Europa in Sorge Was wäre, wenn Trump wieder Präsident wird?
Europa muss sich mit dem Gedanken beschäftigen, dass Trump erneut Präsident der USA werden kann. Was würde das für die NATO und die europäische Verteidigung bedeuten? Und was für die Ukraine? Oder kommt es vielleicht doch ganz anders?
Was wäre, wenn? Die Frage hört man in Brüssel gerade sehr oft, auf den Fluren der EU-Kommission, in den Abgeordnetenbüros, bei Pressekonferenzen. Die Vorstellung, dass Donald Trump ein zweites Mal US-amerikanischer Präsident werden könnte, löst meistens Panik oder Fassungslosigkeit aus. Oder ein flehendes Nicht-schon-Wieder! Bei jenen, die sich noch erinnern, wie Trump in seiner ersten Amtszeit über die Europäer lästerte und die NATO am liebsten abschaffen wollte.
Emmanuel Macron empfahl kürzlich Gelassenheit im Umgang mit Trump. "Ich folge da immer derselben Philosophie", vertraute Frankreichs Präsident Journalisten an, "ich nehme die Staatschefs so, wie die Völker sie mir schicken." Immerhin musste Macron zugestehen, dass es ein Auf und Ab war mit Trump. Die anbiedernden Umarmungen, das ständige Schulterklopfen mit der Botschaft, dass da zwei Staatenlenker gut miteinander können - die Strategie des Franzosen ging nicht auf.
Trump tat einfach nicht, was Macron wollte. Nicht im syrischen Bürgerkrieg, nicht beim Austritt aus dem Klimaabkommen, nicht bei den Strafzöllen für Stahl und Aluminium. Und Präsidentengattin Brigitte Macron musste sich von Trump anhören, sie sei ja doch in guter Verfassung, "in such good physical shape" - ein Kompliment, das in Frankreich keines ist.
Werden die USA noch für die Sicherheit Europas sorgen?
Macron ist einer der wenigen EU-Lenker, der sich schon öffentlich über eine mögliche Rückkehr Trumps geäußert hat. Unter Europas Staats- und Regierungschefs gibt es keine abgestimmte Strategie, aber allen ist klar: Washington wird die Ukraine im Krieg gegen Russland dann nicht mehr so unterstützen wie bisher. Und das bedeutet, dass die Amerikaner nicht mehr für die Sicherheit Europas aufkommen werden.
"Es ist nicht fair", rief Trump den Europäern schon 2017 zu, bei seinem ersten Besuch im Brüsseler Hauptquartier der NATO, dass die Steuerzahler der Vereinigten Staaten so viel für die Sicherheit der Europäer leisten, während viele EU-Staaten "große Geldsummen schuldig geblieben sind".
Bleibt der nukleare Schutzschirm der USA für Europa erhalten?
Was damals von den EU-Spitzen noch milde weggelächelt wurde, werden sie jetzt wohl ernstnehmen müssen. Fast die Hälfte der gesamten Militärhilfe für die Ukraine haben die Amerikaner bisher allein bezahlt, das wird Trump ändern wollen. "Wir müssen als NATO-Partner, aber auch als Partner in der Europäischen Union Vorbereitungen treffen", fordert der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler. Es sei nicht besonders klug, sich auf diese Perspektive nicht vorzubereiten, "nur weil sie uns nicht gefällt".
Der Außen- und Sicherheitspolitiker geht zwar davon aus, dass der nukleare Schutzschirm der Amerikaner für Europa erhalten bleibt - das ließen die Trump nahestehenden Thinktanks erkennen. Aber für den Bereich der konventionellen Rüstung sieht Gahler solche Großzügigkeit nicht:
Wir müssen sowieso, unabhängig vom Wahlausgang, sehr viel mehr langfristig aufrüsten, um dieser russischen Aggression effektiv glaubwürdig entgegentreten zu können.
Hoffnung, dass es nicht ganz so schlimm kommt
Dass Europa mehr für die eigene Verteidigung tun muss, ist in Brüssel unbestritten. Aber welche Dimensionen das haben wird, wie viele Milliarden zusätzlich von den nationalen Haushalten aufgebracht werden müssen, die dann woanders fehlen - darüber wird viel geschwiegen.
Und es wird auch gehofft, dass es ganz so schlimm vielleicht doch nicht kommt. Trump kann verlieren, diese Chance sieht man. Und selbst wenn er doch noch einmal den Einzug ins Weiße Haus schaffen sollte, gibt es möglicherweise immer noch Republikaner, die transatlantisch denken.
Baerbock hofft auf Unterstützer der "regelbasierten Ordnung"
Die Option sieht Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock. Im September berichtete die Grünen-Politikerin nach Gesprächen in Washington, sie habe viele Republikaner dort so verstanden, dass es bei allen unterschiedlichen Sichtweisen doch die Einsicht gibt, die Unterstützung der Ukraine sei zentral und wichtig. Weil es dabei auch um die "Unterstützung der regelbasierten Ordnung" gehe.
Ob Trump sich in einem zweiten Mandat interessiert zeigt an der regelbasierten Ordnung und sie darüber hinaus auch einhält - darüber will in Brüssel im Moment niemand Prognosen abgeben.