Der britische Premierminister Keir Starmer.

Southport-Attentat Starmer räumt Versäumnisse ein

Stand: 21.01.2025 17:29 Uhr

Hätte der Messerangriff in Southport, bei dem drei Mädchen starben, verhindert werden können? Der geständige Angeklagte war mehrfach von den Behörden überprüft worden. Premier Starmer kündigte eine Untersuchung an.

Als am 29. Juli vergangenen Jahres ein junger Mann in der englischen Stadt Southport in ein Tanzstudio stürmte, zehn Menschen mit einem Messer attackierte und drei kleine Mädchen tötete, verfolgte die ganze Welt das Drama.

Die Polizei nahm einen damals 17-Jährigen fest. Bald gab es Gerüchte über die Identität des jungen Mannes. Rechtsextreme behaupteten in den sozialen Netzwerken, der Tatverdächtige sei ein Asylbewerber, kürzlich als Bootsflüchtling in Großbritannien angekommen.

In Southport und anderen Städten brachen daraufhin tagelange Randale eines gewalttätigen Mobs aus, der Asylunterkünfte und Moscheen angriff und Polizeiautos abfackelte. Mehr als 1.200 Menschen wurden wegen der Unruhen festgenommen und zum Teil zu langen Haftstrafen verurteilt.

Angeklagter legt umfassendes Geständnis ab

Am Montag sollte nun auch dem inzwischen 18-jährigen Attentäter der Prozess gemacht werden. Der junge Mann, als Kind ruandischer Einwanderer im walisischen Cardiff geboren, hatte die Tat bisher abgestritten. Die Justiz hatte sich auf eine längere Beweisaufnahme eingestellt.

Dann die überraschende Kehrtwende: Der Angeklagte gab vor dem Liverpool Crown Court überraschend in allen Anklagepunkten seine Schuld zu - dreifacher Mord, zehn Fälle versuchten Mordes, außerdem habe er das Gift Rizin besessen und ein Al-Kaida-Terror-Trainings-Handbuch.

Angreifer war Behörden seit Jahren bekannt

Mit dem Schuldeingeständnis war ein Prozess hinfällig. Doch dann wurde plötzlich öffentlich, dass Polizei, Jugendgerichte sowie Sozial- und psychiatrische Dienste den Angreifer seit Jahren immer wieder auf dem Schirm hatten.

Nach Schulverweisen und gewalttätigen Übergriffen sei der Teenager drei Mal an Prevent, ein Programm zur Radikalisierungsbekämpfung, verwiesen worden. Doch weil der Teenager keiner für Terrorismus üblichen Ideologie zugeordnet werden konnte, passierte nichts.  

Starmer verspricht Aufklärung

Premierminister Keir Starmer räumte jetzt die Versäumnisse seiner Regierung und der Behörden ein. Man werde sich den drängenden Fragen stellen, warum niemand den Gewalttäter vor der Tat stoppte, sagte Starmer. Eine Untersuchung soll offenlegen, warum die Behörden versagten.

Starmer warnte auch vor einer neuen Art von Terrorismusbedrohung in Großbritannien. Diese gehe ohne ideologische Prägung von "Einzelgängern, Außenseitern, jungen Männern in ihren Schlafzimmern" aus, die extreme Gewalt ausübten. Die traditionelle Definition von Terrorismus müsse überprüft werden. Er werde, falls nötig, Anti-Terror-Gesetze zeitnah anpassen, versprach Starmer.  

Vorwürfe von Rechts zurückgewiesen

Vorwürfe der rechtsgerichteten Reform-Partei von Nigel Farage, die Regierung habe im Fall von Southport "entsetzliche Vertuschung" betrieben, wies Starmer zurück. Man habe viele Details über den Attentäter nicht früher preisgeben dürfen, um den Prozess und damit eine Verurteilung des Täters nicht zu gefährden.

Am Donnerstag will das Gericht die Länge der Haftstrafe verkünden. In Southport, wo die Menschen erst die furchtbare Tat und dann die Ausschreitungen durchleben mussten, hoffen sie auf eine verdiente Strafe:  "Gut dass er gestanden hat. Das erspart den betroffenen Familien hoffentlich noch mehr Leid." 

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag lief am 20. Januar 2025 um 23:34 Uhr im Deutschlandfunk.