigen Rohren angesaugt und dann durch viele Filter in immer kleinen Rohren gepresst - 16.000 insgesamt. Umgekehrte Osmose heißt das Verfahren.
"Ich könnte jetzt noch da draußen im Ozean surfen und zwei Stunden später wäre diese Welle dann entsalzt und käme bei mir zu Hause aus dem Wasserhahn", erklärt Nathan Faber begeistert. Der leitende Ingenieur der Wasserbehörde ist in San Diego aufgewachsen und damit auch mit der immer größer werdenden Wasserknappheit.
Um eine Großstadt wie San Diego zu versorgen, sind große Entsalzungsanlagen erforderlich - diese gibt der Stadt eine Perspektive über Jahrzehnte.
Entwarnung bis 2045
Zehn Prozent der gesamten Wasserversorgung stammen derzeit aus der Entsalzungsanlage, bis 2035 sollen 40 Prozent des Trinkwassers aus aufbereitetem Salzwasser stammen. "Ein Stresstest hat ergeben, dass wir so genügend Wasser bis 2045 und vielleicht sogar noch länger haben. Wir haben viel in die Lagerung, die Entsalzung und die Wiederverwendung von Gebrauchswasser investiert", sagt Faber und gibt sich gelassen. Umweltschützer kritisieren allerdings den hohen Energieaufwand für das Entsalzen - und die Folgen der Übersalzung, wenn Wasser im Zuge der Osmose ins Meer zurückgepumpt wird.
Investiert hat die Stadt San Diego auch in die lückenlose Überwachung der Kanalisation: Mehr als 500 Kilometer Rohrleitungen wurden mit Sensoren ausgestattet, die bei Lecks schnell Alarm geben, bevor Wasser versickern kann.
Faber ist überzeugt, dass die Maßnahmen der Stadt gut ineinandergreifen. Die Bewohnerinnen und Bewohner San Diegos leisten der Trockenheit mit diesen kleinen Maßnahmen jedenfalls erfolgreich Widerstand - es bleibt ihnen auch gar nichts anderes übrig.
San Diego in Kalifornien liegt an der Grenze zu Mexiko.