Kongresswahlen in den USA Den USA geht's gut - Obama nicht
Für US-Präsident Obama steht bei den Kongresswahlen viel auf dem Spiel. Denn verlieren seine Demokraten die Mehrheit im Senat, ist sein politischer Handlungsspielraum äußerst eingeschränkt, sagt ARD-Korrespondentin Tina Hassel.
tagesschau.de: Wie wichtig sind die Zwischenwahlen?
Tina Hassel: Die sind dieses Mal sehr wichtig, weil sie bestimmen werden, welcher Handlungsspielraum Obama in seiner verbleibenden Amtszeit bleibt. Einige Medien sprechen sogar von Schicksalswahlen, denn die Abstimmung ist auch ein Referendum über Obamas Politik der vergangenen sechs Jahre. Für Obama ist es jetzt schon sehr schwer: Der Kongress ist bereits blockiert, Obama kann kaum noch eigene Vorhaben durchsetzen. Deshalb wirkt er auch so ohnmächtig. Mit Blick auf den nächsten Präsidentschaftswahlkampf, der bereits Ende 2015 einsetzen wird, hat Obama faktisch nur noch ein Jahr Zeit, um überhaupt Politik zu machen. Wenn seine Demokraten jetzt die Mehrheit im Senat verlieren, muss sich der Präsident von vielen politischen Projekten verabschieden.
tagesschau.de: Wie eng wird denn das Rennen?
Hassel: Wahrscheinlich wird es sehr knapp und sehr spannend - es gibt sogar einige Beobachter, die glauben, dass am Mittwoch das Ergebnis noch gar nicht hundertprozentig feststehen wird. Die allerneusten Umfragen vom Wochenende gehen allerdings davon aus, dass die Republikaner auch die Mehrheit im Senat schaffen werden und ihre schon existierende Mehrheit im Repräsentantenhaus noch ausbauen können. Die Republikaner benötigen einen Sieg in sechs Staaten für eine Mehrheit im Senat, drei davon - Montana, West Virginia und South Dakota, haben sie sicher. Und auch Iowa tendiert jetzt wohl in Richtung Republikaner.
tagesschau.de: Was sind die Themen dieser Wahl, was bewegt die Amerikaner?
Hassel: Es ist interessant, dass es bei diesen Wahlen kein zentrales Thema gibt. 2006 war es der Irak-Krieg, 2010 die umstrittene Gesundheitsreform, aber in diesem Jahr geht es eher um ein diffuses Gefühl von Bedrohung und Krisen. "Being out of control", - außer Kontrolle - ist hier das Schlagwort, das man immer wieder hört. Das macht sich fest am Chaos in Syrien und im Irak, dem Vormarsch des IS und der Bedrohung, die davon möglicherweise auch für Amerika ausgeht. Auch Ebola spielt eine Rolle - aber ebenfalls unter dem Aspekt der nationalen Sicherheit. Diese Gefühlslage spielt eher den Republikanern in die Hände. Die Demokraten haben versucht, mit der Wirtschaftslage und dem Thema Mindeslohn Wahlkampf zu machen - das war eher erfolglos.
tagesschau.de: Sie sagen, die Sicherheitslage spielt die größte Rolle. Welche Folgen hätte denn eine Niederlage der Demokraten für Obamas Politik?
Hassel: Zunächst einmal muss man feststellen, dass eine Mehrheit der Republikaner im Senat nicht unbedingt eine Fortsetzung der gegenwärtigen Blockadepolitik bedeuten muss. Denn eine solche Konstellation ist historisch nicht ungewöhlich und hat immer wieder beiden Parteien ermöglicht, die Hardliner zurückzupfeifen. In dem Machtwechsel könnte also auch eine Chance liegen.
Mehr Engagement gegen IS, harte Linie gegen den Iran?
