Bundestagswahl 2025
![Blick in den leeren Plenarsaal im Bundestag. | dpa Blick in den leeren Plenarsaal im Bundestag.](https://images.tagesschau.de/image/8e06196b-84ef-42af-af14-b80576d49d2d/AAABlLF1YMI/AAABkZLrr6A/original/plenarsaal-bundestag-110.jpg)
Abgeordnete Wer den Bundestag verlässt - und warum
Die letzte Plenarsitzung des Bundestags war für eine Reihe von Abgeordneten auch ein Abschied. Manche von ihnen scheiden nach vielen Jahren aus dem Parlament aus. Ein Überblick.
Kevin Kühnert (SPD)
Es ist der Tag der letzten Generaldebatte im Bundestag, Kevin Kühnert hat sich als letzter Redner der SPD auf die Liste setzen lassen. Doch schon eine Stunde vorher kommt der Bundeskanzler zum ehemaligen Generalsekretär in die Fraktionsreihen, um dem 35-Jährigen die Hand zu schütteln. Wenige Minuten später dann folgt FDP-Politiker Wolfgang Kubicki mit ähnlicher Geste. Kühnert wirkt erfreut.
Sein Rückzug aus dem Amt des SPD-Generalsekretärs im Oktober 2024 kam überraschend. Er gab gesundheitliche Gründe an, ebenso wie für den Verzicht auf eine erneute Bundestagskandidatur. Kurz nach seinem Rückzug platzte die Ampelkoalition - ob er es wohl geahnt hatte? Zumindest damit gerechnet.
Sein politisches Talent war bereits im Amt des Juso-Vorsitzenden sichtbar. Der zum linken SPD-Flügel zählende Kühnert trat als Gegner der Großen Koalition auf, für die Olaf Scholz dann im vierten Kabinett Merkel als Vizekanzler stand. Bald kam Kühnert in die engsten Machtzirkel im Willy-Brandt-Haus. Ohne seine Unterstützung wäre Scholz wohl im August 2020 nicht Kanzlerkandidat geworden.
In seiner vorerst letzten Bundestagsrede wird Kühnert sehr grundsätzlich: Parteien hätten "den bundesrepublikanischen Grundkonsens" zu verteidigen, führende Politiker um ihre Überzeugungen zu ringen. Er nennt Adenauer, Brandt, Schmidt, von Weizsäcker und Kohl - und schaut Richtung Merz: "Sie geben das Ringen zunehmend auf."
Peter Ramsauer (CSU)
CSU-Urgestein Peter Ramsauer ist aktuell der dienstälteste Bundestagsabgeordnete - nach 34 Jahren im Parlament, davon vier Jahre als Verkehrsminister unter Bundeskanzlerin Angela Merkel. All die Jahre hat er das Direktmandat im Wahlkreis Traunstein geholt. Darauf ist er stolz.
"Mit 36 kam ich im Bundestag - da dachte ich mir immer von 60- oder 65-jährigen Mitgliedern des Bundestags, was da in Bonn für politische Methusalems rumlaufen", berichtet er im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Genau das habe ihn bewogen, nun im Alter von 70 Jahren rauszugehen. Obwohl er sich jetzt gar nicht wie ein Methusalem fühle.
Ramsauer machte sich im Parlament früher auch durch Zwischenrufe einen Namen. "Ich war ausgerechnet derjenige, der in Bonn vor dem Umzug nach Berlin den allerletzten Ordnungsruf bekommen hat und dann in Berlin den allerersten", erzählte er der "Rheinischen Post".
Als parlamentarischer Geschäftsführer habe er einer Grünen-Politikerin am Rednerpult mal "Sie freches Luder" dazwischen gerufen. Früher hätten andere Maßstäbe gegolten, es habe andere Umgangsformen gegeben. Seine Beschwerde beim Ältestenrat gegen die Rüge blieb aber schon damals erfolglos.
Renate Künast (Grüne)
Quasi über Nacht wurde aus der grünen Berliner Landespolitikerin Renate Künast im Januar 2001 eine Bundesministerin im Kabinett Schröder - der BSE-Skandal hatte ihren Vorgänger Karl-Heinz Funke (SPD) im Landwirtschaftsressort aus dem Amt gespült. In ihre Zeit als Ministerin fällt das Bio-Siegel innerhalb der "Agrarwende" ebenso wie ihr Vorschlag, das Ministerium um das Ressort Verbraucherschutz zu erweitern. Ein Jahr später wurde sie zusätzlich Abgeordnete im Bundestag.
Das Parlament blieb für die schlagfertige Juristin in der Ära Merkel das Wirkfeld, zunächst als langjährige Fraktionsvorsitzende. Dem Verbraucherschutz blieb sie bis zuletzt im gleichnamigen Ausschuss treu - auch, nachdem sie sich zwischendurch erfolglos um das Amt der Regierenden Bürgermeisterin in Berlin (2011) und als grüne Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2013 beworben hatte.
