
Arabische Liga berät über Gazastreifen Wiederaufbau in nur drei Jahren?
US-Präsident Trump fabuliert davon, den Gazastreifen ohne Palästinenser zur "Riviera des Nahen Ostens" zu machen. Die Staaten der Arabischen Liga haben andere Vorstellungen, über die heute auf einem Sondergipfel beraten wird. Sind sie umsetzbar?
Auf der Webseite einer regierungsnahen ägyptischen Zeitung steht ein mit Musik untermalter Film: Dutzende Bulldozer fahren über sandige Pisten in den Gazastreifen, vorbei an Trümmerbergen. Die Räumfahrzeuge sind mit ägyptischen und katarischen Flaggen geschmückt. Jubelnde Menschen winken den Fahrzeugen zu: "Willkommen im nördlichen Gazastreifen, willkommen zum Wiederaufbau."
Die Botschaft des Videos ist klar: Die arabischen Länder, allen voran Ägypten, bauen Gaza wieder auf und werden dafür von der palästinensischen Bevölkerung gefeiert.

Was wird aus dem Gazastreifen? Diese Frage dürfte auch viele Gespräche beim Fastenbrechen im Ramadan beherrschen - wie hier in Gaza-Stadt.
UN-Schätzungen: 50 Millionen Tonnen Trümmer
Um den zerstörten Küstenabschnitt am Mittelmeer wiederaufzubauen, sind indes gewaltige Anstrengungen erforderlich. Israels Bomben haben als Antwort auf den brutalen Angriff der Hamas größtenteils Schutt und Asche hinterlassen: Krankenhäuser, Schulen, Wohngebäude liegen in Trümmern.
Immer wieder fällt der Vergleich mit Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach UN-Schätzungen müssen 50 Millionen Tonnen Beton und andere Trümmer weggeschafft werden.
In Ägypten wird jetzt ein Plan besprochen, wie der Gazastreifen in mehreren Stufen wieder aufgebaut werden soll. Der ägyptische Premierminister Mustafa Madbouly sagte vor kurzem bei einer Pressekonferenz. "Was den Wiederaufbau und die Entwicklung vom Gazastreifen angeht, sind wir vielleicht in der Lage, es besser als vor der Zerstörung zu machen."
Drei Jahre, so der Premierminister, sollten dafür reichen. Experten hingegen schätzen, allein der Abtransport der Trümmer könnte mehrere Jahre dauern.

In Gaza-Stadt sind vertriebene oder obdachlos gewordene Palästinenser in einem Zeltdorf untergekommen. Wie lange sie dort bleiben werden, weiß derzeit niemand.
Kosten für den Wiederaufbau noch unklar
Wieviel der Wiederaufbauplan kosten würde, dazu sagte Madbouly nichts. Ein großer ägyptischer Bauunternehmer spricht von 27 Milliarden Euro. Mitfinanzieren sollen die Pläne die Golfstaaten und die EU.
Bevor Wohngebäude und Krankenhäuser aufgebaut werden können, muss die Infrastruktur - Straßen, Wasserleitung - wieder hergestellt werden. Der Politikwissenschaftler Mohammed Ezz al Arab vom Ahram Forschungszentrum in Kairo unterstreicht noch einen weiteren Punkt: "Ägypten hat vorgeschlagen, Wohncontainer aufzustellen. Auch Bildungseinrichtungen und die Gesundheitsversorgung sollen für den Übergang bereitstehen, damit das Leben in den Gazastreifen zurückkehren kann und die Leute im Land bleiben können, anstatt vertrieben zu werden - so wie Trump es vorschlägt."
Schon jetzt stehen Lkw-Ladungen mit Wohncontainern und Zelten am ägyptisch-israelischen Grenzübergang bereit. Eine Einfuhrgenehmigung von Israel gibt es dafür bislang in den meisten Fällen nicht.
Wiederaufbau mit den Palästinensern - nicht ohne sie
Zum Kernstück des ägyptischen Plans: Die mehr als zwei Millionen Palästinenser und Palästinenserinnen sollen im Gazastreifen in sogenannten Sicherheitszonen in ihrem Land bleiben. Die Idee von US-Präsident Donald Trump, die Palästinenser nach Ägypten und Jordanien umzusiedeln, lehnt die Arabische Liga vehement ab, genauso wie die direkten Nachbarn der palästinensischen Gebiete.
Der jordanische König Abdallah sagte nach seinem Besuch bei Trump in Washington Mitte Februar. "Seit 25 Jahren sage ich Nein zur Vertreibung und Nein zu einer alternativen Heimat."
Der ägyptische Präsident Abdel Fattah Al-Sissi betonte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Spaniens Premierminister Pedro Sanchez, der Vorschlag aus den USA verstoße gegen das Völkerrecht. Man sei sich einig, wie wichtig es ist, den Friedensprozess wiederzubeleben - "ein Prozess, an dessen Ende im Einklang mit internationalem Recht ein palästinensischer Staat steht".
Wer verwaltet den Gazastreifen?
Ägypten und Jordanien wollen zum Eigenschutz nicht, dass Palästinenser umgesiedelt werden. Wirtschaftlich sind die Nachbarländer nicht in der Lage, noch mehr Menschen aufzunehmen und zu versorgen.
Beide Länder sind aber abhängig von US-Finanzhilfen. Der Druck ist also groß, einen realisierbaren Alternativplan für den Wiederaufbau von Gaza vorzulegen. Und zwar ohne, dass die Terrororganisation Hamas dabei eine Rolle spielt.
Für den Wiederaufbau braucht es aber einen Partner im Gazastreifen genauso wie Arbeitskräfte. Der ägyptische Plan sieht dafür ein palästinensisches Komitee vor. Einzelheiten dürften in Kairo besprochen werden.
Klar ist: Ein paar Dutzend Bulldozer werden für den Wiederaufbau nicht reichen.
Im Gaza-Krieg haben sich vor allem fünf Staaten um eine gemeinsame und koordinierte Haltung bemüht. Zum einen Israels Nachbarstaaten Ägypten und Jordanien - die betroffen wären, wenn Pläne umgesetzt würden, hunderttausende Palästinenser aus dem Gaza-Streifen umzusiedeln.
Zum anderen sind es die reichen Golfstaaten Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate, die vermutlich einen guten Teil der Kosten für den Wiederaufbau des Gaza-Streifens übernehmen würden.
Gemeinsam vertreten die Staaten der Arabischen Liga die Haltung, dass die Palästinenser ein Anrecht auf ihr Land im Gazastreifen und im Westjordanland haben. Das Ziel müsse ein unabhängiger palästinensischen Staat sein, also eine Zweistaatenlösung. Für viele arabische Staaten ist das eine Bedingung für die Aufnahme von Beziehungen mit Israel.
Seit ihrer Gründung ist der Nahost-Konflikt das zentrale Thema der Arabischen Liga. Als Ägypten 1979 Frieden mit Israel schloss, wurde das Land zehn Jahre lang aus der Organisation ausgeschlossen und das Hauptquartier der arabischen Liga wurde von Kairo nach Tunis verlegt.
Inzwischen ist der Sitz der Organisation wieder in Ägypten, wo auch der Sondergipfel zum Wiederaufbau des Gaza-Streifens stattfindet.
Moritz Behrendt, ARD-Studio Kairo