Coronavirus in Deutschland "Es gilt, den Übergang zu managen"
Deutschland wird sich Experten zufolge mit dem neuen Coronavirus arrangieren müssen. Sie erwarten, dass die Fallzahlen in den nächsten Wochen ansteigen. Grund zur Panik bestehe allerdings nicht. Heute berät der Krisenstab der Bundesregierung.
Trotz der neuen Coronavirus-Fälle sieht das Robert Koch-Institut (RKI) in Deutschland kein breites Krankheitsgeschehen. Insgesamt bleibe es bei der Einschätzung, dass das Risiko gering bis mäßig sei, sagte der RKI-Vizedirektor Lars Schaade.
Am späten Donnerstagabend wurden die ersten Fälle in Norddeutschland gemeldet. Ein Mitarbeiter der Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) hatte sich mit dem neuartigen Coronavirus infiziert. Es ist die erste nachgewiesene Infektion mit Sars-CoV-2 in Hamburg, wie die Klinik und die Behörde für Gesundheit mitteilten. Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks gab bekannt, dass es sich bei dem Infizierten um einen Arzt handelt. Man habe etwa 50 Kontaktpersonen des Erkrankten aus Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg) identifiziert.
Insgesamt stieg die Zahl der in dieser Woche bestätigten Infektionen innerhalb eines Tages auf mehr als 30. Betroffen sind bislang die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hamburg und Hessen. Allein in NRW sollen geschätzt rund 1000 Menschen in Quarantäne sein. Der Krisenstab der Bundesregierung will über weitere Vorkehrungen gegen das neue Virus beraten. Daneben waren schon vor mehreren Wochen 16 weitere Sars-CoV-2-Infektionen gemeldet worden. Diese Menschen gelten inzwischen alle als virusfrei.
"Impfstoff frühstens 2021"
Deutschland wird sich Experten zufolge mit dem neuen Coronavirus arrangieren müssen. "In ein paar Jahren werden wir mit einer weiteren grippeartigen Erkrankung leben, die Covid-19 heißt und gegen die wir impfen können. Jetzt gilt es den Übergang zu managen", sagte Frank Ulrich Montgomery der Zeitung "Passauer Neuen Presse". Das neue Virus Sars-CoV-2 kann die Lungenkrankheit Covid-19 auslösen. Der Vorsitzende des Weltärztebundes rechnet frühestens 2021 mit einem Impfstoff. Er warnt aber vor Panik.
Coronavirus ist die geläufigste Bezeichnung für das neuartige Virus aus China. Dessen offizieller Name, den die WHO festgelegt hat, lautet Sars-CoV-2. Die aus dem Virus resultierende Lungenkrankheit heißt Covid-19.
Der Virologe Christian Drosten sagte in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner": "Wir müssen uns fragen, in welcher Geschwindigkeit so 60 bis 70 Prozent der deutschen Bevölkerung mit diesem Virus jetzt Erfahrung machen wird." Wenn das in mehreren Wochen, statt über einen Zeitraum von zwei Jahren, geschehe, wäre es das Schlimmste, was passieren könnte. "Wir werden in den nächsten Tagen sehen, dass neue Fälle und kleine Fallgruppen wie die Pilze aus dem Boden schießen werden."
Schutzausrüstung könnte knapp werden
Der Krisenstab der Bundesregierung will heute über den Umgang mit Großveranstaltungen wie Messen beraten. So geht es um Auswirkungen auf die Internationale Tourismusbörse (ITB), die am 4. März in Berlin beginnen soll. Auch für andere Veranstaltungen könnten Kriterien entwickelt werden, nach denen Behörden vor Ort dann über mögliche Beschränkungen entscheiden können.
Die Bundesregierung sucht auch nach Lösungen, um Schutzausrüstung etwa für medizinisches Personal verfügbar zu halten. "Wir müssen uns auf eine Knappheit in dem Bereich einstellen", sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei "Maybrit Illner". Daher solle geschaut werden, welche Lagerbestände es in Deutschland gebe.
WHO warnt vor "pandemischem Potenzial"
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte, der neue Erreger habe "pandemisches Potenzial" und könnte ohne die richtigen Maßnahmen "außer Kontrolle geraten". Sars-CoV-2 kann die Lungenkrankheit Covid-19 verursachen. Die meisten Infizierten haben nur eine leichte Erkältungssymptomatik mit Frösteln und Halsschmerzen oder gar keine Symptome.
15 von 100 Infizierten erkrankten schwer, hieß es vom RKI. Sie bekommen etwa Atemprobleme oder eine Lungenentzündung. Nach bisherigen Zahlen sterben ein bis zwei Prozent der Infizierten, weit mehr als bei der Grippe. Laut RKI hat sich die Zahl der Fälle weltweit auf mehr als 83.000 Patienten in 52 Ländern erhöht.
Eine Epidemie bezeichnet in der Regel eine Erkrankungswelle. Bestimmte Erkrankungsfälle mit der gleichen Ursache treten vermehrt auf, heißt es vom Robert Koch-Institut. Eine Epidemie ist zeitlich und räumlich begrenzt.
Für eine Pandemie gibt es keine eindeutige Definition, oft ist damit die Ausbreitung einer Krankheit über mehrere Kontinente oder weltweit gemeint. Die WHO definiert eine Pandemie als eine Situation, in der die gesamte Weltbevölkerung potenziell einem Erreger ausgesetzt ist - und das Risiko besteht, dass "ein Teil von ihr erkrankt". Die Einstufung als Pandemie sagt aber nichts darüber aus, wie ansteckend oder tödlich die jeweilige Krankheit ist. Der Pandemiebegriff setzt sich aus den altgriechischen Wörtern "pan" für "alles" und "demos" für "Volk" zusammen.
In den vergangenen Jahrzehnten hat die WHO immer wieder von Pandemien gesprochen, wenn Krankheiten sich über Grenzen hinweg ausbreiteten. So wurden etwa der Ebola-Ausbruch ab 2013 in Westafrika und die Schweinegrippe in den Jahren 2009 und 2010 als Pandemien eingestuft.