US-Recht auf Waffenbesitz Warum Veränderungen so schwierig sind
Wieder tobt in den USA die Debatte um das verfassungsmäßig garantierte Recht auf Waffenbesitz. Nach den Schießereien in Buffalo und Uvalde werden im Senat Verschärfungen diskutiert. Einschneidende Maßnahmen sind nicht zu erwarten.
Die Gelegenheit wollte er sich nicht entgehen lassen: Unmittelbar nach dem Schusswaffenattentat an der Robb Elementary School reiste Senator Ted Cruz, der Texas im Kongress vertritt, im texanischen Uvalde an. Um zu kondolieren, vor laufenden Kameras. Womit Cruz, ein rechter Hardliner, nicht rechnen konnte, waren die bohrenden Fragen eines ausländischen Journalisten.
"Warum passiert das immer nur in Amerika?"
"Warum passiert das immer nur in Amerika?", fragte der britische Journalist. Und er hakte nach: "Warum ist die amerikanische Einzigartigkeit so schrecklich?" Kein US-amerikanischer Journalist würde je den "American Exceptionalism" in Frage stellen. Und so wollte sich Cruz mit einem lapidaren "Tut mir leid, dass Sie das so empfinden" aus der Affäre ziehen.
Doch der britische Reporter ließ nicht locker: "Sie haben keine Antwort darauf!" Doch Cruz hatte eine: Menschen aus aller Welt würden sich in das "freieste, wohlhabendste und sicherste Land der Welt" sehnen.
Der Schlagabtausch ist geradezu ein Bilderbuchbeispiel für den Waffenrechtsdiskurs in den USA. Der republikanische Berufspolitiker Cruz, ein bewährter Vorkämpfer derjenigen, die das Recht auf Waffenbesitz für unantastbar halten, will sich als mitfühlender Volksvertreter in Szene setzen. Und die gute Gelegenheit nutzen, dem politischen Gegner vorzuwerfen, er politisiere eine Tragödie.
Einziger Schutz: "Ein Good Guy mit einer Waffe"
Dass das Waffenthema aber doch ein hochpolitisches ist und man damit erfolgreich auf Stimmenfang gehen kann, demonstrierte Cruz dann wenige Tage später. Er trat als Redner bei der National Rifle Association auf, kurz NRA, der US-Waffenlobby. Andere geladene Gäste hatten wegen der zeitlichen Nähe zu Uvalde abgesagt.
Cruz rief den Waffenlobbyisten genau das zu, was die hören wollten: "Wenn die Linken Amerika entwaffnen, dann werden viel mehr alleinerziehende Mütter in U-Bahnen angegriffen, vergewaltigt oder ermordet." Denn das ist das Mantra der Waffenlobby: Waffen dienen primär der Selbstverteidigung, mit Waffen lassen sich Straftaten verhindern. "Der einzige Schutz vor einem Bad Guy mit einer Waffe ist ein Good Guy mit einer Waffe", so Cruz.
Cruz und die überwiegende Mehrheit der republikanischen Partei sind davon überzeugt, dass Waffengegner die ganze Hand nehmen, wenn man ihnen den kleinen Finger reicht. Deshalb wäre schon die kleinste Einschränkung des von der Verfassung garantierten Rechts auf Waffenbesitz ein erster Schritt zur kompletten Entwaffnung.
Höhere Verkaufszahlen seit Pandemiebeginn
Seit Beginn der Coronavirus-Pandemie sind die Waffenkäufe in den USA in schwindelerregende Höhen geschossen. Auf die Frage, warum sie ein militärisches Sturmgewehr benötigen, antworten die Käufer solcher Waffen: "Weil wir uns damit am effektivsten gegen die Regierung zur Wehr setzen können."
Es verschmelzen Waffenkult und eine der gängigen Verschwörungerzählungen in den USA: Regierungsbürokraten wollen langfristig die freien Bürgerinnen und Bürger versklaven. Daher wollen sie kurzfristig den Zugang zu Waffen erschweren, um Amerika dann komplett zu entwaffnen. Republikaner wie Cruz stimmen nur allzu gern ein. Und auch Donald Trump hat diese Klaviatur meisterhaft bespielt.
Ein argumentativer Teufelskreis
Es grenzt an ein Wunder, dass Demokraten und Republikaner im Senat nun offenbar für ein kleines Maßnahmenpaket zusammen gefunden haben. Was genau parteiübergreifend mehrheitsfähig war, ist noch unklar. Möglicherweise das Anheben des Mindestalters für Waffenkäufe von 18 auf 21 Jahre. Die Todesschützen von Uvalde und Buffalo waren beide gerade 18 geworden, als sie legal ihre Mordwaffen erwarben.
Unwahrscheinlich ist dagegen, dass es zu einem generellen Verbot von militärischen Schnellfeuergewehren kommt. Oder schärferen Background-Checks für Waffenkäufer. Vermutlich werden die Republikaner durchsetzen, dass mehr Geld in den Schutz von Schulen gesteckt wird: für Wachpersonal, Metalldetektoren, Waffen für Lehrer.
Denn auch so wird von der Waffenlobby argumentiert: Verbote bringen nichts, denn manche werden immer Wege finden, sich zu bewaffnen. Dagegen müsse man sich schützen: auch mit Waffen. Es ist ein argumentativer Teufelskreis.
Erfolgreicher Beschluss der Clinton-Regierung
Dass Einschränkungen durchaus Wirkung erzielen, beweisen die Erfahrungen mit dem Bann für Sturmgewehre, den die Regierung von Bill Clinton für den Zeitraum von 1994 bis 2004 erlassen hatte. Während dieses Zeitraums war das Risiko, in den USA im Kugelhagel eines Attentäters ums Leben zu kommen, um 70 Prozent geringer als davor und danach.
Doch solange das Misstrauen der Waffenbesitzer bleibt, dass es langfristig doch um die komplette Entwaffnung des Landes geht - solange bleibt eine wirkungsvolle Reform des Waffenrechts wohl ein frommer Wunsch.