Soldaten der ukrainischen Nationalgarde in der Region Donezk an einer Frontlinie inmitten des russischen Angriffs auf die Ukraine.

Ukraine ohne US-Militärhilfe "Wir können erst einmal weiterkämpfen"

Stand: 05.03.2025 11:02 Uhr


Wie lange kann die Ukraine ohne die US-Militärhilfen durchhalten? Beobachter erwarten zwar keinen schnellen Zusammenbruch an der Front - es gibt aber Sorgen in Bezug auf die Flugabwehr.

Von Rebecca Barth, ARD Kiew

Der ukrainische Präsident wehrt sich gegen die Behauptung aus Russland und den USA, nicht bereit zu sein für Friedensverhandlungen. Auf dem Kurznachrichtendienst X macht Wolodymyr Selenskyj Vorschläge. Ein erster Schritt auf dem Weg zu Verhandlungen könne die Freilassung von Kriegsgefangenen und die Einstellung von Luftangriffen mit Raketen und Drohnen sein. Aber auch Russland müsse sich daran halten, betont der ukrainische Präsident.

Das Pausieren der US-Militärhilfen löst in der Ukraine vor allem Wut aus. Und war doch ein Negativszenario, das man erwartet hatte, sagt der ukrainische Abgeordnete Roman Kostenko: Auf so etwas könne man nicht vorbereitet sein. "Aber in letzter Zeit wurde es offensichtlich, dass die Verschlechterung unserer Beziehungen zu solchen Konsequenzen führen könnte", so Kostenko.

"Wir haben noch Munitionsvorräte und können erst einmal weiterkämpfen. Aber natürlich hoffen wir jetzt, dass die Werte, die unsere Partner die ganze Zeit über verteidigt haben, und die Werte, für die wir hier kämpfen, dazu führen, dass wir auch weiterhin konstruktiv zusammenarbeiten und einander helfen."

Große Herausforderungen ohne das "Patriot"-System

In Bezug auf die Versorgung mit Artilleriemunition befinde sich die ukrainischen Armee in einer vergleichsweise günstigen Lage, sagt Militäranalyst Rob Lee. Der Amerikaner reist regelmäßig in die Ukraine, um die Lage an der Front zu untersuchen. Auch jetzt kommt er gerade von einer Forschungsreise aus dem Osten der Ukraine. Die Ukraine produziere immer mehr Waffen und Munition selbst, und auch Europa könne in Zukunft die Versorgung mit Artilleriemunition zumindest teilweise kompensieren, meint Lee.

"Sollten die HIMARS-Raketen wegfallen, verliert die Ukraine die Möglichkeiten, Ziele in einer Entfernung von mehr als 30 Kilometern hinter der Frontlinie zu treffen", so Lee weiter. "Das ist eine Schlüsselfähigkeit und wäre ziemlich schwer zu ersetzen. Und bei der Flugabwehr wird sich die Frage stellen, ob die Ukraine andere Wege finden kann, um russische ballistische Raketen abzuwehren". Ohne das "Patriot"-System werde das eine große Herausforderung sein.

Während viele Beobachter zwar keinen schnellen Zusammenbruch an der Front im Osten und Süden des Landes erwarten, so machen sich viele doch Sorgen, was die Luftverteidigung betrifft. Jede Nacht greift Russland die Ukraine vor allem mit Drohnen an. Für das amerikanische "Patriot"-System gibt es keinen vergleichbaren Ersatz.

Russen könnten die Situation ausnutzen

Ein Ausbleiben der Hilfe könnte zu mehr getöteten Zivilisten und mehr Angriffen auf die zivile Infrastruktur führen, befürchtet die Abgeordnete Halyna Jantschenko gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: "Wir haben so eine Situation im Prinzip schon einmal durchlebt - vor einem Jahr, als sich das Hilfspaket der USA verzögerte und der Ukraine die Munition ausging. Die Russen wussten das und begannen die Strom- und Heizwerke der Ukraine massiv anzugreifen."

In nur einem Monat sei es den Russen damals gelungen, nahezu die Hälfte der ukrainischen Elektrizitäts- und Heizkraftwerke zu zerstören, sagt Jantschenko.

Selenskyj macht Schritt auf Trump zu

Der ukrainische Präsident drückt derweil Bedauern aus: Das Treffen im Weißen Haus sei nicht so verlaufen wie geplant, schreibt Wolodymyr Selenskyj und macht damit einen ersten Schritt zu auf Donald Trump. Denn der hat noch weitere Möglichkeiten, die Ukraine unter Druck zu setzen. So ist die ukrainische Armee zu großen Teilen abhängig von amerikanischen Geheimdienstinformationen und nutzt zur Kommunikation an der Front das Satellitennetzwerk Starlink von Elon Musk.