IQB-Bildungstrend 2022 Schlecht in Deutsch - gut in Englisch
Der neue Bildungstrend ist alarmierend: Jeder dritte Neuntklässler verfehlt demnach die Mindeststandards im Lese- und Hörverständnis im Fach Deutsch. Dafür punkten die Jugendlichen im Englischen.
Die Deutsch-Leistungen von Neuntklässlern haben sich einer Studie zufolge seit 2015 deutlich verschlechtert. Etwa jeder Dritte scheiterte im vergangenen Jahr bei deutschlandweiten Tests an Mindeststandards für den mittleren Schulabschluss (MSA) im Bereich Lese- und Hörverständnis - mehr als jeder Fünfte verfehlte diese im Bereich Rechtschreibung. Das geht aus dem IQB-Bildungstrend hervor, der zum Abschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) vorgelegt wurde.
Im Vergleich zur Vorgängeruntersuchung von 2015 zeigt sich ein signifikanter Anstieg der Schülerinnen und Schüler mit Problemen im Bereich Lesen und Rechtschreibung von jeweils rund neun Prozentpunkten. Im Bereich Zuhören/Hörverständnis sind es sogar 16 Prozentpunkte.
Der mittlere Schulabschluss wird in der Regel am Ende der zehnten Klasse erworben. Damit haben die getesteten Neuntklässler laut den Autoren der Studie noch ein Jahr Zeit, um die MSA-Standards zu erreichen.
Deutliche Verbesserungen im Englischen
Einen Lichtblick liefert die Studie dennoch: Im Gegensatz zu den Deutsch-Ergebnissen sind die Fähigkeiten im Fach Englisch "äußerst erfreulich", heißt es im Bericht der Studienautoren. Neuntklässler seien im Jahr 2022 deutlich besser in der Lage, schriftliche Texte und gesprochene Sprache in Englisch zu verstehen als 13 Jahre zuvor. Der Anteil derjenigen, die hier die MSA-Mindeststandards verfehlten, sank im Leseverstehen um jeweils drei Prozentpunkte auf 24 und im Hörverstehen um ebenfalls drei Prozentpunkte auf 14 Prozent.
Die Studienautoren gehen davon aus, dass vor allem die stärkere Nutzung von digitalen Medien und Inhalten auf Englisch während der Corona-Pandemie zu dem Ergebnis beigetragen haben könnte. Mit Blick auf Plattformen wie TikTok, YouTube und Streamingdienste sprechen die Autoren von "außerschulischen Lerngelegenheiten".
Am IQB-Bildungstrend 2022 haben sich im Fach Deutsch 32.990 Schülerinnen und Schüler aus 1.610 Schulen aus allen 16 Ländern beteiligt. Getestet wurde am Ende der 9. Jahrgangsstufe. Im Fach Englisch umfasst die Stichprobe 31.159 Schülerinnen und Schüler aus 1.542 Schulen. Es war die dritte Erhebung dieser Art nach 2015 und 2009. Getestet wurde zwischen April und Juli 2022. Schulen und Klassen wurden repräsentativ ausgewählt.
Corona-Schutzmaßnahmen als mögliche Ursache
Die Ergebnisse im Fach Deutsch seien hingegen "in hohem Maße besorgniserregend", so die Studienautoren. Die Untersuchung stellt erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern fest. Bayern und Sachsen schneiden demnach besser ab, Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen schwächer.
Eine mögliche Ursache für das schlechte Abschneiden könnten demnach die Corona-Schutzmaßnahmen sein, die in großem Stil Schulen betrafen. Es sei davon auszugehen, "dass der Fern- und Wechselunterricht, der bundesweit über längere Zeiträume umgesetzt wurde, die ungünstigen Entwicklungen im Fach Deutsch in nicht unerheblichem Maße mit verursacht hat", heißt es in der Studie.
Die Neuntklässler, die im vergangenen Jahr getestet wurden, waren zum Beginn der Pandemie 2020 in der siebten Klasse. Der Ausnahmezustand mit Schließungen und Wechselunterricht dauerte mit Unterbrechungen mehr als ein Jahr an. Nach einer Berechnung der OECD war der reguläre Unterricht zwischen Frühjahr 2020 und Frühjahr 2021 im Schnitt an mehr als 180 Tagen eingeschränkt. Im darauffolgenden Winter kam es zwar zu keinen flächendeckenden Schließungen mehr, dafür aber zu weiteren Ausfällen wegen vieler Infektionsfälle.
38 Prozent der Neuntklässler mit Migrationshintergrund
Eine weitere mögliche Ursache für die Ergebnisse im IQB-Bildungstrend könnte laut den Forschern der gestiegene Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund sein. Dieser habe sich bundesweit seit dem Jahr 2009 um rund elf Prozentpunkte signifikant erhöht. Demnach haben 38 Prozent der Neuntklässler entweder Eltern, die nicht in Deutschland geboren wurden oder sind selbst im Ausland geboren.
Im Fach Deutsch seien zwar alle Jugendlichen, auch die ohne Zuwanderungshintergrund, von negativen Trends betroffen. Neuntklässler mit Zuwanderungshintergrund erreichten aber "signifikant geringere Kompetenzen".
Die Ergebnisse bestätigen einen schon länger anhaltenden und viel diskutierten Trend: Mit den Leistungen in Kernfächern geht es bergab. Im vergangenen Jahr zeigten das die schlechten Testergebnisse bei Viertklässlern in Mathe- und Deutsch. Nun wird bei den Neuntklässlern deutlich, dass sie zunehmend Probleme mit Textverständnis und Schrift haben.