Bundestagswahl 2025
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Mit 85,6 Prozent gewählt SPD-Chef Klingbeil nun auch Fraktionsvorsitzender
Die neue SPD-Fraktion im Bundestag hat Parteichef Klingbeil zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Dass dieser nach der herben Niederlage der Sozialdemokraten bei der Wahl seine Macht ausbaut, stößt in der Partei auch auf Kritik.
SPD-Parteichef Lars Klingbeil hat nun ein zweites wichtiges Amt innerhalb seiner Partei inne: Drei Tage nach der historischen Niederlage bei der Bundestagswahl hat die neue SPD-Parlamentsfraktion Klingbeil zu ihrem Vorsitzenden gewählt.
Der 47-jährige Niedersachse erhielt 85,6 Prozent der Stimmen - 95 SPD-Abgeordnete votierten dabei für Klingbeil, 13 gegen ihn, drei enthielten sich. Damit hat Klingbeil ein schlechteres Ergebnis erzielt als sein Vorgänger Rolf Mützenich bei drei Wahlen zum Fraktionsvorsitzenden seit 2019 (94,7, 97,1 und 97,7). Mützenich kandidierte nicht mehr für den Vorsitz, ist aber weiterhin Teil der Fraktion.
Das Ergebnis seiner Wahl bezeichnete Klingbeil als "ehrlich". "Das hat man schon gemerkt, auch in den Debatten, dass der Sonntag noch ein bisschen in den Knochen steckt und das wird uns lange als Partei, als Fraktion, beschäftigen", sagte er nach der Sitzung.
Der neue starke Mann der Sozialdemokraten
Die SPD war bei der Wahl von 25,7 auf 16,4 Prozent abgestürzt, ihre Fraktion schrumpft damit von 207 auf 120 Mitglieder. Trotz der herben Verluste bei der Wahl wurde Klingbeil durch den Partei- und Fraktionsvorstand für den Posten des Fraktionschefs nominiert. Ziel sei, dass Partei- und Fraktionsvorsitz künftig "in einer Hand liegen", sagte Klingbeil.
Mit der Doppelfunktion ist er nun der neue starke Mann bei den Sozialdemokraten und wird die Gespräche über eine mögliche Koalition mit der Union führen. Unklar ist, ob er nach erfolgreichen Verhandlungen über eine schwarz-rote Koalition Fraktionschef bleiben wird oder dann in die neue Bundesregierung wechselt.
"Als SPD haben wir Verantwortung dafür, dass es im Land eine stabile Regierung gibt", sagte Klingbeil nach seiner Wahl zum Fraktionschef. Mit dem Kanzlerkandidaten der Union, Friedrich Merz, habe man verabredet, sich schnellstmöglich auf den Zeitplan für die weiteren Gespräche zu einigen.
Scharfe Kritik aus eigenen Reihen
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte bereits nach den ersten Hochrechnungen angekündigt, dass er mit der Bildung der neuen Regierung nichts mehr zu tun haben werde. Auch Parteichefs sind in solchen Situationen schon zurückgetreten.
Dass Klingbeil nach der Wahlniederlage das Gegenteil tat, ist innerhalb der SPD umstritten. Der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer kritisierte das Vorgehen scharf: "Durch dieses Vorgehen entstand der fatale Eindruck: Als erste Reaktion greift einer der Architekten des Misserfolgs nach dem Fraktionsvorsitz", sagte er kürzlich dem Spiegel.
Ähnlich äußerte sich der frühere Parteistratege Matthias Machnig. Er hätte erwartet, dass die Parteivorsitzenden in dieser Situation "Nachdenken und Selbstreflexion vor Aktionismus" stellen würden. "Stattdessen hat Klingbeil das politische Vakuum in der Nacht zu seinen Gunsten genutzt. Das ist eine Art Selbstermächtigung oder gar Bonapartismus." Bonapartismus ist eine autoritäre Herrschaftsform, benannt nach dem französischen Kaiser Napoleon Bonaparte.