Wenn man die einzelnen Politikfelder betrachtet, kann man wohl voraussagen: Nicht durchsetzen wird Obama die geplante Einwanderungsreform. Bei der Steuerreform könnte es dagegen einen Kompromiss geben. Beim Kampf gegen Bedrohungen von Außen - etwa den Islamischen Staat - wird der Druck auf Obama zunehmen. Denn gerade da wird der Präsident ja als zögerlich und planlos wahrgenommen. Hier dürften die Republikaner mehr Engagement fordern - wobei allerdings auch die Republikaner stets die Entsendung von Bodentruppen zum Kampf gegen den IS ausgeschlossen haben. Es dürfte also eher auf eine stärkere Unterstützung der IS-Gegner in Syrien und im Irak hinauslaufen.
Sehr viel komplizierter wird es für Obama, einen Kompromiss mit dem Iran zu erreichen. Die Republikaner haben schon jetzt erklärt, keiner Aufhebung der Sanktionen gegen Teheran zuzustimmen. Da also wird der außenpolitische Spielraum des Präsidenten erheblich eingeschränkt werden.
Obama kann seine Verdienste nicht in Sympathie umsetzen
tagesschau.de: Zur Person Obama: Der Jubel von 2008 ist massiver Ernüchterung gewichen - in Europa und den USA. Vor einigen Tagen erst musste Ex-Präsident Bill Clinton seine eigene Partei - die Demokraten - an Obamas Verdienste erinnern. Welche Bilanz ziehen sie mit Blick auf die letzten sechs Jahre?
Hassel: Ich denke, Bill Clinton hat Recht: Obama hat eine Menge Erfolge vorzuweisen. Überspitzt könnte man sagen: Den USA geht es wieder gut, nur profitiert Obama nicht davon. Die Arbeitslosigkeit liegt bei unter sechs Prozent - Obama hatte über zehn Prozent geerbt. Die Gesundheitsreform hat nach dem Pannenstart gut Fahrt aufgenommen - es ist wirklich eine Sensation, dass über zehn Millionen Amerikaner jetzt staatlich krankenversichert sind. Die US-Wirtschaft wächst deutlich - und auch schneller, als in Europa. Obama hat es geschafft, die Zockerei an der Wall Street einzuschränken und die Anleger besser zu schützen. Das sind alles Punkte auf der Habenseite.
Aber: Eben dieser Aufschwung kommt bei vielen Wählern der Demokraten nicht an. Die Löhne zum Beispiel sind seit 15 Jahren nicht gestiegen. Und das Vertrauen in die Lösungskompetenz der Institutionen insgesamt - aber eben auch speziell in Obama - schwindet. Das beherrscht den Wahlkampf. Deswegen übrigens durfte Obama auch nirgends auftreten. In allen spannenden Staaten haben die Demokraten Michelle Obama oder Bill Clinton als Zugpferd vorgezogen. Zum Vergleich: Obama hat einen Zustimmungswert von 42 Prozent. Bill Clinton hatte damals vor dem Zwischenwahlen trotz aller Skandale einen Wert von 65 Prozent.
Schlechte Zeiten für die Radikalen
tagesschau.de: In die Zukunft gedacht: Wenn die Republikaner wieder deutlich mehr Gewicht bekommen und 2016 vielleicht sogar wieder den Präsidenten stellen, worauf müssen sich dann wir Europäer einstellen?
Hassel: Generell wird es - unabhängig davon, wer die Wahlen 2016 gewinnen wird - wieder eine Bewegung hin zu mehr US-Führung in internationalen Krisen geben. Obamas Wahl war eine Reaktion auf die Politik von George W. Bush, jetzt wird das Pendel wieder zurückschlagen in Richtung "starkes Amerika". Interessant ist übrigens, dass die Republikaner weniger auf die Hardliner setze, die radikale Tea-Party-Bewegung ist von der Parteiführung ja in den Hintergrund gedrängt worden. Bei dieser Wahl werben die Republikaner eher mit Köpfen, die auch Regierungserfahrung haben.
Die Fragen stellte Jan Oltmanns, tagesschau.de