Experten widersprechen Verbraucherschützern "Chlorhühner sind nicht ungesünder"
Die Kritik an dem Freihandelsabkommen TTIP wird gerne mit dem Verweis auf die angeblich gefährlichen Chlorhühnchen aus den USA angefüttert. Experten widersprechen diesen Warnungen. In Report Mainz sagen sie, deutsche Hühner seien auf keinen Fall gesünder.
Bisher galten US-Chlorhühnchen in der Debatte um das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) als Schreckgespenst für Verbraucher. Doch Experten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) fordern im ARD-Politikmagazin Report Mainz, die Debatte sachlicher zu führen.
"Das Chlorhühnchen ist nach unserer Auffassung nicht gesundheitsschädlich für den Verbraucher", erklärte Lüppo Ellerbroek, Fachgruppenleiter Lebensmittelhygiene und Sicherheitskonzepte des BfR. "Wir bewerten das genauso wie die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA, die in zahlreichen Gutachten festgestellt hat, dass aus den Substanzen, die bei diesem Verfahren benutzt werden, keine gesundheitlichen Gefahren für den Verbraucher resultieren. Und dieser Auffassung schließt sich auch das Bundesinstitut für Risikobewertung an."
"Effektive Methode"
"Das deutsche Huhn ist auf keinen Fall gesünder als das US-Chlorhuhn", betonte Ellerbroek. "Ganz im Gegenteil: Wir müssen leider feststellen, dass wir ein massives Keimproblem auf deutschem Geflügel haben". Jedes Jahr werde festgestellt, "dass wir einen sehr hohen Anteil an Campylobacter und Salmonellen als krank machende Erreger auf dem Geflügel haben". Bislang sei es der Geflügelindustrie nicht in ausreichendem Maße gelungen, den Trend umzukehren. Die Behandlung von Geflügelfleisch mit Chlorverbindungen sei hingegen eine effektive Methode, um die Keimbelastung auf dem Geflügelfleisch deutlich zu reduzieren und damit Erkrankungen wegen Keimen zu verhindern.
Deswegen spricht sich BfR-Experte Ellerbroek dafür aus, auch in Deutschland die Behandlung von Geflügelfleisch mit Chlorverbindungen als zusätzliche Maßnahme ergänzend zu hohen Erzeugungsstandards einzuführen: "Es gibt keinen Grund, warum man dem Verbraucher diese Maßnahme vorenthalten sollte oder müsste. Sondern es gibt vielmehr gewichtige Gründe, dass man dieses Verfahren auch anwendet, denn wir dürfen kein geeignetes Mittel auslassen, um den Verbraucher zu schützen", erklärte Ellerbroek.
"Zusätzliche Maßnahme"
Weitere namhafte deutsche Wissenschaftler teilen diese Auffassung. So erklärte Reinhard Fries, Leiter des Instituts für Fleischhygiene und -technologie an der Freien Universität Berlin, im Interview mit Report Mainz: "Die Behandlung von Geflügelfleisch mit Chlorverbindungen ist von Vorteil, weil wir damit eine weitere Möglichkeit haben, Mikroorganismen auf Geflügel und auf anderen Schlachtkörpern unter Kontrolle zu halten." Nach seiner Einschätzung werde die Chlorbehandlung von Geflügelfleisch in wenigen Jahren auch in Deutschland eingeführt. Fries betonte, dies werde nicht zu einer Verschlechterung der Erzeugungsprozesse führen: Es sei eine zusätzliche Maßnahme.
Auch Thomas Blaha, Epidemiologe von der Tierärztlichen Hochschule Hannover, erklärte: "Es wäre klug, das bisherige Grundprinzip, also das sich Verlassen allein auf einen hohen Hygienestandard entlang der Produktionskette, auf den Prüfstand zu stellen. Es muss geprüft werden, ob nicht eine zusätzliche finale keimabtötende Hygienemaßnahme, und dazu gehört auch die Chlorbehandlung von Geflügel, bei der gegenwärtigen Risikolage, nämlich der Zunahme der resistenten Keime in den vergangenen Jahren insbesondere auf Geflügelprodukten, hilfreich wäre."
Salmonellen im Supermarkt
In Deutschlands Schlachthöfen ist fast jedes fünfte Schlachthuhn mit Salmonellen belastet. Bei Schlachthofkontrollen seien 17,8 Prozent der Hühner kontaminiert gewesen, berichtete die "Wirtschaftswoche" unter Berufung auf das Bundeslandwirtschaftsministerium.
Die mit dem Krankheitserreger infizierte Ware werde aber nicht vernichtet, sondern lande zum Großteil trotzdem im Supermarkt. Das Ministerium begründe dies damit, dass das Fleisch "üblicherweise nicht roh verzehrt wird, sonder gegart, gebraten, gekocht, so dass Salmonellen abgetötet werden". Im Einzelhandel wurden dem Bericht zufolge noch bei 6,3 Prozent des frischen Geflügelfleischs Salmonellen gefunden.