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Ukraine-Treffen in Paris Scholz "irritiert" über Friedenstruppen-Diskussion
Sollen deutsche Soldaten einen möglichen Frieden in der Ukraine absichern? Kanzler Scholz hält diese Debatte für verfrüht und "höchst unangemessen". Andere europäische Staaten sehen das jedoch anders.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Diskussion über eine europäische Friedenstruppe erneut als "völlig verfrüht" zurückgewiesen. "Ich bin sogar ein wenig irritiert über diese Debatten, das will ich ganz offen sagen", sagte er nach dem Ukraine-Gipfel in Paris.
Hier werde über die Köpfe der Ukrainer hinweg über mögliche Ergebnisse von Friedensgesprächen diskutiert, die noch nicht stattgefunden haben. "Das ist höchst unangemessen, um es ganz offen und ehrlich zu sagen."
Es sei eine "unpassende Debatte zur falschen Zeit und über das falsche Thema", sagte Scholz. "Wir sind noch nicht beim Frieden, sondern mitten in einem brutal von Russland vorgetragenen Krieg, der ohne Rücksicht weiter vorangetrieben wird."
Andere Länder für Friedenstruppen
In der Frage ist Europa jedoch gespalten. Großbritanniens Regierungschef Keir Starmer hatte zuvor erklärt, sein Land sei "bereit und willens", Soldaten in das von Russland angegriffene Land zu entsenden. Auch die Niederlande und Schweden zeigten sich dafür offen.
Polen plant keine Entsendung von Soldaten - unterstützt aber den Ansatz Macrons und Starmers. Vor seinem Abflug nach Paris sagte Polens Regierungschef Donald Tusk: "Wir haben nicht vor, polnische Truppen in die Ukraine zu schicken, aber wir werden die Länder, die in Zukunft solche Garantien geben wollen, auch logistisch und politisch unterstützen."
Der französische Präsident Emmanuel Macron treibt das Thema einer europäischen Friedenstruppe schon länger voran. Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot berichtete vor dem Gipfel nun von sehr konkreten Gesprächen "auf verschiedenen Ebenen" dazu.
Scholz betonte, dass er grundsätzlich gegen die Entsendung einer Friedenstruppe ohne Beteiligung der USA sei. "Es darf keine Aufteilung der Sicherheit und der Verantwortlichkeit geben zwischen Europa und den USA", sagte er. Die NATO beruhe darauf, immer gemeinsam zu handeln und das Risiko zu teilen. "Das darf nicht infrage gestellt werden."
EU bei Verhandlungen außen vor
US-Präsident Donald Trump hatte am vergangenen Mittwoch ein anderthalbstündiges Telefonat mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin geführt - ohne sich vorher mit den Europäern abzustimmen. Im Anschluss erklärte Trump, er habe mit dem Kremlchef einen "unverzüglichen" Beginn von Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine vereinbart.
Dies weckte bei westlichen Verbündeten die Befürchtungen, sowohl die Ukraine als auch die europäischen Partner würden von den Ukraine-Gesprächen ausgeschlossen. Der Gipfel wollte dazu dienen, eine gemeinsame Linie mit Blick auf den Kurswechsel der US-Politik im Ukraine-Krieg zu finden.
Neben Scholz nahmen daran unter anderem auch die Regierungschefs aus Großbritannien, Italien und Polen teil. Auch NATO-Chef Mark Rutte und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen waren dabei. Aus anderen EU-Staaten, wie etwa Slowenien, kam Kritik daran, dass sie nicht an den Gesprächen teilnehmen konnten.
Gespräche in Riad beginnen bald
US-Außenminister Marco Rubio und ranghohe Vertreter Russlands wollen ab Dienstag in Saudi-Arabien darüber sprechen - jedoch ohne Beteiligung der Ukraine oder anderer europäischer Vertreter.
Dem US-Ukraine-Beauftragten Keith Kellogg zufolge wird aber niemand dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ein Friedensabkommen aufzwingen. Die Entscheidung darüber werde Selenskyj zusammen mit dem ukrainischen Volk treffen, sagte Kellogg im NATO-Hauptquartier in Brüssel.
Mit Blick auf die fehlende Beteiligung der Europäer sagte er, die Diskussionsbeiträge von allen würden Gehör finden. Allerdings sei es nicht sinnvoll, wenn alle für ein Friedensabkommen mit am Tisch säßen.
Scholz will EU-Schuldenregeln lockern
Mit Blick auf ein anderes wichtiges Streitthema - die Rüstungsausgaben - sprach sich Scholz für eine Lockerung der Ausgabenregelungen innerhalb der EU aus.
Er habe auf europäischer Ebene vorgeschlagen, den einzelnen Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang größere Spielräume einzuräumen, sagte er. Dafür müssten die Schuldenregeln der EU flexibler gestaltet werden.
So sollten etwa keine Verfahren gegen Staaten eingeleitet werden, wenn diese mehr als zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben, dadurch aber EU-Richtlinien verletzen.
Mehr Spielraum bei Schuldenbremse gefordert
Auch für die deutsche Politik forderte er mehr Spielraum - und mehr Geld: "Es ist ganz klar, dass unsere fortgesetzte und weiter notwendige Unterstützung für die Ukraine nur möglich ist, wenn wir uns entschließen können, das gesondert zu finanzieren", sagte Scholz. Eine Finanzierung durch Kürzungen an anderer Stelle im Bundeshaushalt würde scheitern und keine Unterstützung in der Bevölkerung finden.
Er betonte, dass Europa weiter an der Seite der Ukraine stehe und diese sich auf weitere Hilfen verlassen könne. Es sei wichtig, dass Kiew eine eigene, starke Armee unterhalten könne und in der Lage sei, seine Souveränität und seine Demokratie zu verteidigen. Es dürfe aber keinen "Diktatfrieden" geben. Diese Dinge seien nicht verhandelbar.