Ostern in Jerusalem Gewalt überschattet Karfreitagsprozession
Freude und Sorge in Jerusalem: Erstmals seit der Pandemie dürfen wieder ausländische Gäste bei der Karfreitagsprozession dabei sein. Doch weil Ostern, Ramadan und das Pessach-Fest auf einen Tag fallen, gibt es Spannungen und Gewalt.
In den frühen Morgenstunden kam es auf dem Gelände der Al-Aksa-Moschee zu Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und der israelischen Polizei. Mehr als 150 Menschen auf palästinensischer Seite wurden verletzt sowie drei Polizisten.
"Jesus war hier und starb hier"
800 Meter davon entfernt, ein großer Parkplatz am Berg Zion, gleich vor der Altstadt: Hunderte Inder treffen sich hier um 8.00 Uhr früh, sie starten gleich ihre Karfreitagsproszession. "Am Karfreitag gehen wir den Kreuzweg außerhalb der Altstadt, wir starten am Berg Zion", sagt Pater Santosh Lobo. "Jeden Samstag beten wir den Kreuzweg an der Via Dolorosa, aber heute kommen alle Inder aus unserer Gegend, die in Israel arbeiten, hierher."
Aus Platzgründen wird also improvisiert, ein Kreuzweg außerhalb der Altstadt. Ein Mann trägt eine Holzlatte, an der jeweiligen Station wird ein Bild der Kreuzwegsstation befestigt. 700 bis 800 Gläubige nehmen an der Prozession teil. Auch Shaled. Sie lebt seit 15 Jahren in Israel. Sie arbeitet wie die anderen Männer und Frauen, die hier sind, in häuslicher Pflege. "Es ist schön hier, weil sich alle Inder versammeln. Wir machen diese Prozession an diesem Heiligen Ort. Jesus war hier und starb hier. Deshalb ist das hier ein guter Ort für die Feier."
Auf dem Parkplatz sind viele große Fahrzeuge der israelischen Sicherheitskräfte. Immer wieder suchen sie - auf dem Weg in die Altstadt - ihren Weg durch die indischen Christen. Wenige Minuten später beginnt die Prozession.
Pilger überall in der Altstadt
Zurück in der Altstadt, an der Via Dolorosa. Diese spanische Familie geht allein von Station zu Station, ohne Gruppe, ohne Prozession. "Wir laufen alleine, nur mit der Familie, das ist entspannter. Wir können uns die Zeit selbst einteilen. Wir haben Ferien in Spanien und sind katholisch, deshalb verbringen wir Ostern hier." Die Mutter meint: "Es ist viel los hier, das finde ich beunruhigend."
Und schon kommt die nächste Pilgergruppe mit Frauen und Männern, die große und kleine Kreuze tragen.
Die große Kreuzwegprozession an der Via Dolorosa wurde in diesem Jahr um eine Stunde vorverlegt. Der Weg, den Muslime nutzen, um für ihr Freitagsgebet zum Tempelberg, den sie Haram-a-Sharif nennen, zu kommen, überschneidet sich ein Stück mit dem Kreuzweg. Um Gedränge zu vermeiden, versuchen die Organisatoren, den Zeitplan zu entzerren.
Ein guter Ort, diese Prozession zu beobachten ist das österreichische Hospiz. Rektor Markus Bugnyar sagt, warum: "Wir sind nicht irgendwo, wir sind mittendrin an der Via Dolorosa, an der dritten Station. Und das ist an einem Karfreitag der place to be, weil man von unserem Areal aus einen sehr guten Blick auf die Kreuzwegprozession hat."
Der Tempelberg liegt am Rand der Altstadt von Jerusalem und gilt Juden und Muslimen, aber auch Christen als bedeutendes Heiligtum. An der Stelle, an der heute der Felsendom steht, soll Abraham, beziehungsweise Ibrahim - Stammvater der jüdischen, christlichen und muslimischen Religionen - von Gott den Auftrag bekommen haben, seinen Sohn Isaak zu opfern. Dadurch sollte Abraham seine Gottesfurcht beweisen. Gott verhinderte dies der Überlieferung zufolge jedoch in letzter Minute und gab sich mit einem Tieropfer zufrieden.
Darüber hinaus ritt nach islamischer Überlieferung der Prophet Mohammed von dieser Stelle aus mit seinem Pferd in den Himmel. Im Jahr 687 (christlicher Zeitrechnung) wurde dort mit dem Bau des Felsendoms begonnen. Zusammen mit der benachbarten Al-Aksa-Moschee und der Kaaba in Mekka zählt er zu den drei wichtigsten Heiligtümern des Islam.
Auch für Juden ist der Ort das wichtigste Heiligtum, weil dort früher zwei jüdische Tempel standen. Der erste Tempel von König Salomon soll im 6. Jahrhundert v. Chr. von den Babyloniern zerstört worden sein. Der zweite wurde um 515 v. Chr. erbaut, von König Herodes umgestaltet und von den Römern im Jahr 70 zerstört. Die Klagemauer am Fuß des Tempelbergs ist der Überrest der ehemaligen westlichen Stützmauer des zweiten Tempels.
Besucherzahl noch nicht auf Vorpandemie-Niveau
Hunderte Gläubige gehen mit Kreuzen betend und singend von Station zu Station. Es sind wieder ausländische Gäste in Jerusalem nach zwei Pandemiejahren. Das Vorpandemie-Niveau wird in diesem Jahr aber nicht erreicht. "Das Heilige Land hat in der Zeit vor Corona jedes Jahr einen neuen Besucherrekord erlebt. Und das war dann sehr schwierig, wenn der Einzelne sehr, sehr lang an den einzelnen Stätten warten musste. Jetzt hat der Besucher den Vorteil, dass er fast allein ist und sich gut einteilen kann, an welchen Gottesdiensten er teilnimmt".
Es ist eine besondere Zeit in Jerusalem, Muslime feiern den Fastenmonat Ramadan, Christen Ostern und das jüdische Pessachfest beginnt an diesem Freitag. Nach den Auseinandersetzungen am Tempelberg an diesem Morgen wächst die Sorge vor weiteren Spannungen.