Jetzt sei es Zeit, "Platz für Jüngere zu machen", sagt sie - in ihrer üblichen pragmatischen Art. Diese Entscheidung teilt sie mit ihrem grünen Kollegen Jürgen Trittin, der ebenfalls auf eine lange parlamentarische Wirkzeit zurückschaut, nachdem er Umweltminister im Kabinett Schröder war.
Michael Roth (SPD)
Der russische Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 wurde für den langjährigen SPD-Bundestagsabgeordneten und Außenpolitiker Michael Roth zum politischen Hauptthema der vergangene Jahre. Er war 2021 zum Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses gewählt worden. Hier nahm er kein Blatt vor den Mund, auch nicht, wenn sich seine Meinung von der des SPD-Bundeskanzlers in der Sache unterschied.
Dabei lebte Roth das Dreier-Bündnis aus SPD, Grünen und FDP vor: Gemeinsam mit dem Grünen-Politiker Anton Hofreiter, dem Vorsitzenden des Europa-Ausschusses, und der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, bereiste er als hochrangiger Vertreter des Parlaments die Ukraine im April - weit vor Bundeskanzler Olaf Scholz.
Bereits im März 2024 gab Roth seinen Rückzug zum Ende der Legislatur bekannt. Er ist 54, kein Alter für einen Politiker. Warum macht er denn nicht weiter? "Ich habe ganz jung angefangen mit 28 - für mich war immer klar: Du gehst nicht als Berufspolitiker in Rente", sagte er dem ARD-Hauptstadtstudio.
Rund 27 Jahre Berufspolitik blieben nicht ohne Spuren. Sein Rat an künftige Politiker: "Sensibel bleiben, empfindsam und leidenschaftlich bleiben." Man müsse nicht in jedem Thema der Beste sein. Aber die Menschen müssten spüren, dass man es ernst meine und dass man mit Leidenschaft dabei sei.
Nadine Schön (CDU)
Neben Annette Widmann-Mauz, der Vorsitzenden der Frauen-Union, und Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas verlässt auch CDU-Politikerin Nadine Schön als eine der profilierten Frauen ihrer Fraktion freiwillig das Parlament. Ihr war eigentlich eine Zukunft an der Spitze nachgesagt worden - nicht unwichtig für eine Partei, die chronisch mit der Zahl weiblicher Abgeordneter nicht nur im Bundestag kämpft, sondern auch beim Mitgliederanteil.
Seit 2009 gehörte Schön dem Bundestag an, seit 2014 als stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion. "Eine der erfahrensten Politikerinnen in der Unionsfraktion", schrieb der Spiegel über sie - die sich nun entscheiden habe, mehr persönliche Freiheit gegen Macht und Amt zu tauschen.
Wie viele der Aussteigerinnen und Aussteiger berichtet sie aber auch über das rauere gesellschaftliche Klima, das Politikern entgegenschlägt. Im Jahr 2021 etwa, als sie über einen Listenplatz in den Bundestag nachrückte und in handschriftlichen Briefen als Rabenmutter beschimpft wurde.
Karamba Diaby (SPD)
Der SPD-Bundestagsabgeordnete für Halle (Saale) ist im Sommer 2024 zum Entschluss gekommen, nach drei Legislaturperioden nicht mehr zu kandidieren. Stress, Beleidigungen und öffentliche Hetze führen viele der freiwilligen Aussteigerinnen und Aussteiger aus dem Bundestag mit als Grund an, nicht mehr anzutreten.
Bei Diaby kamen rassistische Angriffe gegen ihn und sein Team noch dazu. Im Jahr 2023 kam es zu einem Brandanschlag auf sein Bürgerbüro in Sachsen-Anhalt. Damals schrieb er in einer Stellungnahme: "Ich lasse mich nicht einschüchtern."
Der aus dem Senegal stammende Abgeordnete wurde 2013 als erster in Afrika geborener Schwarzer in den Bundestag gewählt.
Für den Deutschen Bundestag kandidieren unter anderem nicht mehr: Gesine Lötzsch, Anke Domscheit-Berg und Petra Pau (alle Linkspartei), Cem Özdemir, Ekin Deligöz, Kai Gehring, Sven Christian Kindler, Cordula Schulz-Asche, Canan Bayram, Tobias Lindner (alle Bündnis 90/Die Grünen), Marco Wanderwitz, Hermann Gröhe, Michael Grosse-Brömer (alle CDU), Hans-Peter Friedrich (CSU), Manfred Todenhausen, Claudia Raffelhüschen, Manuel Höferlin (alle FDP), Michelle Müntefering, Niels Annen, Axel Schäfer, Sönke Rix (alle SPD), Christina Baum, Mariana Harder-Kühnel, Albrecht Glaser (alle AfD).
Mit Informationen von Uwe Berndt, ARD-Hauptstadtstudio