Nach Papier zum Ampel-Aus FDP-Generalsekretär Djir-Sarai tritt zurück
Nach den öffentlich gewordenen Planungen der Liberalen zum Ampel-Aus tritt FDP-Generalsekretär Djir-Sarai zurück. In einem Statement erklärte er, "unwissentlich falsch" informiert zu haben. Es gibt einen weiteren Rücktritt.
Die Enthüllungen von konkreten FDP-Planungen zum Aus der Ampelkoalition haben personelle Konsequenzen. Gleich zwei enge Vertraute von Parteichef Christian Lindner sind zurückgetreten. Den Anfang machte am späten Vormittag FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.
In einem kurzen Statement sagte er: "Ich habe unwissentlich falsch über ein internes Dokument informiert." Das sei nicht seine Absicht gewesen - denn er habe keine Kenntnis von dem Papier gehabt. "Dafür entschuldige ich mich", so Djir-Sarai.
Djir-Sarai war seit April 2022 Generalsekretär der FDP.
Auch FDP-Bundesgeschäftsführer gibt Amt auf
Kurz danach erklärt auch FDP-Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann seinen Rückzug. In einer schriftlichen Erklärung hieß es, er habe den Verzicht auf sein Amt angeboten. Parteichef Christian Lindner habe das angenommen. Reymann sprach von einer "personellen Neuaufstellung", die er ermöglichen wolle. Die FDP solle "ohne belastende Personaldebatten" in den Wahlkampf gehen.
Djir-Sarai verneinte die Nutzung von "D-Day"-Begriff
Beide reagierten mit ihren Rücktritten auf neue Enthüllungen zu internen Planungen der FDP für ein Ampel-Aus. Schon vor zwei Wochen hatte es Berichte dazu gegeben. Der Tag des Koalitionsausstiegs sei intern als "D-Day" bezeichnet worden, hieß es.
Djir-Sarai hatte bestritten, dass dieser Begriff verwendet wurde. "Das stimmt nicht. Dieser Begriff ist nicht benutzt worden", sagte er damals im Interview mit RTL/ntv. Gestern veröffentlichte die FDP allerdings nach mehreren Medienanfragen ein internes Dokument, in dem mehrfach von "D-Day" die Rede ist. Nach dieser Veröffentlichung sagte Djir-Sarai: "Niemand aus der Führung der FDP kannte das Papier."
FDP-Nachwuchs forderte Rücktritt
Doch innerhalb der FDP war der Druck zuletzt gestiegen. Am Vormittag hatte die Vorsitzende der Jungen Liberalen den Rücktritt des Generalsekretärs gefordert - "um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden". Ein Generalsekretär trage die politische Verantwortung für Inhalt und Ausrichtung der Partei, erklärte die Vorsitzende der Jugendorganisation Franziska Brandmann.
Parteichef Lindner hingegen hatte seinen Generalsekretär kurz vor dem Rücktritt noch verteidigt: "Hier ist ein Papier im Entwurfsstadium, das Mitarbeiter verfasst haben, in die Öffentlichkeit gebracht worden", sagte Lindner zur Rheinischen Post. Djir-Sarai habe es offensichtlich nicht gekannt.
"Idealer Zeitpunkt" für "avisierten Ausstieg"
Das Dokument enthält ein detailliertes Szenario für den Ausstieg der FDP aus der Ampel mit SPD und Grünen. In ihm ist davon die Rede, dass der "ideale Zeitpunkt" für einen "avisierten Ausstieg" aus der Koalition zur Mitte der 45. Kalenderwoche zwischen dem 4. und 10. November liegen könnte. Am 6. November kam es tatsächlich zum Bruch des Bündnisses - indem Kanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Sitzung des Koalitionsausschusses Lindner als Finanzminister entließ.
Das Papier stieß nicht nur wegen seines Inhalts, sondern auch wegen der Wortwahl auf Kritik. In dem Dokument taucht der durch den Zweiten Weltkrieg geprägte Begriff "D-Day" mehrfach auf - als Synonym für den möglichen Zeitpunkt zum Ausstieg aus der Ampel.
Der englische Begriff kann mit "Tag X" übersetzt werden - oder auch "Tag der Entscheidung" meinen. Bekannt ist die Formulierung vor allem im Zusammenhang mit der Landung der Alliierten in der Normandie zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus. Den Auftakt dafür markierte der "D-Day" am 6. Juni 1944. Er steht aber auch für unmenschliches Blutvergießen, Zehntausende Tote und Verwundete.
SPD nimmt Lindner ins Visier
Aus Sicht der SPD bleiben trotz der personellen Konsequenzen noch Fragen offen. Generalsekretär Matthias Miersch bezeichnete den Rücktritt von Djir-Sarai als "durchschaubares Bauernopfer". Der Schritt sei erfolgt, "um die Verantwortung von FDP-Chef Christian Lindner abzulenken", sagte Miersch der Nachrichtenagentur dpa.
"Zunächst wurde die Schuld auf einfache Mitarbeiter geschoben, dann auf den Bundesgeschäftsführer - und nun der Generalsekretär." Scheibchenweise neue Details bekanntzugeben, reiche aber nicht aus. "Die entscheidende Frage bleibt: Welche Rolle hat Christian Lindner selbst in diesen Plänen gespielt?" Eine glaubwürdige Erklärung der FDP-Führung sei überfällig, sagte Miersch.